Harald Lechner: "Als Fußballer wäre ich schon in Pension"

(c) GEPA pictures / Felix Roittner
  • Drucken

Harald Lechner ist Österreichs bester Fußballschiedsrichter. Im Interview verrät er, warum Schiedsrichter hierzulande mitunter mehr verdienen als manche Profispieler.

Die Presse: Als internationaler Schiedsrichter stehen Sie oft mit 22 Mann auf dem Rasen, die millionenschwer sind. Wie fühlt man sich, wenn man weiß: Ich verdiene hier am wenigsten?

Harald Lechner: Das ist kein Thema auf dem Platz. Erstens haben die eine andere Aufgabe als ich – und verdienen auch alle unterschiedlich viel. Zwischen Deutschland und Österreich liegen Welten. Und schließlich ist es auch nicht leicht, einer von elf Spielern bei Bayern München oder Rapid zu sein. Aber es kann durchaus auch sein, dass ein Schiedsrichter mehr als ein Spieler verdient.

In Österreich sind Schiedsrichter reine Amateure. Profi-Stars wie Pierluigi Collina aus Italien gibt es daher nicht. Ein Problem?

Ich könnte mich vielleicht besser auf ein Spiel vorbereiten. Aber so wie Profispieler Fehler machen, so würden auch Profischiedsrichter manche Situationen falsch einordnen. Die Frage ist: Wie lang kann ich als Schiedsrichter arbeiten? Mit 45 ist spätestens Schluss. Und was kommt dann? Wo steige ich im Berufsleben ein? Ich kann derzeit mein Hobby ideal mit meiner Arbeit im Fitnesscenter kombinieren und habe immer 40 Stunden gearbeitet. Ich würde für den Fußball nie meine Arbeit reduzieren.

Wie viel verdienen Sie denn in etwa pro Spiel?

In Österreich sind es 1050 Euro brutto pro Spiel – plus Fahrspesen. International ist es mehr.

Wenn man da ausreichend Spiele hat, braucht man ja gar keinen Zweitjob mehr.

Das geht sich leider nicht aus. Mehr als zwei Spiele gibt's in Österreich nicht im Monat.

Das bringt uns zur Urfrage: Wer will eigentlich Schiedsrichter sein? In der Schule waren das die, die nicht kicken konnten.

Bei mir war das anders, ich bin familiär vorbelastet. Mein Vater war auch Schiedsrichter, und ich stand mit zwölf schon an der Seitenlinie, habe mit 15 meine Prüfung abgelegt. Auf die Idee kommt ja sonst kein 15-Jähriger. Andererseits sollte man schon bis 20 anfangen, wenn man es als Schiedsrichter bis ganz oben bringen will, sonst geht sich der Marsch durch die unteren Ligen nicht aus. In Österreich dürfen zwölf bis 15 Schiedsrichter in der höchsten Klasse pfeifen. Auch hier wird der Druck größer, die Konkurrenz härter.

Fußball spielen wollten Sie nie?

Doch, natürlich. Ich habe auch gespielt. Aber irgendwann muss man sich entscheiden, heute bin ich froh. Wahrscheinlich wäre ich schon in der Fußballerpension. Als Schiedsrichter ist jetzt die schönste Zeit. Manchmal ist es aber auch hart: Man läuft zwölf bis 14 Kilometer und muss dann Entscheidungen in Sekundenbruchteilen treffen. Und es ist jedem egal, wie es dir körperlich geht. Oder haben Sie schon einen Schiedsrichter gesehen, der während des Spiels auf dem Boden liegt und sich massieren lässt? Der Spieler lässt sich natürlich massieren. Bei mir wird erwartet, dass ich einfach weitermache.

Sie haben in den untersten Ligen angefangen. Wie verändert sich der Einfluss von Geld auf den Fußball auf dem Weg nach oben?

Je höher man kommt, desto eher wird Fußball für Spieler zum guten Nebeneinkommen und irgendwann zu einem Job. In Österreich hat nur der Fußball diesen Stellenwert. Wenn man 15. beim Marathon wird, bringt das im Vergleich nichts. Das Geld kann im Kopf der Spieler schon etwas ausmachen, aber während der 90 Minuten auf dem Platz ändert sich nichts.

Es ist bekannt, dass gegen Saisonende in unteren Klassen gern Spiele verkauft werden. Erkennen Sie als Schiedsrichter, wenn eine Partie geschoben ist?

Das müsste schon sehr offensichtlich sein. Ich sehe gar nicht, ob das Spiel schön ist oder nicht. Mir ist das ganz egal, ob der ein Hackerl oder ein Ferserl macht.

Könnte man etwas dagegen tun?

Im Grunde nicht, außer es gibt Regelverstöße. Es gibt Monitoringsysteme, die Auffälligkeiten bei Wettquoten anzeigen, und jeder Verdacht muss gemeldet werden. Im Profibereich hatte ich in meiner aktiven Zeit nie das Gefühl, dass ein Spiel geschoben ist. Es laufen doch alle Spieler für ihr Geld.

Zuletzt wurden aber auch etliche Wettbetrügerringe im heimischen Profifußball aufgedeckt.

Da kann ich nicht widersprechen. Warum so etwas passiert oder wie man da reinkommt, weiß ich nicht.

Hat man je versucht, Sie zu bestechen?

Noch nie. Das müsste ich auch sofort dem ÖFB melden.

Je höher die Liga, desto präsenter ihre Financiers. In Österreich spielen in der Bundesliga Getränkefirmen gegen Pelletsofenhersteller. Geht da etwas verloren?

In Deutschland ist es anders. Dort ist ein Sponsor im Namen des Vereins nicht erlaubt. Der Fußball lebt von Menschen, die bereit sind, dafür Geld zu geben. Wir sitzen da alle in einem Boot. Man kann nur ein schönes Stadion haben, wenn das notwendige Geld da ist.

Sie haben wohl den undankbarsten Job in diesem Boot. Wenn alles glattgeht, lobt niemand den Schiedsrichter. Bei Fehlern sind Sie an allem schuld.

Schiedsrichter zu sein ist nicht jedermanns Sache. Ich werde nie Fans haben. Aber darum geht es auch nicht. Ich bin dafür da, dass alles nach den Regeln abläuft. Das heißt auch, dass ich unpopuläre Entscheidungen treffen muss. Und auch, dass ich Fehler mache.

Wie gehen Sie mit Fehlern um?

Dazu stehen. Aber im Spiel muss ich in einer Minute drei bis fünf Entscheidungen treffen. Da habe ich keine Zeit, allzu lang über meine Fehler nachzudenken.

Die Fans sehen das nicht immer so entspannt. Trauen Sie sich mit dem eigenen Auto zum Spiel?

Natürlich. Ich habe mich noch nie bedroht gefühlt. Schiedsrichter bezahlen auch keine höhere Versicherungsprämie. Es kommt natürlich vor, dass Unmut geäußert wird. Aber da wir mit Funk verbunden sind, höre ich auf einem Ohr sowieso gar nichts, und im Ausland versteht man kein Wort. Im Unterhaus kriegst du am meisten mit. Wenn du eine Partie von zwölfjährigen Burschen pfeifst und draußen sitzen 30 Mütter, hast du mitunter mehr Probleme als beim Wiener Derby vor 30.000 Zusehern.

Zur Person

Harald Lechner (*1982) ist seit 1998 als Schiedsrichter tätig. Vor vier Jahren erhielt er seine Lizenz als Fifa-Schiedsrichter. Im Vorjahr wurde er durch eine Jury aus den Präsidenten, Managern und Trainern aller Bundesligaklubs als bester Schiedsrichter der heimischen Fußballbundesliga ausgezeichnet.

Im "zivilen" Leben ist Lechner Marketingmanager beim Fitness-Unternehmen John Harris.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.