Marie Kreutzer: „Ich kaufe nur teure Sachen“

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Regisseurin Marie Kreutzer sprach im Interview mit der „Presse“ über ihren Optimierungswahn, Bobo-Eltern und erklärt, warum sie schon lang keinen Fehlkauf mehr gemacht hat.

Die Presse: Ihr neuer Kinofilm, „Gruber geht“, läuft derzeit im Kino. Wissen Sie, wie viele Menschen ihn bisher gesehen haben?

Marie Kreutzer: Um die 34.000. Er ist von den österreichischen Kinofilmen, die heuer angelaufen sind, auf Platz vier der meistgesehenen Filme. Für mich ist vor allem schön, dass er immer noch läuft, seit Jänner, das ist schon sehr lang für einen österreichischen Film.

Bleibt bei so einem Film ein Gewinn übrig?

Nein. Nur die allerwenigsten österreichischen Filme spielen ihre Kosten wieder ein.


Das heißt, ohne Förderungen gäbe es keine österreichische Filmindustrie?

Nein. Und wenn ein Film einmal Gewinn macht, müssen die Produzenten als Erstes etwas von den Förderungen zurückzahlen. Bis man selbst reich wird mit einem österreichischen Film, muss ziemlich viel passieren.


Kann man als Filmschaffender in Österreich ein materiell gutes Leben führen?

Nur von Kinofilmen gut zu leben, das schafft kaum jemand. Die meisten machen zusätzlich Fernsehen, Werbung oder unterrichten. Wenn ich einen Film mache, schreibe ich das Drehbuch und führe Regie, also werde ich für zwei Funktionen bezahlt. Daher verdiene ich schon ziemlich gut. Aber es ist auch jahrelange Arbeit. Mein Honorar, so gut es auch klingt, würde ich nicht in Stunden umrechnen wollen. Wenn ein Dreh losgeht, bekomme ich dann auf einen Schlag richtig viel Geld. Es ist immer erschreckend, wenn das auf dem Konto liegt.


Wieso?

Erstens, weil ich nie weiß, wie viel nach Versicherung und Steuer übrig bleibt. Und zweitens, weil ich nie weiß, wie lang es halten muss.


Wenn die großen Honorare auf Ihrem Konto landen, machen Sie sich einen Plan?

Ja, ich rechne grob, was ich für Steuer und Versicherung weglegen muss, dann überlege ich, wie viel ich im Monat brauche für mein Leben, das überweise ich mir monatlich selbst.


Wie lang leben Sie von einem Honorar?

Das kommt auf den Film an. Derzeit läuft es extrem gut. Aber es kann sein, dass es danach mehrere Jahre dauert, bis ich wieder richtig gut verdiene.


Stresst Sie das?

Komischerweise nicht, weil es immer so war. Ich bin zwar der Typ, der sich viele Gedanken macht, aber um Geld habe ich mir nie Sorgen gemacht, auch nicht, als es vielleicht angebracht gewesen wäre. Ich bin aber auch sehr organisiert und ordentlich, wäre ich das nicht, würde es mich wahrscheinlich total stressen. Ich hatte auch noch nie Schulden.


Also würden Sie keinen Kredit aufnehmen, um zum Beispiel eine Wohnung zu kaufen?

Das würde ich schon, aber ich würde keinen bekommen. Als Selbstständige ohne fixes Einkommen kann man das vergessen.


Konnten Sie immer vom Film leben?

Ja, seit meinen Studienjahren habe ich nie etwas anderes gemacht als Film oder Fernsehen. Darauf bin ich auch stolz. Das war eine bewusste Entscheidung. Ich habe irgendwann gemerkt, wenn ich zu viel Fernsehen und andere Dinge mache, verzettle ich mich, und es wird nie etwas mit meinem ersten Kinofilm. Wenn man aus Geldnot etwas anderes machen muss, lenkt es einen irrsinnig ab. Eine Zeit lang hat mich mein damaliger Freund durchgefüttert und ein, zwei Jahre haben mich meine Eltern unterstützt, darum habe ich sie gebeten. Ich wusste, wenn ich mich jetzt nicht auf den ersten Kinofilm konzentriere, dann wird es nichts. Es war ein Glück, dass das möglich war.


Was machen Sie, wenn Sie gerade keinen Kinofilm drehen?

Ich unterrichte seit diesem Semester an der Filmakademie, dazu kommen einige Ehrenämter. Aber ich versuche, mich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Weil jeder Kinofilm verschlingt einen so. Ich bin derzeit noch mit meinem letzten Film beschäftigt und bereite gleichzeitig den nächsten vor. Eigentlich dürfte ich sonst gar nichts machen.


Worum geht es in Ihrem nächsten Film?

Es ist eine Komödie und heißt „Was hat uns bloß so ruiniert“. Er wird im Sommer gedreht. Es geht um sechs Bobo-Eltern in Wien und darum, wie sich ihr Leben mit Kindern verändert, wie sich das auf die Freundschaften auswirkt.

Ist „Bobo“ nett oder als Schimpfwort gemeint?

Das ist ambivalent. Ich bin ja auch Mutter in der Stadt, vieles im Drehbuch hat sicher auch mit mir zu tun. Ich würde sagen, Bobos sind die neue Mittelschicht: Leute, die einerseits viel in kreativen Berufen tätig sind und sich jung und lässig fühlen und andererseits etwas sehr Konservatives haben, weil sie auch Familie haben wollen und ihnen bestimmte materielle Werte wichtig sind. Und immer ist das gemischt mit einer manchmal Pseudo-Nachhaltigkeit und einem pseudo-sozialen Gewissen. Es geht also schon sehr um Konsum und den eigenen Lifestyle – aber man würde nie sehen, dass man spießig ist, obwohl man es eigentlich ist. Was mich besonders interessiert an der Geschichte, sind dieser Perfektionsanspruch und dieser Optimierungswahn vieler. Dass man alles haben und alles schaffen und so viel sein muss und an sich und die anderen irrsinnig hohe Ansprüche hat. Darin kann man total versumpfen. Irgendwann geht es nur noch darum.


Haben Sie diesen Optimierungswahn auch?

Auf jeden Fall.


Und wie drückt sich der aus?

Indem ich immer denke, ich habe alles: eine gute Beziehung, eine gute Beziehung zu meiner Tochter, Freundschaften, Familie, Beruf. Aber das muss man natürlich alles am Laufen halten. Ich will beruflich erfolgreich und trotzdem am Spielplatz gut aufgelegt sein und eine perfekt aufgeräumte Wohnung haben und so weiter. Und das geht sich halt alles nicht aus. Aber ich habe immer den Anspruch an mich. Durch das Drehbuch ist mir klar geworden, dass man eben nicht alles haben kann. Auch wenn ich noch nicht bereit bin, auf etwas zu verzichten. Aber ich versuche jetzt, mehr im Moment zu sein und nicht immer den ganzen Masterplan zu sehen und was alles perfekt sein muss.


Welche materiellen Werte sind Ihnen wichtig?

Ich bin eher ein Qualitäts- als ein Quantitätsmensch. Ich kaufe mir eigentlich nur noch teure Sachen, aber dafür nicht so viele. Und seit ich das mache, habe ich keinen Fehlkauf mehr gemacht. Weil wenn man sich richtig teure Schuhe kauft, überlegt man sich das wirklich gut. Für mich sind diese Dinge wertvoll, auch wenn sie nicht wichtig sind. Und ich passe auf sie auf. Ich fände es schön, wenn der Markt so funktionierte: dass alles teurer wäre und es dafür weniger Auswahl gäbe. Wenn man sich bewusster entscheiden müsste, was man kauft, anstatt mit zehn Sackerln nach Hause zu gehen.


Ist Ihnen Geld wichtig?

Das Ding Geld natürlich nicht, aber das, was es mit sich bringt, schon. Mein Vater hat einmal gesagt, ich will nicht reich sein, ich will mir nur über Geld keine Gedanken machen müssen. Was ja eigentlich das Gleiche ist. Es ist mir wahrscheinlich schon wichtig. Weil ich merke, dass andere Dinge möglich sind, seit ich besser verdiene. Geld bringt halt auch ganz viel Lebensqualität. Wenn ich sagen kann: „So, wir fahren mit der ganzen Familie über dass Wochenende in eine Therme“, dann ist das Luxus – aber es ist so schön für alle.

Zur Person

Marie Kreutzer (*1977) stammt aus Graz. Von 1997 bis 2005 studierte sie Buch und Dramaturgie an der Filmakademie Wien, an der sie auch unterrichtet. Ihr aktueller Film „Gruber geht“, mit Manuel Rubey in der Hauptrolle, läuft seit Ende Jänner dieses Jahres im Kino. Ihr erster Langspielfilm „Die Vaterlosen“, der die Geschichte einer Kommune erzählt, wurde im Jahr 2011 mit dem Diagonale-Preis für den besten Spielfilm ausgezeichnet.

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