Bernhard Kohl: „Die Dopingmittel waren nicht günstig“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der ehemalige Radprofi Bernhard Kohl erzählt der „Presse“, warum er in diesem Leben kein Millionär mehr wird, alle Radfahrer mit dem gleichen Wasser kochen – und Sportler oft einen Tunnelblick haben.

Die Presse: Herr Kohl, Sie haben bei der Tour de France im Jahr 2008 den dritten Platz im Gesamtklassement erreicht. Dann wurde bekannt, dass Sie gedopt haben. Warum haben Sie das getan? Ging es um den Ruhm oder um das Preisgeld?

Bernhard Kohl: Für einen Sportler spielt Geld eine untergeordnete Rolle. Als ich begonnen habe, Rad zu fahren, war es mein Ziel, irgendwann an der Tour de France teilzunehmen. Dem ordnet man alles unter. Und umso besser man wird, desto mehr Geld kann man natürlich verdienen.


Wie viel verdienen Profifahrer?

Der Einstieg liegt bei 35.000 Euro brutto im Jahr, wenn man erfolgreicher wird, sind 200.000 Euro brutto möglich, wenn man zur absoluten Weltspitze zählt, kann man bis zu einer Million Euro brutto verdienen. Schwierig ist für Profisportler aber, dass es nur Zweijahresverträge gibt, somit muss man ständig Topleistungen erbringen, um sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen. Das erhöht den Druck auf die Sportler.


In welcher Einkommensklasse haben Sie sich bewegt?

Nachdem ich bei der Tour de France Dritter geworden bin, wären wir im Millionenbereich gewesen. Ich hätte mehr als eine Million verdient. Den Vertrag habe ich noch zu Hause, das Geld habe ich nie bekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich knapp 150.000 Euro brutto verdient. Das war auch notwendig, um den Sport auf dem hohen Level betreiben zu können. Das Geld ist in Trainingslager, Trainer und leider auch in Dopingmittel geflossen.

Das heißt, weniger verdienen ist nur schwer möglich?

Ja, sonst kann man das alles auf dem Level nicht finanzieren. Was ich verdient habe, habe ich 1:1 in den Sport gesteckt. Und ja, die Dopingmittel waren auch nicht günstig. Das hätte ich mir sparen können, das wäre gescheiter gewesen.


Was kostet Doping?

Unterschiedlich. Ich habe ja die Geräte für Eigenblutdoping gekauft. Das waren 50.000 bis 60.000 Euro im Jahr, die nur in das System geflossen sind.


Das ist ja nicht wenig Geld. Tut Ihnen das heute nicht leid?

Damals war das einfach Teil des Spiels. Es ist mir so vorgelebt worden, und ich habe halt mitgemacht. Es war klar, dass ich das Geld, das ich verdient habe, wieder investieren muss. Nach jetzigem Wissensstand hätte ich es lieber gespart.


Ihre Erfolge wurde Ihnen aberkannt. Mussten Sie Preisgelder zurückzahlen?

Die Preisgelder der Tour de France werden erst ein Jahr später ausbezahlt. Ich musste also nichts zurückbezahlen. Abgesehen davon hätte ich das Preisgeld im Team aufteilen müssen. Das ist so üblich.


Sie vertreten die Meinung, dass Radsport auf Weltklasseebene zu Ihrer Zeit nicht ohne Doping möglich war. Was hätte sich an den Resultaten geändert, wenn keiner gedopt hätte?

Prinzipiell gilt, wer nicht überführt wird, ist unschuldig. Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ziemlich alle mit dem gleichen Wasser gekocht haben. Somit wären die Ergebnisse wahrscheinlich relativ gleich gewesen.


Sie haben früh angefangen zu dopen. Hatten Sie nie Angst vor gesundheitlichen Folgen?

Man verdrängt das. Sportler haben einen Tunnelblick. Negative Energie hat in einem erfolgreichen Menschen keinen Platz. Wenn man diese Gabe nicht hat, wird man im Sport nicht erfolgreich sein können. Bis jetzt merke ich keine gesundheitlichen Folgen, wie es in 20 Jahren aussieht, kann mir aber keiner sagen.


Sie hätten nach dem Dopinggeständnis eine zweijährige Sperre abwarten können, haben sich aber für das Karriereende entschieden. Warum?

Ich wollte nicht mehr lügen! Nach einem Dopingfall kann man wieder zurückkommen. Wenn ich nach zwei Jahren zurückgekommen wäre, hätte ich aber das Gleiche wieder gemacht. Ich bin dann Gott sei Dank in externe Hände geraten, denen ich meine Geschichte einmal erzählen konnte. Der Weg, den ich gegangen bin, war mit Sicherheit der bessere, auch wenn er damals sehr schwer war.


In der Zeit danach haben Sie von Ihren Ersparnissen gelebt. Wie mühsam war das?

Ich bin ein Mensch, der sich da wenig Sorgen macht. Ich dachte, es wird sich schon irgendwie ausgehen. Und es hat sich mit dem Geschäft hier so ergeben, dass ich dann wieder Geld verdient habe.


Wie lang haben Sie gebraucht, um zu wissen, wie ein Leben nach dem Radsport aussieht?

Das Geschäft habe ich 2010 eröffnet. Die Entscheidung wird so im März, April 2009 gefallen sein. Ich wollte irgendwas mit Radfahren machen. Dann ist die Idee vom Geschäft entstanden.


Wie reagierte die Umwelt?

Unterschiedlich. Viele haben gesagt, dass es uns nicht lang geben wird, weil ich wenig Ahnung als Unternehmer habe. Nach dem Motto: Er kennt sich zwar mit Radln aus, aber mit dem Geschäft nicht. Denen wollte ich es zeigen. Natürlich war es ein Sprung ins Ungewisse, auch wenn die Berater gemeint haben, es könnte funktionieren. Aber wissen tut man es nicht.


Wann haben Sie das erste Rad verkauft?

Gleich am Eröffnungstag waren es sicher 30, 40 Räder.


Sie stehen jeden Tag im Geschäft. Wollen alle Kunden mit Ihnen reden oder akzeptieren sie auch Ihre Mitarbeiter?

Natürlich bin ich der Magnet in meinem Geschäft, aber bei unserer Größe kann ich leider nicht jeden Kunden persönlich beraten. Mittlerweile habe ich 30 Angestellte.


Haben Sie erwartet, dass das Geschäft so erfolgreich sein kann?

Der Businessplan war auf eine Fläche von 1000 Quadratmetern und sieben Leute ausgelegt. Die Banken waren zunächst skeptisch. Von 15 Anfragen haben wir eine Zusage erhalten. Dass wir nach drei Jahren schon erweitern, hätte sich keiner gedacht.


Hier gibt es Räder um 15.000 Euro. Wer sind die Käufer?

Nur vom Verkauf der teuren Räder könnten wir nicht leben. Für Kunden, die sich das leisten können, ist es aber wahrscheinlich weniger Geld als für jemanden, der 1000 Euro für ein Rad ausgibt und sich das hart ersparen muss. Das hat fast mehr Hochachtung verdient.


Verdienen Sie heute mehr oder weniger als früher?

Man kann das schwer miteinander vergleichen. Als Angestellter, wie ich es als Radprofi war, verdient man das, was man verdient. Als Selbstständiger baut man sich etwas auf. Im Monat bleibt mit jetzt weniger übrig als früher. Ich kann meine Kosten decken. Aber eine Million werde ich nie mehr verdienen, das ist nicht mehr schaffbar. Als Profisportler hat man zudem den besseren Sportlersteuersatz. Das ist in der Wirtschaft anders. Diesen Einblick habe ich erst jetzt.


Welches Leben macht Ihnen mehr Spaß: das des Unternehmers oder das des Radprofis?

Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die ich beide nicht missen will. Als Radprofi lebt man in einer ganz anderen Welt, einer anderen Komfortzone. Ich war sieben Stunden am Tag trainieren, man fährt 100 Rennen im Jahr, aber man hat doch relativ viel Freizeit. Und Radfahren war Freizeit für mich. Das war kein Beruf oder Stress. Klar macht es mir im Geschäft auch Spaß, aber es ist zeitintensiver. Wir haben 58 Stunden die Woche offen. Dafür bin ich heute nicht mehr so viel von zu Hause weg und habe jeden Tag etwas von meiner Frau und unseren beiden Kindern.

Zur Person

Bernhard Kohl (*1982) ist ein ehemaliger österreichischer Radprofi, der im Jahr 2008 den dritten Platz bei der Tour de France errang. Damals wurde er des Dopings überführt, was die Aberkennung seines Sieges zur Folge hatte. 2009 beendete Kohl seine Karriere. Das Abwarten einer zweijährigen Sperre war für ihn keine Option. Stattdessen entschied sich Kohl, ein Fahrradfachgeschäft zu eröffnen, das er schon bald weiter ausbauen konnte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.