Obonya: "Wahlzuckerln müsste man ablehnen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Cornelius Obonya spricht über die Gier nach dem Kostenlosen und über sein Engagement gegen verkrustete Strukturen, in denen viel Steuergeld versickert. Und er erklärt, warum alle Künstler etwas von Wirtschaft verstehen sollten.

Die Presse: Sie sind Künstler – und Sie haben öffentlich zur Unterstützung der Bürgerinitiative „Politreform jetzt“ aufgerufen. Es geht dabei um Reformen zur Finanzierung der Steuerreform. Warum engagieren gerade Sie sich so sehr für dieses Thema?

Cornelius Obonya: Zur dringend notwendigen Staats- und Verwaltungsreform gibt es ja schon seit 2007 vom Rechnungshof veröffentlichte Reformvorschläge. Aber es tut sich nichts! Das politische System ist einfach zu teuer und zu träge. Unser monströser Bürokratieapparat hat historische Gründe, aber keine aktuelle Notwendigkeit mehr. Und der Anstieg der Staatsverschuldung, auch der internationalen Gesamtverschuldung, wird uns irgendwann um die Ohren fliegen, wenn wir nicht endlich handeln. Das heißt Geld vernünftig sparen und effizient einsetzen, überparteilich und innovativ handeln. Und ich habe – nach meinem Verständnis – die Verpflichtung, die Klappe aufzumachen. Und nicht zu sagen: Ich bin Künstler, das geht mich nichts an.

Also purer Idealismus? Selbst betroffen fühlen Sie sich nicht?

Doch, selbstverständlich. Ich bin ja wie Sie Steuerzahler in diesem Land. Zum Beispiel war da die Idee mit der Mehrwertsteuererhöhung für Bücher, künstlerische Tätigkeiten, Zeitungen etc. von zehn auf zwanzig Prozent: Das trifft gerade Freiberufler wie mich, das zerstört meine Gagen. Das kann kaum der Ansatz für eine effektive Steuerreform sein. Was die betrifft, fühle ich mich schlicht für dumm verkauft – mit mindestens der Hälfte der Menschen in diesem Land. Es hat doch keinen Sinn, dass man sagt: „Wir machen eine Steuerreform, aber ihr zahlt euch die selbst.“ Alle wissen, die Lohnsteuer muss runter, die Arbeit muss für den, der sie leistet, einträglicher werden, und zwar ganz dringend. Aber alle bisherigen Ansätze greifen zu kurz.

Warum, was meinen Sie?

An sich liegt alles längst auf dem Tisch, man müsste nur die Expertenberichte der vergangenen zehn Jahre endlich umsetzen, siehe Rechnungshofbericht, Wifo, IHS und andere. Nur muss man sich dann von ein paar bündischen Strukturen verabschieden, bei Gewerkschaften wie Kammern. Das Problem ist nur, es gibt da so viele Partikularinteressen. Laut Lohnsteuerstatistik 2013 würden wir bei den jetzt vorliegenden Vorschlägen lediglich das zurückbekommen, um das das Lohnsteueraufkommen seit 2009 gestiegen ist, also kein wirklicher Erfolg. Wenn man auch nur einigermaßen Zeitung liest, muss einem das klar sein. Vielleicht nicht, wenn man nur Gratisblätter liest – und die liest jeder, das ist die Gier nach dem Kostenlosen.

Ist diese Gier so stark?

Ja, und sie wird immer größer. Wir werden von der Industrie dazu erzogen. Jedes Sonderangebot ist, wenn man genau hinschaut, Augenauswischerei. Da geht es um ein paar Prozent, die vorher eh draufgeschlagen wurden. Aber man verliert völlig das Gefühl dafür zu sagen, ich zahle meine drei, vier Euro für eine gute Zeitung. Oder ich zahle dieses oder jenes für ein gutes Buch. Leider ist auch die Mentalität des Handaufhaltens weitverbreitet.

Und Sie sind frei davon?

Sicher nicht, da bin ich korrumpierbar wie jeder andere. Wenn ich meine ohnehin enorme Lohnsteuer irgendwie durch Freibeträge reduzieren kann, versuche ich das natürlich auch. Wenn man nicht permanent das Gefühl hätte, dass fast 50 Prozent des Einkommens in viel zu vielen sinnlosen Staatsaktionen verschleudert werden, würde man sie sicher lieber geben. Aber da reden wir jetzt vom Idealbild einer verantwortungsvollen Gesellschaft in einem verantwortungsvollen Staatsapparat: Als solche müsste man auch Wahlzuckerln ablehnen. Und man müsste dagegen demonstrieren und sagen: „Das ist falsch.“

Sind Steuerzuckerln, zum Beispiel für Firmen, die dringend Entlastung brauchen, falsch?

Ich meine Steuerfreiheit für Großkonzerne wie bei Herrn Juncker in Luxemburg! Das ist die drohende Szenerie: Großunternehmen erpressen den Staat mit Abwanderung. Aber sicher müsste der Mittelstand entlastet werden, die Betriebe brauchen natürlich Investitionskapital. Und wenn den Menschen nicht wirklich das Geld ins Säckel zurückgegeben wird – allen, auch Arbeitern und Angestellten –, wird es nicht funktionieren. Wenn man sich von dem, was man verdient, die Waren im Geschäft nicht mehr leisten kann, muss etwas falsch sein.

Und ist das schon so? Kann man sie sich nicht mehr leisten?

Wenn Sie hier sind, sehen Sie augenscheinlich keine Krise. Wir sind hier aber nicht in finanziell weniger gut ausgestatteten Bezirken (das Gespräch fand in einem Café im 13.Bezirk in Wien statt, Anm.)

Sind Cafés in Ottakring weniger besucht?

Das kann ich nicht sagen. In Gesprächen höre ich oft den Satz „Ich weiß nicht, warum wir nicht schon längst alle auf die Straße gehen.“ Nur: Solange die Müllabfuhr noch fährt, hat man dieses existenzielle Empfinden noch nicht. Und solange ich im Supermarkt so ziemlich alles bekommen kann und die Butter nicht für jeden ein Problem ist. Schlimm genug, dass sie es für zu viele schon ist.

Wie sehr nehmen Sie selbst die Krise wahr?

Zum Beispiel eines der renommiertesten Musiktheaterhäuser, das La Monnaie in Brüssel, muss alle seine Tanztheaterproduktionen einstellen, weil neun Millionen Euro eingespart werden müssen.

Wenn Sie so viel Kritik an Strukturen und Staatsschulden üben, muss ich Sie schon fragen: Wie ist das in der Kunstszene? An der Burg sagt ja wohl jeder, die Basisabgeltung muss höher werden. Theoretisch könnte man auch sagen: Man muss mehr sparen, sich nach der Decke strecken...

Selbstverständlich ist der Kunstetat verantwortlich zu verwalten und darf nicht künstlerischen Egomaschinen dienen. Natürlich muss es ein klares Kostenmonitoring für jede einzelne Produktion geben, und das scheint ja nun auch der Fall zu sein. Aber will man die Qualitätsstandards, die uns ja auch internationale Aufmerksamkeit bringen, halten, muss man natürlich auch der Inflation und allgemeiner Kostenentwicklung Rechnung tragen. Schon Klaus Bachler hat gesagt, dass es ohne Indexanpassung der Basisabgeltung irgendwann nicht mehr gehen wird. Und dann ist sehr viel falsch gemacht worden. Außerdem müssen Künstler – fix Angestellte wie Freiberufler –, sich daran gewöhnen, dass Sponsoring Normalität ist. Im Klartext bedeutet das Folgendes: Ich gehe zu einer Firma und sage: „Ich möchte dieses oder jenes Projekt machen. Haben Sie Interesse, das zu unterstützen?“ Dazu muss ich auch ungefähr die Kosten abschätzen können. Und ein Papier hinlegen, das für jemanden, der kein Künstler ist, lesbar ist. Dass Künstler sich mehr mit Wirtschaft beschäftigen, fände ich höchst heilsam.

Aber heißt Sponsoring nicht auch: Wer zahlt, schafft an?

Wenn die Firma sagt: „Ja, mach ich,“ sag ich: „Herzlichen Dank.“ Ich tue auch nicht verschämt, wenn es nach geleisteter Arbeit daran geht zu sagen: „Wir danken diesem und jenem für die freundliche Unterstützung.“ Es gibt da bei Künstlern immer noch so etwas wie: „Na ja, das muss man dann eben machen.“ Nein, bitte, das macht man freundlich und mit lächelndem Gesicht, denn ohne diese Menschen gäbe es das Projekt nicht. Wenn die Firma aber sagt: „Ja, gut, aber ich bestimme, was gemacht wird“, muss der Künstler in der Sekunde sagen: „Danke herzlich, dann nicht.“ Das ist – auch – Freiheit der Kunst.

Manche bezeichnen es aber als Armutszeugnis, wenn man in Österreich Sponsoren braucht...

Das ist bis zu einem gewissen Grad auch wahr. Es ist ja viel Geld im Land da. Womit wir wieder bei der Staats- und Verwaltungsreform sind: Würde man die Dinge anders strukturieren – entschlacken, transparent und freunderlwirtschaftsresistent machen –, dann könnte man das Geld, das jetzt versickert, in vielen Bereichen sinnvoller verteilen. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Cornelius Obonya wurde 1969 in Wien geboren. Als Schauspieler kennt man ihn unter anderem vom Burgtheater und – seit Sommer 2013 – als „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen, aber auch aus Film und Fernsehen. Privat setzt sich Obonya für die Bürgerinitiativen „Verwaltungsreform jetzt“ und „Politreform jetzt“ ein (siehe Parlamentshomepage: www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00059).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.