Susanne Riess: „In der Wirtschaft geht es rationaler zu“

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Susanne Riess war einst Vizekanzlerin, heute ist sie Chefin der Wüstenrot Bausparkasse. Mit der „Presse“ sprach sie über ihren Umstieg in ein „normales“ Leben und warum ihr Vater keine „Rechtsverdreher“ in der Familie haben wollte.

Die Presse: Haben Sie eigentlich einen Bausparvertrag?

Susanne Riess: Ja, natürlich. Ich hatte auch schon einen, bevor ich bei Wüstenrot war. Ich habe immer schon konservativ veranlagt und gehe keine Abenteuer in Finanzdingen ein.

Was ist am Bausparen so toll, wenn die Zinsen im Keller sind und die Prämie auch?

Es ist einfach ein Produkt, das den Leuten Beständigkeit und Sicherheit gibt, vor allem nach den Erfahrungen der Finanzkrise 2008. Die innovativen Finanzprodukte der vergangenen Jahre haben häufig große Katastrophen für Anleger und Institute produziert. Oft war die Gier größer als der Verstand. Der Hausverstand hätte die Leute da vor vielem bewahren können.

Die Aktienquote ist in Österreich nicht übertrieben hoch. Sollte man nicht eher diese Anlageform fördern als das Bausparen, das eh jeder hat?

Das ist ein Mentalitätsproblem. Bei uns erwartet man, dass der Staat sich um die Vorsorge für Alter, Krankheit und Wechselfälle des Lebens kümmert. Das hat dazu geführt, dass die Leute ein relativ gering entwickeltes Bewusstsein in Sachen Eigenvorsorge haben. Es gibt Nachholbedarf in Sachen Veranlagung, aber die Leute sollten etwas machen, was sie verstehen.

Und dafür sichere reale Verluste in Kauf nehmen?

Das ist eine Ausnahmesituation. Im Regelfall gewinnt man mit konservativem Sparen auf längere Sicht mehr als mit fantasievollen kurzfristigen Produkten. Ich besitze keine Aktien. Ich investiere in mein 400 Jahre altes Bauernhaus.

Lehnen Sie Aktien generell ab?

Aktien hätte ich, wenn ich Zeit hätte, mich damit zu beschäftigen. So viel Vertrauen in einen Fremden habe ich nicht, dass ich sage: „Da hast du mein Geld, mach damit, was du willst.“

Wie sind Sie von der Politik zu Wüstenrot gekommen?

Mein Vorgänger, Wolfgang Radlegger, den ich nicht persönlich kannte, hat sich einen Termin bei mir geben lassen. Ich wusste nicht, worum es gehen sollte. Dann hat er mich gefragt, ob ich nicht seinen Job machen möchte.

Haben Sie lang überlegt?

Schon eine Zeit lang. Nicht, weil mir das Angebot suspekt war, sondern weil es eine Zäsur in meinem Leben war. Ich habe gedacht, das muss der richtige Schritt sein. Ich wollte auch raus aus der ständigen medialen Beobachtung. Am Anfang hat keiner geglaubt, dass ich lang bei Wüstenrot bleibe. Jetzt bin ich zwölf Jahre hier.

Hat das mediale Interesse nicht auch seinen Reiz?

Finde ich nicht. Wenn ich an einem Mikrofon vorbeigehen kann, tue ich es.

Ist der Umstieg von der Spitzenpolitikerin in ein „normales“ Leben schwer?

Das überlebt man unbeschadet nur dann, wenn man sich bewusst ist, dass das kein Lebensjob ist. Die Anerkennung, die man erfährt, gilt zu einem großen Teil dem Amt und der Funktion. Und das ist dann wieder weg. Dafür gewinnt man ein großes Maß an persönlicher Freiheit zurück.

In der Politik hat man aber mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Theoretisch ja, praktisch hängt es von der Regierungskonstellation, der Partei, den externen Umständen ab. In der Wirtschaft kann man global nicht so viel bewegen, aber unmittelbarer. Man muss nicht so viele Kompromisse schließen, trägt aber mehr Verantwortung. Ein Minus kann man am Ende des Jahres nicht schönreden, in der Politik gibt es viele Erklärungen. Beides ist spannend, in der Wirtschaft geht es aber jedenfalls rationaler zu. In der Politik habe ich dafür wichtige Dinge gelernt.

Zum Beispiel?

Eiserne Nerven zu haben, wenn es dick kommt. Flexibel zu sein, wenn man merkt, dass etwas der falsche Weg ist. Ich habe die Leute im Unternehmen am Anfang nervös gemacht, weil für mich alles schnell gehen musste. Die haben gefragt: „Bis wann brauchen Sie das?“, und ich habe die Frage gar nicht verstanden. In der Politik braucht man immer alles gleich.

Hat man Sie kritisch beäugt? Sie waren ja nicht unbekannt . . .

Es war eine Mischung aus Schrecken, Neugier und bei manchen auch Freude. Natürlich haben manche gesagt: „Die haben wir wirklich nicht gebraucht.“ Das waren auch die, die mir erklärt haben: „Sie werden das nicht wissen, aber wir machen das seit 30 Jahren so.“ Eine Frau in einer Führungsposition, noch dazu eine von außen, war damals ungewohnt. Und Politiker haben auch kein gutes Image.

Einige Ihrer ehemaligen Regierungskollegen waren in Skandale verwickelt.

Das sind alles Dinge, die müssen Gerichte klären. Darüber erlaube ich mir kein Urteil. Ich habe zu verantworten, was ich getan und entschieden habe, und damit kann ich gut leben. Ich habe auch in der Politik nach Grundsätzen gelebt, damit ich in der Früh in den Spiegel schauen kann.

Wollten Sie schon mit 18 Jahren in die Politik?

Ich wollte nie in die Politik. Ich wusste damals nicht, was ich machen will. Mein Vater war ausgebildeter Opernsänger und hätte gern gehabt, dass ich etwas Künstlerisches mache. Das war aber mangels Talent zum Scheitern verurteilt. Ich habe aus Verlegenheit Jus studiert. Das fand mein Vater furchtbar.

Warum?

„Ich will keine Rechtsverdreher in der Familie“, hat er gesagt. Aber mit Jus habe ich mir auch offengelassen, was ich später machen möchte. Es gibt einen Film mit Al Pacino, „. . . und Gerechtigkeit für alle“. Da spielt er einen Anwalt, der Unschuldige vor den Fängen der Justiz rettet. Das wollte ich auch machen. Dann war ich bei einem Strafverteidiger, habe ein ganzes Jahr lang keinen einzigen unschuldigen Mandanten gehabt und war etwas ernüchtert, was den Beruf betrifft. Darauf habe ich begonnen, für den österreichischen Skiverband zu arbeiten, und das eine führte zum anderen. Ich war beim Ring Freiheitlicher Studenten, später lief mir Norbert Gugerbauer über den Weg und hat gefragt, ob ich nicht für die FPÖ in der Presseabteilung arbeiten möchte. Ein Jahr Wien wäre cool, habe ich mir gedacht. Und aus dem einen Jahr sind 16 geworden.

Sie sind also in der Politik nur hängen geblieben?

Ja, absolut.

Dafür haben Sie es weit gebracht . . .

Ja, aber unabsichtlich. Ich habe mich nie für etwas beworben, sondern war immer die, die am meisten gearbeitet hat, und wenn es etwas Schwieriges gegeben hat, hat es geheißen: Das soll sie machen. Es ist alles ohne aktive Karriereplanung passiert. Wie oft bei Frauen. Während Männer, auch hier im Unternehmen, kommen und fragen, was ich mir für ihre Karriere überlegt habe, hat mich das eine Frau noch nie gefragt.

Warum ist das so?

Weil Frauen selbstkritischer sind. Männer trauen sich mehr zu. Ich selbst habe immer einen Anstoß gebraucht, auch weil ich immer hinterfragt habe, ob ich mir die jeweilige Aufgabe auch zutrauen kann. Männer fragen sich so etwas nicht.

Verspüren Sie nie den Drang, sich in die Politik einzumischen?

Mir geht es wie jedem Staatsbürger. Manchmal ärgere ich mich wahnsinnig. Ich widerstehe aber der Versuchung, das zu kommentieren. Obergescheite Ex-Politiker, die dauernd Ratschläge geben, sind mir selbst auch immer wahnsinnig auf die Nerven gegangen.

Zur Person

Susanne Riess (*1961) war Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport von 2000 bis 2003 unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Von 2000 bis 2002 war sie Bundesparteiobfrau der FPÖ. Nach einem schweren Konflikt mit Jörg Haider zog sie sich aus der Politik zurück. Seit 2004 ist die studierte Juristin Generaldirektorin der österreichischen Wüstenrot-Gruppe. Riess sitzt unter anderem im ÖIAG-Aufsichtsrat.

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