Werner Schlager: "Bodenständigkeit fällt mir nicht schwer"

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Tischtennisprofi Werner Schlager erzählt der "Presse", warum er in jungen Jahren nur ungern in der Trainingshalle stand und sich das Verständnis für seinen Sport lang in Grenzen hielt.

Die Presse: Sie sind vor rund zehn Jahren zum populärsten Sportler Chinas gewählt worden. Wo werden Sie heute eher erkannt. Hier oder in China?

Werner Schlager: Ich war 2004 in China bekannter als Michael Schumacher oder Tiger Woods. Das hängt mir noch etwas nach. In Österreich ist es sehr angenehm, so wie es ist. Jemand der sich für Sport interessiert, der kennt den Namen Werner Schlager. Optisch habe ich mich ja etwas verändert.

Sie wurden ja 2003 Weltmeister. Haben Sie durch diesen Erfolg ausgesorgt?

Das kommt auf den Lebensstil an und womit man zufrieden ist.

Und womit sind Sie zufrieden?

Ich bin zufrieden, wenn ich ein Dach über dem Kopf habe und wenn ich meine Kinder verwöhnen kann. Das ist für mich Luxus.

Wie ist das, wenn plötzlich wesentlich mehr Geld da ist?

Ich habe mir ein Haus finanziert, in dem ich wohne. Im Jahr 2005 habe ich dann bereits mit der Planung für die Werner Schlager Academy, einem Trainings- und Ausbilungszentrum für Tischtennisspieler, begonnen. Durch den Weltmeistertitel hatte ich z.B. einzelne Sponsorverträge in sechsstelliger Höhe. Das ist eine Summe, die ein Bundesliga-Fußballer wahrscheinlich mit Leichtigkeit verdient. Außergewöhnlich ist das also nicht. Aber man kann sich schon etwas leisten.

Die Werner Schlager Academy (WSA) und die Stadt Schwechat sind ein eigenes Kapitel für sich. Die Stadt hat ihr Trainingszentrum in eine größere Mehrzweckhalle (Multiversum) integriert. Die Baukosten sind explodiert und im Zusammenhang mit einer Darlehensvergabe steht der Verdacht von Betrug und Untreue im Raum. Wie geht es Ihnen damit?

Der Rechnungshof hat sich des Themas angenommen und bestätigt nun, dass die WSA kein Täter, sondern eines der Opfer ist. Grundsätzlich leidet die WSA unter nicht fließenden Subventionen von Stadt und Bund. Seither klafft jeden Monat eine große finanzielle Lücke, die ich schließen muss.

Wie lang geht sich das aus?

Wahrscheinlich nicht mehr lang.

Wer hat an dem ganzen Schuld?

Der Schwechater Politik ist es nie um die Werner Schlager Academy gegangen oder um die Sache als solche. Ihr ist es darum gegangen, dass man den Werner Schlager als Fördertool missbraucht – für den Bau eines großen Veranstaltungszentrums. In Summe geht es um 10,6 Mio. Euro, die als Förderungen von Bund und Land aufgrund meines Namens geflossen sind und noch fließen werden. Jetzt weiß ich, dass die WSA davon nur rund fünf Mio. Euro gekostet hat.

Apropos Förderungen. Der Vater von Tennisnachwuchsprofi Dominic Thiem hatte im Sommer mit dem Tennisverband genau deswegen eine Auseinandersetzung. Ist Tischtennis ähnlich teuer wie Tennis?

Wenn sich die Frage auf die Ausgaben für Ausbildung bezieht, kann man es überhaupt nicht vergleichen, weil Tischtennis wesentlich günstiger ist. Wenn sich die Frage auf die strukturellen Diskrepanzen zwischen Funktionären und den Sportlern bezieht, dann gibt es wahrscheinlich keine Unterschiede.

Was sind das für Diskrepanzen?

Ich habe nach meinem WM-Titel als Spielersprecher versucht, im Verband etwas zu bewegen. Ich war damals sehr naiv, weil ich dachte, mein Wort habe Gewicht. Das war aber nicht so.

Was kostet es Eltern, ihrem Kind eine Tischtenniskarriere zu ermöglichen?

Der Einstieg ist relativ günstig, weil man nur einen guten Schläger braucht, und der kostet ab 150 Euro aufwärts. Dann geht es hauptsächlich darum, wie sehr Eltern bereit sind, sich auch um das Vorankommen ihrer Kinder zu kümmern. Viele glauben, dass einen Vereinsstrukturen zum Weltmeister machen. Das trifft nur selten zu. Man sollte auch bereit sein, etwas zu investieren.

Wie war das bei Ihnen?

Ich komme aus einer Familie der unteren Mittelschicht. Der Vater war Eisenbahner, die Mutter Hausfrau. Wir sind am Wochenende mit dem Jausenkorb, weil wir uns keine Wurstsemmel leisten konnten, auf Veranstaltungen gefahren. Das ist vielleicht auch der Grund, warum es mir nicht allzu schwer fällt, bodenständig zu bleiben.

Ab welchem Weltranglistenplatz kann man im Tischtennis gut leben?

Das kommt stark auf das Land an, in dem man lebt. Wenn du unter den besten 200 der Welt bist, solltest du schon davon leben können.

Was machen die anderen Tischtennisspieler?

Sie leben von Förderungen oder müssen kleine Brötchen backen.

Sind Nebenjobs üblich?

Nebenjob und zeitintensiver Leistungssport vertragen sich nicht.

Gibt es etwas, dass Sie in Ihrer Kindheit vermisst haben?

Die Zeit, die ich beim Training verbracht habe, in verschwitzten, schwülen Hallen, hätte man als Jugendlicher gern anders verbracht. Im Nachhinein möchte ich das nicht anders haben. Ich bin dankbar für mein bisheriges Leben.

War es für Sie leicht, sich in dem Sport zu etablieren?

Damals hatte der Sport in Österreich keinen hohen Stellenwert, ich wurde von außen immer belächelt. „Was willst du mit deinem Ping Pong?“, haben sie gesagt. Ich war sogar extra in der Sporthauptschule, im Endeffekt habe ich dort aber auch nur Fußball gespielt. Ein Verständnis für andere Sportarten gab es kaum.

Wie sind Sie dazu gekommen, Tischtennis zu spielen?

Wir sind in den Siebzigerjahren nach Wiener Neustadt gezogen, weil mein Vater ein Haus geerbt hat. Als er mit dem Umbau fertig war, hatte er endlich Zeit für sein Hobby – Tischtennis. Er hat einen Verein gesucht, der aufgrund mangelnder Mitgliederzahl in der Auflösung war. Da hat er vier Mitglieder gebracht: meine Mutter, meinen Bruder und mich. Ich wollte einfach mit meinem Vater Zeit verbringen. Dann hat man gemerkt, dass ich ein gutes Ballgefühl habe. Weil wir uns selbst keinen Tischtennistisch leisten konnten, hat mein Vater für uns zu Hause einen gebaut. Wir haben jeden Tag auf dem Dachboden gespielt. Ich war ziemlich klein. Deshalb hat mein Vater auf meiner Seite die Füße abgesägt, dann ist der Tisch schief gestanden. Später war es dem Landesverbandstrainer ein Dorn im Auge, dass ich immer so hoch gespielt habe. So etwas kann man sich heute nur schwer vorstellen.

Wie lang kann man als Tischtennisspieler Leistungssport betreiben?

Weltklasse bis circa 40, ich werde Ende September 42.

Aber Sie spielen noch.

Ich schaffe es ein- bis dreimal pro Woche. Das Thema rund um das Multiversum belastet mich. Um effektiv zu trainieren, muss man aber den Kopf frei haben, sonst verletzt man sich.

Haben Sie nie leichtsinnig Geld ausgegeben?

Mit 19 habe ich geglaubt, ich bin super gescheit und geh ins Casino. Hier durfte ich noch nicht spielen, deswegen bin ich täglich nach Sopron gefahren. Nach zwei Wochen habe ich mir gedacht: Was machst du da? Dann habe ich mich einmal umgeschaut, wer hier überhaupt sitzt. Seitdem war ich Jahrzehnte nicht mehr im Casino, erst mit meiner Lebensgefährtin, als wir einmal Besuch hatten.

War es denn ein großer Verlust damals?

5000 Schilling Minus. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Werner Schlager (*1972) ist ein österreichischer Tischtennisprofi. 2003 wurde er Einzelweltmeister in Paris. Zuletzt gelang das Richard Bergmann im Jahr 1937. Dieser Erfolg machte Schlager zum populärsten Auslandssportler Chinas. Dort ist Tischtennis Nationalsport. Im Jahr 2005 begann Schlager mit der Planung für die in Schwechat beheimatete Werner Schlager Academy, einem Ausbildungs-und Trainingszentrum für Tischtennisspieler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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