Wilhelm Rasinger: "Ich habe Sparbücher immer fad gefunden"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Anlegerschützer Wilhelm Rasinger spricht über Kapitalmarktfeindlichkeit, falsche Erwartungen von Aktionären und Besitzerstolz und erzählt, warum er sich von Aktien nur ungern trennt.

Die Presse: In der Nähe Ihres Büros ist ja auch die Klimt-Villa?

Wilhelm Rasinger: Ja, das ist meine neue Leidenschaft. Vor einem Jahr habe ich dort das Management übernommen. Als ich meiner Familie gesagt habe, dass ich mir das ernsthaft überlege, haben sie gefragt: „Warum tust du dir das an?“ Ich habe gesagt: „Das wird mich nichts kosten. Es geht alles zulasten des Erbes.“(lacht) Inzwischen engagieren sie sich auch sehr, ein Sohn hilft mir. Eine Kultureinrichtung zu managen, ist spannend.

Was machen Sie dort genau?

Ich habe die wirtschaftliche Verantwortung, habe Verpflichtungen, die Villa der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich trage alle Kosten, aber alles, was ich einnehme, gehört mir. Solche Kultureinrichtungen rechnen sich nicht. Die paar Leute, die sich dort hinverirren, sind nicht relevant. Ich habe aber die Möglichkeit, das als Event-Location zu vermarkten.

Beim IVA (Interessenverband für Anleger) ist Ihnen langweilig?

Das würde ich nicht sagen. Aber das war nie ein Fulltime-Job. Ich habe auch nie Geld bezogen. Es gibt aber eine Umwegrentabilität, weil ich angesprochen wurde, in Aufsichtsräte zu kommen– bei Erste Bank, Wienerberger oder S-Immo.

Wann haben Sie Ihre ersten Aktien gekauft?

Während des Studiums mit 20. Ich habe das Sparbuch schon damals fad gefunden. Ich bin zu Hauptversammlungen gegangen, habe mich aber früh entschlossen, das nicht zum Hauptberuf zu machen.

Warum nicht?

Was man so gern macht, sollte nicht zum Beruf werden. Ich hatte Lehraufträge, bin zu Vorträgen eingeladen worden, war als Unternehmensberater tätig und habe mich auch mit Liegenschaften beschäftigt. Wenn man nur auf eine Sache fixiert ist, ist man so abhängig.

Hatten Aktien in Österreich damals auch schon einen so schlechten Ruf?

Historisch betrachtet hat sich nie eine Kapitalmarktkultur entwickelt. Das hängt auch damit zusammen, dass eine politische Kraft Berührungsängste mit dem Kapitalmarkt hat. Es gibt dieses Klassendenken: Wer Aktien hat, muss reich sein, muss ein Kapitalist sein. Dabei gibt es in keinem Wirtschaftsbereich eine so ausgeprägte Demokratie wie die Aktionärsdemokratie.

Künftig werden Aktiengewinne und Dividenden mit 27,5 Prozent besteuert, Sparbuchzinsen nur mit 25 Prozent.

Ich halte es für schizophren, dass man einerseits das Signal an die Öffentlichkeit sendet: „Aktionäre verdienen so viel, die können wir ruhig höher besteuern.“ Auf der anderen Seite sagt man: „Nur keine Aktien angreifen, das ist Teufelszeug!“ Wir sind ein reiches Land, aber uns gehört nichts. Wir haben nie einen sinnvollen Bezug zu Eigentum entwickelt. Da geht es nicht um arbeitsloses Einkommen, sondern um Verantwortung. Bei uns gibt man den Sparern zu verstehen: „Ihr spart, der Staat passt auf alles auf, und wenn jemand selbst Risiko tragen will, dann ist er böse.“

Momentan ist es nicht leicht, für österreichische Aktien zu plädieren. Die haben in den vergangenen Jahren nicht so gut performt.

Welche Alternativen gibt es? Die Leute kommen zu mir und sagen: „Herr Rasinger, auf dem Sparbuch bekomme ich nichts, soll ich Gold kaufen?“ Dann sage ich: „Gold hat einen Vorteil, es glänzt. Aber Sie können davon nicht abbeißen.“

Von der Aktie aber auch nicht.

Doch, ich bekomme jedes Jahr eine Dividende. Nicht immer, und es kann mehr oder weniger sein. Deswegen braucht man Streuung.

Wer 2007 Immofinanz-Aktien gekauft hat, der wäre mit dem Sparbuch besser dran gewesen.

Sie finden immer Beispiele, bei denen es schlechter ist, genauso wie solche, bei denen es besser ist. Das Um und Auf ist die Streuung. Leider hat es Situationen gegeben, in denen man die Leute in die falsche Richtung geführt hat. Die den Eindruck erweckten, Streuung ist, wenn man Meinl European Land, Immofinanz und Conwert kauft. Und es haben Leute Dinge angerührt, die sie nicht hätten anrühren dürfen. Wenn man Aktien kaufen will, sollte man sich nicht von Börsendiensten und Gurus leiten lassen, sondern sich mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Alle, die das beherzigt haben, sind mit Aktien langfristig gut gefahren.

Kommen auch zu Ihnen oft Leute, die konkrete Tipps wollen?

Ich bin da vorsichtig. Wenn es gut geht, hören Sie nie wieder etwas. Wenn es schlecht geht, hält man Ihnen das immer wieder vor. Auch ich habe schon Fehlentscheidungen getroffen. Letztlich zählt das Aufrechnen von Plus und Minus. Wenn ich alles auf eine Karte gesetzt hätte, wäre ich heute entweder superreich oder eine arme Maus.

Woher hatten Sie das Geld, um in Aktien zu investieren?

Ich habe immer mehr verdient, als ich gebraucht habe. Obwohl ich fünf Kinder habe. Mein Ziel war, für ein, zwei Jahre genug Reserven zu haben, dass ich von niemandem, schon gar nicht vom AMS, abhängig sein muss. Inzwischen ist es mehr geworden. Ich habe auch geerbt im Immobilienbereich– überschaubar, nicht wie beim Wlaschek.

Haben Sie nur Wiener Aktien?

Großteils. Ich kenne hier in Österreich die handelnden Personen. Warum soll ich mich für eine Brauerei in Portugal interessieren? Ich habe auch nie auf China oder Indien gesetzt. Wenn man als kleiner Anleger chinesische Aktien kauft, da haben schon viele in der Kette verdient.

Behandeln österreichische Firmen ihre Aktionäre besser, wenn man die Skandale anschaut?

Viele Leute gehen bei Aktien von etwas Falschem aus. Manche wollen sofort reich werden, sehen sich als Superspekulant, lassen sich in die falsche Richtung leiten. Das ist jetzt besser geworden. Aber die Geschichten um Meinl, AvW, A-Tec haben dem Kapitalmarkt geschadet. Viele Leute haben viel Geld verloren. Ich habe damals gewarnt. Ich habe auch zwei Bücher über Anlegerschutz geschrieben. Ein Supererfolg war das nicht. Die Leute kommen immer erst nachher.

Sind die Berater schuld oder die Leute selbst?

Als mündiger Anleger habe ich auch eine Verantwortung. Ich halte nichts von dieser Autoritätsgläubigkeit gegenüber Beratern. Man muss den Leuten sagen: „Niemand kann Ihnen eine Garantie für die Zukunft geben.“ Deswegen ist Streuung wichtig. Das fängt bei zehn Positionen an.

Was halten Sie von Fonds?

Wenn es um überschaubare Beträge geht, sind sie ein Thema. Oder wenn man sich nicht mit dem Thema beschäftigen will. Dann zahlt man für die Dienstleistung. Ab einem gewissen Volumen frage ich: Welchen Mehrwert hat das?

Was ist das für ein Volumen?

Bei zehn Positionen und 5000 bis 10.000 Euro pro Einzelposition würde ich sagen: Ab 100.000 Euro ist es überlegenswert, sich mit Einzeltiteln zu beschäftigen.

Kann man nicht klein anfangen?

Ja, aber man muss Interesse an der Sache und Zeit haben, zu Hauptversammlungen zu gehen. Ich finde das spannend. Bei Fonds delegiert man alle Rechte aus der Aktionärsdemokratie an Dritte, auch der Besitzerstolz ist nicht gegeben. Bei Aktien kann sagen: „Das ist mein Unternehmen.“

Trennen Sie sich nur schwer von Aktien?

Eher selten. Ich bin kein Trader, das ist mir zu aufwendig. Ich steige ein, wenn ich den Zeitpunkt für günstig halte. Aber ich denke nicht daran, etwas zu verkaufen, nur weil der Zeitpunkt günstig ist. Das ist Ausdruck meiner Verbundenheit mit den Unternehmen. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Wilhelm Rasinger (*1948) ist Vorsitzender des Interessenverbands für Anleger und hat mehrere Aufsichtsratsmandate inne. Der breiten Öffentlichkeit ist er als Kleinanlegerschützer bekannt, der sich für die Anliegen kleiner Aktionäre gegenüber großen Eigentümern und in der Gesellschaft starkmacht. Darüber hinaus ist bzw. war er als Unternehmensberater, Universitätslektor und leitender Versicherungsangestellter tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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