Erika Pluhar: "Dieses Geldgetue halte ich von mir fern"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Sängerin und Schriftstellerin Erika Pluhar erzählt, warum ihr finanzielle Unabhängigkeit wichtig ist und sie dem Konsumzwang wenig abgewinnen kann.

Die Presse: Viele Künstler kokettieren damit, sich nicht für Geld zu interessieren. Sie auch?

Erika Pluhar: Ich kokettiere nicht, wenn ich sage, dass ich nicht sehr viel Geschick habe, mit Geld umzugehen. Ich bin 1939 geboren. Meine erste Kindheitserinnerung war Krieg, und in der Nachkriegszeit war man wirklich arm. Als ich ins Gymnasium gegangen bin, musste ich Nachhilfestunden geben, weil Taschengeld nicht drin war. Als ich dann am Burgtheater begonnen habe, hatte ich eine Elevengage. Da fand ich mich toll. Dabei habe ich immer zu meiner Mutter essen gehen müssen, damit ich mit dieser Gage durchkomme. Aber durch diese anfängliche Armut habe ich gewusst, dass es gut ist, wenn ich etwas verdiene und mit meinem Geld haushalte. Und dass es mir lieber ist, selbstständig als abhängig zu sein. Ich war in meinem Leben, auch in meinen Ehen, immer Alleinverdienerin.

Heißt das, auch in der Ehe hatten Sie getrennte Konten?

Die Frage hat sich nicht gestellt, weil ich immer selbstständig gelebt habe. Meine Ehen waren keine Ehen im üblichen Sinn. Da hat man sich nicht auf ein Packel gehaut. Das war immer ich, und einmal war ich halt verheiratet oder nicht, hatte einen Freund oder nicht. Mich hat Geld nie wahnsinnig interessiert. Mir war wichtig, von dem, was ich verdiene, leben zu können.

Wollten Sie selbstständig sein, oder hat sich das ergeben?

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als jede Frau von einem Prinzen aus ihren Nöten erlöst werden wollte. Aber ich war gleich nach der Matura am Reinhardt-Seminar. Ich bin in diese Selbstständigkeit hineingeraten und habe sie nie wieder aufgegeben.

Interessiert Sie Geld also doch?

Ich verachte alles, was mit Geldgier, mit Shopping zu tun hat. Diese Kauferei und dieses Teuer-essen-Gehen, die Weine, das ganze westliche materialistische Geldgetue halte ich von mir fern. Ich habe mein Auskommen, sagen wir so.

Gönnen Sie sich keinen Luxus?

Ich mache keine wilden Reisen, kaufe mir keine Fetzen, die Unsummen kosten. Ich habe weder Schmuck noch ein teures Auto. Ich mache kein Wellness und keine Operationen. Ich bin ein wirklicher Gegner des ständigen Konsumierens. Ich versuche das für mich überschaubar zu halten, passe aber auf, dass alles in der von mir geforderten Lebensqualität passiert. Das bedeutet, in einem Haus zu leben, wo man die Herbstblätter runterrascheln hören kann.

War das auch schon so, als Sie jung waren?

Als ich jung war, gab es diesen Konsumzwang noch nicht. Als das Wirtschaftswunder gekommen ist, habe ich die Neureichen verachtet. Diese Entwicklung zum Konsumzwang habe ich nicht mitgemacht, wohl auch, weil ich ein künstlerisch orientierter Mensch war.

Aber Wohlstand ist doch nichts Schlechtes.

Ich meine nicht, ordentlich leben zu können von dem, was man verdient. Sondern diese oft zitierte Gier. Mir hat man auch gesagt: „Geh doch in die Schweiz oder kauf dir Aktien.“ Mir tut in diesem Zusammenhang Alice Schwarzer leid. Ich bin aber eher jemand, der sein Geld unter der Matratze liegen hätte, mir ist auch ein Bankkonto schon suspekt. Ich lasse mir immer Bargeld bringen und zahle immer nur mit Bargeld. Ich benötige wirklich keinen Reichtum. Worauf ich jetzt mit meinen 75 Jahren schaue, sind gewisse Ressourcen, falls ich krank werde, und weil ich nicht in ein Altersheim will.

Haben Sie diese Ressourcen?

Ja, das schaut so aus, dass ich da durchkomme. 75, das ist nicht mehr so endlos.

War es im Nachhinein betrachtet Glück, dass Sie nie Steuerschlupflöcher gesucht haben?

Das war mein Instinkt, kein moralischer Instinkt, sondern eher mein Unbehagen mit dem Ganzen. Es hat mir einfach nicht gefallen, es war zu kompliziert. Da hätte ich mich damit beschäftigen müssen.

Ihrem Ex-Mann Udo Proksch sagte man einen ganz anderen, sehr materialistischen Zugang zu Geld nach. Hat das nicht Konfliktstoff in der Ehe gegeben?

Der Udo Proksch war ein Fantast. Er hat auf eine verwegene Weise viel verdient. Aber er hat sein Geld auch verschenkt oder weggegeben. Er war überhaupt kein realistischer Mensch. Da habe ich mich sehr schnell abgegrenzt und mich und meine Tochter von der Fantasterei ferngehalten.

Haben Sie nicht versucht, ihm einen realistischeren Zugang beizubringen?

Versucht habe ich es vielleicht, aber man kann Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen. Dann habe ich den ganz jungen Heller geheiratet, der hatte keinen Pfennig. Wir haben gemeinsam Kredite aufgenommen und waren arm. Das kann sich heute überhaupt niemand vorstellen. Wir waren rührend arm. Er hat sein Erbe in einen Film verpulvert, in dem ich gespielt habe. Dann hat er nichts mehr gehabt. Und das wollte ich dann irgendwann nicht mehr. Was ich nicht mochte, sind Schulden. Das bedrückt unsäglich. Das habe ich ab einem gewissen Zeitpunkt versucht zu vermeiden.

Ging es bei Ihren Scheidungen je um Geld?

Ich habe mich beide Male ganz friedvoll geschieden. Ich bin auch ein sehr großzügiger Mensch und versuche immer, dass Menschen, die mit mir arbeiten, es so gut wie möglich haben. Ich will niemanden ausbeuten und bin, glaube ich, auch nicht geizig. Das klingt selbstlos, ist aber so. Ein paar Mal bin ich dann auch schon auf die Gosch'n gefallen, weil Leute das ausnutzen.

Was waren das für enttäuschende Erfahrungen?

Ich habe ja mein eigenes Unternehmen, produziere Tonträger und schreibe Bücher. Ich habe also immer Mitarbeiter gebraucht und bin irgendwann draufgekommen, dass ich lange Zeit beschissen wurde. Aber Enttäuschung ist das Ende der Täuschung.

Sie sind ja sehr vielseitig. Welche Ihrer zahlreichen Aktivitäten bereitet Ihnen die meiste Freude?

Ich habe schon schöne Jahre in der Schauspielerei erlebt. Aber das Musizieren ist mir eine wirkliche Freude. Eine andere Komponente ist und bleibt das Schreiben. Da habe ich gute Zeiten.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Bücher zu schreiben?

Ich habe erst mit meinem 40. Lebensjahr angefangen, Bücher herauszugeben. Ich habe die Angela Praesent kennengelernt. Sie hat die Reihe „Neue Frau“ bei Rowohlt gegründet und mich gefragt, ob ich Auszüge aus meinen Tagebüchern in der Reihe veröffentlichen möchte. In der Zeit war ich viel mit medialem Voyeurismus konfrontiert. Da dachte ich: Ich mache den Schlüsselloch-Effekt einfach selbst kaputt. Später kam mein erster Roman, dann die eigenen Liedtexte, und so ging es weiter.

Wie wichtig sind Ihnen die Verkaufszahlen?

Ich lebe in keinem Wolkenkuckucksheim. Ich hatte das Burgtheater gern bummvoll, ich mag es, wenn Konzerte voll sind. Das nehme ich schon wahr. Und die Bücher haben eine Leserschaft gefunden. Ich mache das ja für Menschen, die das entgegennehmen wollen. Wenn kein Hahn danach kräht, würde ich es lieber lassen. Aber gerade im Älterwerden hat die Leser- und Zuseherschaft eher zugenommen als sich vermindert.

Worauf führen Sie das zurück?

Ich bin älter geworden und nicht verkommen. Ich bin am Leben geblieben, in einem kreativen Sinn. Vielleicht zieht lebendiges Altern die Menschen an. Aber ein geriatrisches Wunder wie der Johannes Heesters möchte ich nicht werden.

[ Fabry]

ZUR PERSON

Erika Pluhar (*1939) ist eine österreichische Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin. Von 1959 bis 1999 war sie Ensemblemitglied im Burgtheater. In den Siebzigerjahren startete Pluhar ihre Karriere als Sängerin, ihr erstes Buch veröffentlichte sie 1981. In erster Ehe war sie mit dem Unternehmer Udo Proksch verheiratet, der später im Fall Lucona wegen sechsfachen Mordes verurteilt wurde. Pluhars zweiter Ehemann war der Künstler André Heller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.