Spitzenkoch Gradwohl: "Wien ist günstig und wahnsinnig gut"

Joachim Gradwohl
Joachim GradwohlDie Presse
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Joachim Gradwohl erklärt, warum man als Koch gern reisen sollte, spricht über das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis beim Essen und legt dar, unter welchen Umständen ein Kaiserschmarren um 15 Euro teuer wäre.

Die Presse: Wie viele Spitzenköche bieten auch Sie Leuten an, mit Ihnen gemeinsam zu kochen. Wer bedient sich dieses Services? Gut situierte Leute oder der Otto Normalverbraucher?

Joachim Gradwohl: Naja, der Otto Normalverbraucher ist es nicht. Viele meiner jetzigen Gäste sind frühere Stammgäste von Meinl am Graben, wo ich früher gekocht habe. Das Ganze ist zufällig entstanden. Im Vorjahr hätte ich mit meiner Freundin in der Steiermark ein Projekt umsetzen sollen, aus dem nichts geworden ist. Dann haben wir uns gedacht: „Da wir schon selbstständig sind, machen wir halt weiter, bis wir etwas anderes finden.“ So hat sich das ergeben. Und es funktioniert immer besser. Wir sind ganz gut gebucht.

Was kostet das, wenn Sie mich zu Hause bekochen?

Das kommt darauf an. Es ist auch nicht teurer, als gemeinsam essen zu gehen. Man kann sich ja selbst aussuchen, wie viel man für einen Restaurantbesuch ausgeben möchte. Man muss nicht unbedingt den teuersten Wein trinken und auch nicht zehn Gänge bestellen.

Warum zahlen die Leute dafür, gemeinsam mit einem Spitzenkoch zu kochen?

Es gibt irrsinnig viele Hobbyköche. Letztens hatte ich eine Kochgruppe von 16 Leuten, die einfach mit mir kochen wollten. Wir waren in der Früh einkaufen und haben bis Mitternacht durchgekocht. Gott sei Dank ist das so trendig, dass Leute, bevor sie irgendwo hinfahren, für so etwas Geld ausgeben.

Findet hier ein Umdenken statt?

Ich glaube, dass die Bewusstseinsbildung beim Essen sehr hoch ist. Jeder will wissen, was er isst und woher das Essen kommt.

Ist das vor allem in Österreich so?

Es ist momentan einfach die Zeit dazu. Eigentlich hat Jamie Oliver damit angefangen, die jungen Leute für das Kochen zu begeistern, selbst einkaufen zu gehen und sich damit auseinanderzusetzen.

Sind die Leute bereit, für gutes Essen Geld auszugeben?

Das ist immer so eine Sache. Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss passen. Wenn ich auf der Skihütte für einen guten Kaiserschmarren 15 Euro zahle, dann ist er mir das auch wert, wenn er wirklich gut ist und das Service passt. Aber wenn ich für einen schlechten Kaiserschmarren 15 Euro zahlen muss, dann passt es halt nicht. Das ist in der gehobenen Küche das Gleiche. Wenn ich 200 bis 300 Euro ausgebe, muss es das auch wert sein.

Als Koch hat man wohl immer ein kritisches Auge. Können Sie das auch ausblenden?

Man kann das schon ausblenden, weil man ja auch genießen will. Es gibt natürlich auch Kollegen, die sich krampfhaft immer etwas anschauen müssen, aber ich möchte das nicht. Der große Vorteil als Koch ist, dass einen die Kollegen meistens kennen und man daher entsprechend verwöhnt wird.

In Österreich sind Essenspreise erschwinglich. Ist man woanders eher bereit, mehr auszugeben, in Frankreich etwa?

Ja, ich glaube schon. Man kann Wien mit Paris nicht vergleichen, allein, was die Einwohnerzahl betrifft. Wien ist sehr günstig und dafür wahnsinnig gut. International braucht man sich nicht verstecken.

Heißt das, in Frankreich ist die Schmerzgrenze einfach höher?

In der gehobenen Gastronomie schon. In der breiten Masse glaube ich nicht. Aber wenn man dort ins Drei-Sterne-Segment geht, dann ist das fast doppelt so teuer wie bei uns. Obwohl es nicht unbedingt mehr Leistung ist. Personalkosten und Mietpreise spielen bei den Preisen natürlich auch eine Rolle.

Gibt es einen großen Wettbewerb unter den Starköchen?

Unter dem Strich ist es irgendwann nicht mehr wichtig. Ich war halt in Frankreich, Italien nur in den besten Häusern, weil es mich fasziniert hat. Es geht nicht darum, dass man besser ist als der andere, sondern dass ich ich bin. Man muss seinen eigenen Charakter haben, dann kommen die Gäste.

Sie haben bei Eckart Witzigmann, dem Koch des Jahrhunderts, gelernt. Wie haben Sie das geschafft?

Als ich in Salzburg gearbeitet habe, habe ich meinen damaligen Chef gefragt, ob er mir helfen kann, zu Alfons Schuhbeck zu gehen. Als ich bei Schuhbeck war, habe ich gefragt, ob ich bei Witzigmann kochen kann. So hat sich das entwickelt.

Hat die Bezahlung auch eine Rolle gespielt, oder ist sie da egal?

In der Kategorie Witzigmann hat man vielleicht 1000 Mark bekommen. Da geht es darum, dass man das miterleben darf. Nicht darum, dort in Pension zu gehen. Man geht auf seine Wanderjahre. Wenn man es für das Geld macht, funktioniert es auch nicht.

Und die vielen Auslandsaufenthalte haben Sie nicht gestört?

Nein, ich wollte reisen, die Welt sehen. Und das funktioniert in der Gastronomie natürlich sehr gut.

Woher weiß man, dass man ausgelernt ist?

Irgendwann kommt der Punkt, wo man eigene Ideen umsetzt. Manche machen das bis 22, 23. Ich war bis 28, 29 im Ausland unterwegs.

Was gefällt Ihnen besser: Ihre Selbstständigkeit oder wäre es Ihnen lieber, wieder in einem Restaurant zu kochen?

Ich genieße die Selbstständigkeit schon sehr. Wenn man wirklich toll kochen will, wie wir das etwa beim Meinl gemacht haben, da gehört das ganze Fundament dazu. Nur kochen ist oft zu wenig. Man braucht das Wirtschaftliche, dann muss das Service passen. Aber bevor ich irgendetwas koche, bin ich lieber selbstständig und kann die Leute trotzdem verwöhnen.

Vor einigen Jahren hätte in Wien die Hotelkette Shangri-La ein eigenes Haus eröffnet, Sie sollten Küchenchef sein. Das Ganze ist geplatzt. Wie sehen Sie das heute?

Klar war es ein Schock. Ich war ein Jahr dabei, davon drei Monate in China. Ich habe es irrsinnig genossen und spannend gefunden, einmal in einem Konzern solche Strukturen zu erleben. Sonst war ich immer nur in kleineren Restaurants. Damals hat man versucht, seine engeren Mitarbeiter weiterzuvermitteln, und musste dann halt weiterschauen. Ich sehe das nicht so tragisch.

Verdient man eigentlich pro Lokalwechsel immer mehr?

Es gibt immer Leute, die sich mehr vom Geld steuern lassen und dorthin gehen, wo sie am meisten bezahlt bekommen. Ich habe es nie für Geld gemacht.

Tragen Sie sich mit Gedanken, irgendwann ein eigenes Restaurant zu eröffnen?

Das ist der Grundgedanke, aber wann das sein wird, weiß ich nicht. Ich suche etwas Kleines, Überschaubares. Aber es war noch nichts dabei, bei dem ich gesagt hätte: Das ist es.

Essen Sie eigentlich Fertiggerichte?

Nein, eigentlich nicht.

Zeitmangel kennen Sie nicht?

Diese Zeit muss man sich nehmen. Wenn es wirklich einmal etwas Einfaches ist, dann gibt's halt Erbsenreis oder so. Oder Ofengemüse und Fetakäse drauf– damit bin ich glücklich.

Haben Sie schon als Kind gern gekocht?

Ja. Mein Großvater hatte ein Gasthaus auf dem Land. Alles andere hat sich Schritt für Schritt ergeben.

Für Ihre Eltern war es kein Problem, dass Sie Koch werden wollten?

Wenn es nach meiner Mama gehen würde, dann würde ich noch immer dort kochen, wo ich gelernt habe. Das ist eh klar.

ZUR PERSON

Joachim Gradwohl (*1969) begann seine kulinarische Laufbahn im niederösterreichischen Kirchschlag in der Buckligen Welt. Seine Kochausbildung führte ihn zu internationalen Spitzenköchen wie Alfons Schuhbeck und Eckart Witzigmann. Anschließend machte er unter anderem Station in den Häusern Steirereck, Drei Husaren, Meinl am Graben und Fabios. Der Spitzenkoch ist seit 2013 selbstständig. Gradwohl ist auch Autor zahlreicher Kochbücher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)

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