Gunkl: "Knausern ist dem Leben gegenüber unfair"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Banken steht der Kabarettist Gunkl schon seit Jahren auf Kriegsfuß, auch der Rest der Wirtschaft ist ihm eher zuwider. Am Geld, das er verdient, kann er sich trotzdem erfreuen.

Wir treffen Gunkl in seinem „Büro“, dem Café Porzellan in Wien-Alsergrund. Hier, zwischen Spielautomaten, Rauchschwaden und Kaffee mit Red Bull, redet der Kabarettist über Banken – und sich in Rage.

Die Presse: Geben Sie gutes Trinkgeld?

Günther Paal: Ja, ich war selbst Kellner und habe jetzt das Glück, dass ich mir das leisten kann.

Mehr als Sie früher bekamen?

Ich gebe das, worüber ich mich selbst gefreut hätte. Zehn Prozent sind okay. Mehr ist nicht falsch.

Auch wenn der Kellner unfreundlich ist?

Dann gebe ich auch so viel. Es will niemand ein Arschloch sein. Manchen passiert das einfach. Natürlich fällt es mir auf, wenn jemand seinen Beruf nicht kennt. Und da gestatte ich mir schon hin und wieder, die Basics klarzustellen. Dass zum Beispiel der Aschenbecher nicht übergehen darf.

Geben Reiche mehr Trinkgeld?

Es gibt ja diese blöde Behauptung, dass Reiche so viel Geld haben, weil sie knausern. Reich wird man nicht, weil man spart, sondern wenn man viel verdient. Und wenn man sich dann nicht leistet, großzügig zu sein, bringt es nichts. Es ist sinnlos, Geld zu haben und sich zu zu verhalten, als hätte man keins. Das gibt es billiger. Knausern ist dem Leben gegenüber unfair.

Haben Sie als „Experte für eh alles“ auch eine Meinung zu Geld?

Ich habe nie verstanden, warum Geld ein Schuldschein sein soll und kein Gutschein. Im Grund könnte Geld als Anteilschein am Volksvermögen organisiert werden. Den erwirtschafte ich durch meine Arbeit. Mein Geld ist dann ein Gutschein für die Leistung anderer. Falsch. Geld entsteht, indem die Bank welches verborgt, das sie nicht hat und das es real nicht gibt. Wenn ich mir 100.000 Euro von der Bank borge, will die in 15 Jahren das Doppelte an Zinsen von mir. Aber wie komme ich zu den zweiten 100.000? Die gibt es nämlich in der Realität auch nicht. Die Bank ist interessiert an Schuldknechtschaft.

Was ist Ihre persönliche Conclusio daraus?

Ich bin schuldenfrei. Für mein erstes Tenorsaxofon habe ich mir Geld geborgt. Aber von der Großmutter und nicht von der Bank. Das habe ich zinsenfrei zurückgezahlt.

Warum ist Ihnen das wichtig?

Ich will alles, was ich habe, nicht nur benützen und besitzen, ich will, dass es meins ist. Ich will nicht in einem Auto herumfahren, das der Bank gehört. Das widerspricht meiner Ästhetik. Ich habe mein Auto vor mittlerweile sieben Jahren bar gezahlt. Der Händler war damit komplett überfordert.

Was schätzen Sie an Bargeld?

Dass ich, wenn ich mir beim Billa eine Jause kaufe, keinen ärgere, weil ich in den Automaten ewig Nummern eintippen muss.

Vor mir stehen immer Leute, die dann anfangen, Cents zu zählen.

Aber es ist erschütternd, dass die Banken uns das Geld weggenommen haben. In Italien kann ich nichts mehr über 300 Euro in bar bezahlen. Das ist doch krank.

Mit Banken stehen Sie also generell auf Kriegsfuß.

Eine Anekdote dazu: Eines Tages steht der Gerichtsvollzieher vor meiner Tür und will eine Lawine an Geld, weil ich meine Steuern nicht bezahlt hätte. Habe ich aber und zeige ihm den Erlagschein. Also sind wir zu meiner Bank und sitzen beim Chef der Filiale. Es stellt sich heraus: Die Bank hat alles abgestempelt, aber nichts überwiesen. Ich sage: „Wunderbar, die Bank bezahlt, der Gerichtsvollzieher freut sich und ich gehe heim.“ Aber es sind mittlerweile 20.000 Schilling an Strafen und Gebühren angefallen.

Die hat Ihre Bank nicht gezahlt?

Am Tag danach ruft mich der Bankmensch an und will sich die Strafe teilen. Ich habe abgelehnt. Dann sagt er zu mir – ohne flatteratmig zu werden: „Na gut, aber Sie müssen zugeben, ich wäre ein schlechter Geschäftsmann, wenn ich es nicht zumindest probiert hätte.“ Das sagt er dem Mann, den er zwei Sekunden vorher um 10.000 Schilling zu betrügen versucht hat. Ich habe nicht einmal die Bank gewechselt, weil ich nicht glaube, dass an der Position in einer anderen Bank ein besserer Mensch sitzt.

Das ist doch ein Pauschalurteil.

So schaut die Idee von Geschäft eben aus: Man betrügt, wo immer es geht, und hat keinen Genierer. Das ist das Geschäft.

Wie läuft Ihr Geschäft? Sie stehen mit Ihrem neuen Programm auf der Bühne. Haben Sie den Wunsch, dass viele Menschen kommen?

Es muss jede Vorstellung so gut sein, dass ich mir denken würde, ja, das war etwas. Ob das zwei Menschen sehen oder 200, ist mir egal.

Geld spielt keine Rolle?

Geld ist nicht das Spielziel. Sonst müsste ich Werbung machen.

Oder Firmengalas bespielen.

Mache ich nicht. Außer es interessiert mich, dann auch ohne Geld. Anfragen von Firmen, die gut zahlen, lasse ich meist aus. Entweder wäre ich Feigenblatt oder bezahlter Kasperl. Beides bin ich nicht.

Verdirbt Geld den Charakter?

Kann passieren, weil der Mensch geneigt ist, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken: Was man hat, hat man nicht aus Glück, sondern weil man es verdient hat. Das heißt auch, dass die, die es nicht haben, es nicht verdient haben. Wenn man sich dann nur mit Menschen umgibt, die auch so tüchtig sind, kann es passieren, dass der Charakter Abrieb erfährt.

Wie entkommen Sie dieser „Elite-Falle“?

Indem ich weiß, dass es so ist. Und indem ich auch dort antrete, wo es kein Geld gibt. Nicht, damit es mir besser geht, sondern damit ich sehe, wie es ist.

Wofür geben Sie Ihr Geld aus?

Ich habe mir eine Zeit lang sehr, sehr gute Bässe gekauft. Etwa Tobias-Bässe, da kostet das Stück 4500 Dollar. Ein Freund von mir, begnadeter Musiker, hat einmal gesagt: „Es ist eigentlich schade: Entweder jemand ist Musiker, dann kann er sich das nicht leisten, oder er kann sich den Bass leisten, dann ist er aber sicher kein guter Musiker.“ Ich habe heute drei Tobias-Bässe.

Und Sie sind trotzdem Musiker.

Bestenfalls Musikant. Ich habe auch einige verborgt. Zwei Bässe habe ich mir aus Ebenholz nach eigenem Entwurf anfertigen lassen.

Sie lassen sich angeblich auch Maßhemden schneidern.

Ja, beim Schneider nebenan. Hemden und Hosen. Von den Hosen habe ich acht in verschiedenen Stoffen. Der Schnitt ist gut, die Taschen sind so groß, wie ich sie brauche. Aber das ist keine Maßkleidung. Ich habe in Parndorf ein Hemd gekauft. Als es kaputt war, wollte ich wieder so eines und bin zum Schneider gegangen.

Parndorf hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. So viele Menschen ...

Ich suche Menschenmassen nicht, aber ich bin nicht pathologisch.

Da war Ihr Job als Nachtwächter früher ja ideal.

Das war während des Studiums. Wir hatten einen Kollektivvertrag wie Galeerensträflinge. 24,73 Schilling brutto die Stunde, Zwölf-Stunden-Schichten. Um das Geld mache ich keinen Helden, wenn einer einbricht. Da helfe ich ihm noch tragen. Im Kaffeehaus verdient man besser und kann sich ausschlafen.

Rechnen Sie noch in Schilling?

Als ich in die Schule gegangen bin, hat es um drei Schilling eine Standard-Leberkäsesemmel gegeben. Um fünf Schilling war der Leberkäse obszön dick. Heute gibt's um fünf Schilling nicht einmal mehr die nackte Semmel.

ZUR PERSON

Günther Paal alias Gunkl (*1962) ist seit Anfang der 1990er-Jahre als Musiker und Kabarettist tätig. Zuvor arbeitete der gebürtige Wiener lange Jahre als Kellner im Café Stein und im Roten Engel – und wenige Monate als Nachtwächter.

Seit Anfang September steht Gunkl mit seinem elften Soloprogramm „So Sachen – ein Stapel Anmerkungen“ auf der Bühne. Nächste Termine: 17.9. bis 20.9. im Wiener Stadtsaal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)

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