Toni Mörwald: "McDonald's ist ja nicht umsonst so stark"

Spitzengastronom Toni Mörwald
Spitzengastronom Toni MörwaldDie Presse
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Spitzengastronom Toni Mörwald erklärt der „Presse“, warum kochen wie Hochleistungssport ist, gutes Essen teuer sein muss und die Zusammenarbeit mit McDonald's eine Auszeichnung war.

Die Presse: Wenn Sie drei Speisen auf eine Insel mitnehmen könnten, welche wären das?

Toni Mörwald: Können es auch Lebensmittel sein?

Das können Sie sich aussuchen.

Dann wären das ein gutes Schwarzbrot, eine gute Wagramer Ente und eine Flasche Wein.

Ihr Job ist es, andere Menschen glücklich zu machen. Gäbe es da nicht einfachere Berufe?

Beruf kommt von Berufung. Wenn du heute etwas machst, woran du selbst Spaß hast und womit du andere glücklich machen kannst, dann bist du auf dem richtigen Weg.

Und ist es schwer, andere glücklich zu machen?

In der Wissenschaft wird oft ein ganzes Leben lang gearbeitet, bis sich Erfolg einstellt. Gerade in unserem Bereich haben wir da großes Potenzial. Wir können mit ein paar Zutaten relativ schnell schauen, dass die Leute glücklich werden.

Wie oft gibt es Unzufriedene?

Kochen ist Beziehungsmanagement. Die große Kunst am Kochen ist es, das gesamte Team auf Hochleistungen zu trimmen. Es gibt sicher die ein oder andere nicht so optimale Situation.

Als Gast erwartet man von der Spitzengastronomie sehr viel. Wie schwer ist es, jeden Tag überdurchschnittliche Leistungen zu bringen?

Um all die Ziele zu erreichen, muss man ständig die Grundleistung trainieren. Das ist wie in der Kunst oder beim Hochleistungssport das Spannende an dem Beruf. Man benötigt die besten Zutaten und die besten Mitarbeiter. Wir haben in unserem Leben viele Auftritte, jeder Gast, jeder Tisch ist eine eigene Bühne. Jeder hat einen anderen Grundgeschmack, sonst wäre das Leben langweilig. Aber wenn man selbst weiß, was man will, kann man auch andere überzeugen. Das Geheimnis besteht einfach in den Trainingseinheiten.

Bereits Ihr Vater hat ein Wirtshaus besessen. War Ihr Weg vorgezeichnet?

Überhaupt nicht, ich wollte eigentlich Landwirt werden.

Ihr Beruf ist davon aber nicht so weit weg.

Ja, jetzt schließt sich der Kreis wieder, aber ich wollte nicht immer Koch oder Unternehmer werden. Mein Vater bekam in den 1970er-Jahren ein Gasthaus, obwohl er das nicht wollte. Aber seine Schwester hat einen Mähdrescherfahrer im Waldviertel kennengelernt und war dann weg. Plötzlich besaß er ein Wirtshaus. Ich habe dann mit der Zeit gefallen daran gefunden, meine Ausbildung gemacht und im Weg der kleinen Schritte gearbeitet. Man braucht für die Gastronomie ja auch ein Publikum, das applaudiert – sonst geht das nicht.

Mittlerweile haben Sie ein kleines Imperium aufgebaut.

Ich wollte nie ein zweites Restaurant oder Wirtshaus haben. Aber den Leuten hat es geschmeckt.

Später ist Ihr Restaurant in ziemliche Schwierigkeiten geraten.

Wir sind 17, 18 Jahre lang nur gewachsen, ohne das so geplant zu haben. Wenn man eines Tages so viele Fans und Freunde hat, dass der Küchentisch zu klein wird, macht man ein Restaurant auf. Ist dieses auch zu klein, folgt das zweite. Mir ist es umgekehrt passiert. Ständig wurde mir etwas angeboten. Als wir dann eine gewisse Größe erreichten, wurden wir als Gegner wahrgenommen. Das war eine schwere Phase. Wären wir nicht so hart gewesen, wären wir draufgegangen. Dann haben wir eben Restaurants verkauft und abgegeben.

Sie hatten damals ziemlich viele Schulden.

Schulden sind ja nichts Unanständiges. Da gibt es außer mir wohl noch zwei oder drei Österreicher.

Medial angegriffen wurden Sie nicht nur damals, sondern auch als Sie eine Kooperation mit McDonald's eingegangen sind.

Da haben sämtliche Leute gesagt: Als Spitzenkoch kann man doch nicht für McDonald's Werbung machen! Wie geht sich das aus? Ich kann nur sagen: Wo ist da der Wahnsinn? Wenn eine Marke wie McDonald's mit Mörwald zusammenarbeitet, sehe ich das eher als Auszeichnung denn als Niederlage, und schon gar nicht als Fauxpas. Firmen wie McDonald's sind ja nicht umsonst so stark, offenbar haben sie viele Fans und treue Kunden. Und die haben wir auch, sonst hätten wir solche Angriffe nicht überlebt. Jeder Unternehmer muss sich heute Schwierigkeiten stellen, ob er will oder nicht. Probleme vor sich herzuschieben, so wie die Regierung, das geht nicht.

Wie schwer ist es denn, in der Gastronomie Geld zu verdienen?

Es ist möglich. Aber im Grunde trete ich nicht an, um Essen zuzubereiten, weil andere Hunger haben. Das ist wie mit Kleidung. Wenn jemand ein Jahr lang nichts Neues gekauft hat, muss man deswegen nicht nackt herumspazieren. Und genau so ist es mit dem Essen. Wenn es heute kein gutes Essen gibt, wird deswegen niemand verhungern. Aber es geht darum, neue Geschmäcker zu definieren und Erlebnisse zu schaffen, an die man sich auch erinnern kann.

Muss Spitzengastronomie denn teuer sein?

Spitzengastronomie heißt: die Spitze der Gastronomie – und die beginnt nicht am Würstelstand. Wenn das Ikea-Restaurant Frühstück um einen Euro verkauft, kann man damit kein Geld verdienen. Man verdient aber Geld, indem man viele Leute ins Geschäft holt.

Auch in der Spitzengastronomie gibt es starke Preisunterschiede.

Spitze hat auch etwas damit zu tun, dass es professionell gemacht ist, einen Wert hat und etwas kosten soll. Wenn wir ein Gericht kreieren, hat es nicht den Ansatz, dass es sich um ein paar Linsen und ein Stückerl Fisch handelt. Der Wareneinsatz ist im Gegensatz zu dem, was das Gericht kostet, ein anderer. Der Punkt liegt in der Inszenierung, in der Auswahl, wie etwas zustande kommt. Wir entwickeln eine Speise, können sie aber gar nicht so oft drehen, weil wir so eine große Anzahl von Kunden in der Form gar nicht befriedigen können. Viele Gerichte können die Entwicklungskosten mit ihrem Endpreis folglich nicht abdecken. Ein guter Koch verdient heute 2000 Euro netto, das kostet das Unternehmen weit über 4000 Euro. Wenn dann 20 Leute herumrennen, kann das der da vorn im Restaurant ja gar nie bezahlen. Es ist sicher schwer, heute in Österreich nur Spitzengastronomie anzubieten. Wir sind nicht in Shanghai, wo man im 107. Stock 500 Dollar für ein Essen zahlt.

Wie viel geben Sie privat für Essen aus?

Als die Kinder klein beziehungsweise noch nicht da waren, bin ich sehr viel Essen gegangen. Meine Frau und ich haben uns auf der Welt einiges angesehen und uns Anregungen geholt. Jetzt wird viel zu Hause gekocht. Essen hat einen sozialen Aspekt. Wenn die Leute gemeinsam essen, reden sie miteinander und verstehen sich besser. Die Kinder haben schon ein Drei-Sterne-Restaurant in Paris gesehen. Aber bei uns gibt es auch Knödel mit Ei.

Aber das heißt, Sie investieren kein Vermögen?

Überhaupt nicht. Wir haben selbst eine Landwirtschaft mit Pferden, Fischen usw. und können Petersilie oder einen Krauthappel aus dem Garten holen. Für uns sind das grundlegende Werte. Andere fragen sich, wozu sie sich das antun sollten. Die Mehrheit kauft die Sachen lieber im Supermarkt. Und diejenigen, die sich dann fragen, warum es im Ort keinen Fleischer oder Bäcker mehr gibt, denen kann ich nur sagen: weil es die Menschen so wollen.

Wofür geben Sie privat gern Geld aus?

Für meine Familie. Wir reisen gern. Und wir laden unsere Freunde gern zum Kochen ein. [ Clemens Fabry]

ZUR PERSON

Toni Mörwald (*1967) stammt aus Feuersbrunn und übernahm im Jahr 1989 das Wirtshaus seiner Eltern. Bereits ein Jahr später erhielt er seine erste Haube – als damals jüngster Österreicher. Mörwald zählt zu den Grands Chefs der Luxusvereinigung Relais & Châteaux, zu der auch sein Lokal Toni M. gehört. Der Vater dreier Töchter betreibt unter anderem noch ein Restaurant im Schloss Grafenegg und eröffnete 2013 das Atelier im Kochamt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

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