David Schalko: „Moral ist etwas für den Mittelstand“

David Schalko
David Schalko(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Regisseur David Schalko erzählt, warum er sein Wirtschaftsstudium abgebrochen hat und philosophiert über die Langeweile der Reichen.

Die Presse: Sie sind ja nicht nur erfolgreicher Autor und Regisseur, sondern haben auch fünf Jahre Wirtschaft studiert. Da verstehen Sie ja etwas von Geld.

David Schalko: Das ist lang her.

Ist da nichts hängen geblieben?

Wenig. Ich habe Wirtschaft nicht aus Interesse studiert, sondern, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun soll und Wirtschaft das leichteste Studium unter den klassischen Studien war. Leichter als Jus oder Medizin...

Die Geschichte, dass Sie das Studium Ihrem Vater zuliebe gemacht haben, der Banker war, stimmt nicht?

Zuliebe ist übertrieben. Es hat sich durch die Familiengeschichte angeboten. Ich hatte einen halbherzigen Versuch am Reinhardt-Seminar hinter mir. Zum Glück ist es nichts geworden. So ist der Menschheit ein mittelmäßiger Schauspieler mehr erspart geblieben. Ich habe mit 19 sogar in einer Bank in London gearbeitet. Das Studium hat mir dann Zeit zum Schreiben gegeben, ohne dass ich den Druck hatte, Geld zu verdienen. Wobei ich sehr schnell als Regisseur zu arbeiten begonnen habe: mit 22. Da habe ich aufgehört zu studieren.

Konnten Sie gleich davon leben?

Robert Palfrader und ich haben Glück gehabt: Wien1, das war ein Lokalsender, Vorläufer von ATV. Es gab ja damals nur Leute vom ORF, die Fernsehen machen konnten. Also hat Wien1 Leute beschäftigt, die vom Fernsehen keine Ahnung hatten. Ich hatte noch nie eine Kamera gesehen. Das war wie ein bezahltes Studium. Nach zwei Jahren wurde die Sendung eingestellt.

Dann haben Sie für den ORF produziert?

Das war die „Sendung ohne Namen“, da waren aber fünf Jahre dazwischen.

Was haben Sie in den fünf Jahren gemacht?

Da habe ich mehr oder weniger von der Hand in den Mund gelebt, hatte Gelegenheitsjobs, was man eben mit einem Wirtschaftsstudium so machen kann. Sexkolumnen schreiben zum Beispiel.

In Ihrem jüngsten Projekt, „Altes Geld“, geht es auch um Geld. Ein alter Familienpatriarch hätte gern eine Leber...

Es heißt „Altes Geld“, ist aber kein aristokratisches Geld, sondern Geld aus der Nazi-Zeit. Es geht auch darum, dass hinter großen Vermögen ein Verbrechen steckt.

Glauben Sie das wirklich?

Die Frage ist: Was ist ein Verbrechen? Ich glaube nicht, dass hinter jedem großen Vermögen ein Mord steckt. Aber zumindest die Möglichkeit, seine Finger irgendwo drinzuhaben, wo jemand anderer nicht die Finger drinhaben kann. Ohne exklusive Netzwerke würde es keine großen Vermögen geben.

Glauben Sie, dass das bei Bill Gates der Fall war?

Natürlich gibt es auch Vermögen, die aus technischen Revolutionen entstanden sind. Aber das sind vielleicht zehn Prozent unter den reichsten Menschen, die etwas erfunden haben, andere sind in einem vorhandenen Bereich unterwegs: Immobilien oder andere Dinge, die begrenzt sind. Und es gibt einen Grund, warum jemand Zugang zu etwas Begrenztem hat und jemand anderer nicht.

Und das wollen Sie aufzeigen?

Da weiß eh jeder. Ich glaube aber, dass wir in Österreich eine besondere Situation haben. Ich habe das Gefühl, dass Österreich korrupter als vor 30 Jahren ist. Korruption ist salonfähiger geworden, es gibt weniger Kontrollinstanzen, es gibt ein parteienübergreifendes Netzwerk. Das ist auch Thema der Serie.

Sind reiche Leute eigentlich interessantere Figuren?

Das Interessante an reichen Menschen ist, dass sie Zeit haben, um sich mit anderen Dingen als damit, wie sie ihre Miete zahlen, zu beschäftigen. Da ist man schnell im Königsdrama. Wenn man alles machen kann, macht man auch oft alles. Moral ist etwas für den Mittelstand. Man kennt das auch aus Tschechow-Stücken, wie die Langeweile mit Problemen befüllt wird. Da geht es um das Existenzielle: Was ist der Mensch, wenn er seine Zeit nicht mit Arbeit okkupiert? Was bleibt dann über?

Ein Luxus, der den meisten erspart bleibt...

Ja, das ist schön formuliert.

Wie stehen Sie eigentlich zum Thema Erben?

Das kommt darauf an. Der typische Erbe aus dem 19. Bezirk, der sein Leben versemmelt – das fällt unter Befriedigung der niedrigen Instinkte. Aber in einer Zeit, in der sich viele mit Arbeit keine Eigentumswohnung leisten können, da wird das Erben existenziell für den Mittelstand. Da geht es ja meistens um 200.000 oder 300.000 Euro. Deswegen bin ich auch gegen die Erbschaftssteuer, weil das System Erben den Mittelstand erhält.

In dem Projekt „Altes Geld“ geht es viel um Gier. Gibt es irgendetwas, worauf Sie gierig sind?

Alle Menschen sind irgendwie gierig. Ich frage mich immer, ab wann das Wollen eine Antriebsfeder ist und ab wann es sich so stark pervertiert, dass es den umgekehrten Effekt hat. Jetzt hat man das Gefühl, dass die Gier schon so weit pervertiert ist, dass sie gar kein Ziel mehr hat, außer dass sie mehr will.

Diese Grenze, bei der das Wollen krankhaft wird, gibt es aber nicht nur bei Geld, sondern auch bei Arbeit. Wie ist das bei Ihnen?

Wir sind bei allem gierig, auch emotional, wir wollen zehn Leben. Das ist auch bei mir so. Da muss eine Veränderung von innen stattfinden. Wenn jemand sagt: „Du darfst nur bis daher, mehr ist schlecht“, dann wird das nichts nützen. Das Faktische, zum Beispiel wenn man einfach nicht mehr Geld zum Ausgeben hat, hilft da mehr.

Horten Sie kein Geld?

Ich würde wahnsinnig gern Geld horten, aber ich habe zu wenig.

Verdienen Sie als Regisseur nicht gut?

Ich glaube, Sie überschätzen das.

Bekommen Sie pro Folge oder pro Projekt bezahlt?

Wenn ich einen Buchauftrag bekomme, pro Buch. Wenn ich Regie mache, pro Folge. Das ist für alle Regisseure gleich. Es ist aber im Vergleich zu englischen Produktionen wenig.

Wie viel Pause können Sie sich zwischen Ihren Projekten leisten?

Wenig, weil meine Produktionsfirma davon abhängt, ob ich drehe oder nicht.

Fürchten Sie Konkurrenz?

Ich hoffe, dass viele junge Leute nachkommen, damit das Fernsehen auf der Höhe der Zeit bleibt. Denn das Fernsehen wird sich in den nächsten Jahren stark verändern. Den ORF in dieser Form wird es auch nicht immer geben.

Werden Sie dann etwas anderes machen?

Ich schreibe Bücher, Theater, Kinofilme. Ich hoffe schon, dass ich meinen Beruf noch länger ausüben darf. Aber der Zug in Richtung Ausland wird immer stärker. Bei dem Beruf weiß man nie, was in zwei Jahren ist. Es kann auch sein, dass ich in zwei Jahren beim Billa an der Kassa sitze.

Welche Ihrer Tätigkeiten ist Ihnen die liebste?

Die Abwechslung. Mit so einer Serie ist man zwei bis drei Jahre durchgehend beschäftigt und hat dann überhaupt kein soziales Leben mehr. Da sind mir dann kleinere Projekte lieber.

Und womit verdient man am meisten?

Mit Serien.

Auch vom Stundenlohn her?

Eher wegen der Stundenanzahl.

ZUR PERSON

David Schalko (*1973) ist ein österreichischer Autor, Regisseur und Konzeptionist von TV-Serien. So zeichnet er sich für die „Sendung ohne Namen“, „Kupetzky“ oder „Braunschlag“ verantwortlich. Auch die Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ wird von ihm konzipiert. Noch heuer soll der Achtteiler „Altes Geld“ ausgestrahlt werden. Schalko ist auch Ko-Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten Produktionsfirma Superfilm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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