Heike Curtze: "Reich werden eher die Sammler"

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Die Galeristin Heike Curtze hat die Wiener Aktionisten berühmt gemacht. Mit der "Presse" spricht sie über Aggressivität und Skandale, über hohe Preise für Bilder - und rät, Kunst nicht nur als Geldanlage zu kaufen.

Die Presse: Sie sind verantwortlich dafür, dass die Wiener Aktionisten heute berühmt sind. Wie haben Sie das gemacht?

Heike Curtze: Es waren auch andere beteiligt. Aber ich habe mich tatsächlich sehr früh für diese Kunstrichtung eingesetzt und freue mich, dass da einiges gelungen ist. Kommenden März macht der Martin-Gropius-Bau in Berlin eine Ausstellung zu Günter Brus, die ich initiiert habe.

Sie hatten schon während Ihres Studiums in Wien großes Interesse an den Aktionisten um Hermann Nitsch, Günter Brus und Arnulf Rainer. Woher kam das?

Was in Wien damals passierte, war einzigartig auf der Welt. Der Aktionismus sprengte die Grenzen des üblichen Kunstbegriffes. Ich fand das wahnsinnig spannend und wollte mehr darüber erfahren.

Der erste österreichische Künstler, den Sie ausgestellt haben, war Christian Ludwig Attersee in Ihrer Galerie in Düsseldorf. Mussten die österreichischen Künstler von damals erst im Ausland bekannt werden, um in Österreich zu reüssieren?

Das ist ja oft so. Das Ausland hat schon geholfen, es war aber ein langer Weg. International durchgesetzt haben sich die Aktionisten erst seit zehn, fünfzehn Jahren.

Wie haben Sie damals die Berichterstattung über die Aktionisten erlebt? Die „Krone“ nannte eine von Brus initiierte Aktion „Uni-Ferkelei“, sie ist bis heute unter dem Namen bekannt.

Mich hat das nicht gewundert. Wenn man von der traditionellen Kunstbetrachtung kommt, ist es nicht erstaunlich, dass das schockiert. Es ist eine skandalträchtige Kunstform. Und die Künstler wollten ja auch provozieren.

Sie sind Deutsche, würden Sie sagen, dass es spezifisch österreichisch war, wie die Aktionisten hier aufgenommen wurden?

Damals dachte ich das. Aber es gab auch in Deutschland immer wieder Proteste und Skandale. Was mich aber schon befremdet hat, war, wie viel Aggressivität die Aktionisten hierzulande hervorriefen.

Heute arbeiten Sie mit allen großen Namen aus der Aktionisten-Szene zusammen. Wer ist Ihr teuerster Künstler?

Brus, Nitsch und Rainer. Alle drei liegen an der Spitze und werden auch international geschätzt. Die Ausstellung im Gropius-Bau wird auch Brus' Preise beflügeln.

Brus ist seit 2013 auch im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Sie haben einige Bilder von ihm dorthin verkauft, für 210.000 Euro. Wie haben Sie das eingefädelt?

Ich kannte die Kuratorin (Sabine Breitwieser, Anm.), eine Österreicherin, und habe oft mit ihr über Brus geredet, von dessen Bedeutung sie überzeugt war. Sie konnte dann das MoMA überzeugen, ein ganzes Konvolut aktionistischer Arbeiten von Brus anzukaufen. Darauf bin ich sehr stolz, es gibt sehr wenige österreichische Künstler, die im MoMA vertreten sind.

Also ist Kunst nur etwas für reiche Menschen?

Teure Kunst ist etwas für reiche Menschen. Es gibt auch gute Kunst für weniger Geld.

Welches Budget braucht man, wenn man bei Ihnen etwas kaufen möchte?

Wenn man sich auf einen jungen Künstler einlässt, bei dem natürlich das Risiko wesentlich größer ist, dass er nicht so bekannt wird, muss man zwischen 900 und 1200 Euro für eine Papierarbeit ausgeben.

Bekommen Sie von all Ihren Künstlern den gleichen Anteil an Provision?

Mehr oder weniger, ja.

Wie viel?

Das ist eigentlich ein Geheimnis. Schätzen Sie.

30 Prozent?

Und mehr, bis zu 50.

Wollen etablierte Künstler oft ihre Verträge nachverhandeln?

Das haben wir noch nicht erlebt. Das fließt ja nicht alles in meine Taschen. Wir bezahlen davon Ausstellungen, Kataloge, die Miete für die Galerie, die Angestellten, Pflege von Kontakten mit Museen, diesen ganzen kostspieligen Apparat. Wenn der Künstler damit zufrieden ist, versteht er auch, dass das Geld gebraucht wird. Und auf die multiplikatorische Funktion einer Galerie kann heute kaum jemand verzichten. Es sei denn, der Künstler hat die Nerven und baut sich selbst ein Netzwerk auf.

War das früher anders?

Es war leichter. Die Kunstszene hat sich stark professionalisiert. Früher reichte es, dem Sammler ein Polaroid von der Arbeit zu schicken, die ihn interessieren könnte. Heute ist der Standard viel höher, es muss alles so perfekt wie möglich sein.

Hat sich auch der Künstlertypus verändert?

Ja, die jungen Künstler sind flexibler, können die neuen Technologien selbst bedienen und verstehen, dass das wichtig ist. Die Älteren fragen eher, ob das wirklich sein muss.

Sind Künstler heute mehr Unternehmer als früher?

Man sagt immer, sie sollen es sein. Aber wenn sie es wirklich sind, geht ihnen Zeit für die Kunst verloren. Wenn sie eine gute Galerie haben, mit der sie gern zusammenarbeiten, sind sie froh, wenn das die Galerie erledigt.

Ihre Galerie gibt es seit 40 Jahren. Wie hat sich der Kunstmarkt in dieser Zeit verändert?

Er ist wesentlich größer geworden, es wird mehr über Kunst berichtet, mehr Kunst gekauft, mehr Kunst gemacht. Zum Teil geht es schon in Richtung Beliebigkeit. Das Engagement der Künstler ist nicht immer so verbreitet, wie ich das von meinen Anfängen gewohnt bin.

Spüren Sie die Wirtschaftskrise?

Nicht sehr. Viele Leute sagen jetzt, was soll ich mit dem Geld auf der Bank, ich kaufe lieber Kunst. Vor Kurzem habe ich eine große Arbeit von Nitsch verkauft. Die Sammlerfamilie wollte schon immer einen haben. Irgendwann sagte jemand aus der Familie, das Geld auf der Bank bringe nichts, da kaufen sie lieber einen Nitsch.

Ist Kunst eine gute Geldanlage?

Ich denke ja, aber sie sollte nicht nur zur Geldanlage gekauft werden. Wenn man etwas nur kauft, weil es teuer ist, und man darauf setzt, dass es noch teurer wird, funktioniert das à la longue nicht. Es sollte ein Interessensgebiet sein und eine geistige Herausforderung.

Wie lange können Sie schon von Ihrer Tätigkeit als Galeristin leben?

Das war am Anfang mühsam, aber bescheiden eigentlich immer.

Hatten Sie ein Startvermögen?

Eigentlich nicht. Man brauchte damals nicht viel Geld. Die Mieten waren geringer, vieles andere auch. Ich hatte einen kleinen Bankkredit, das hat gereicht. Es war alles unkomplizierter, auch, an die Künstler heranzukommen. Zu Attersee habe ich damals einfach gesagt, ich mache in Düsseldorf eine Galerie auf und würde mich freuen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er war gleich interessiert. So lief das auch mit den anderen Künstlern.

Hat Sie die Galerie reich gemacht?

Reich bin ich sicher nicht. Reich werden eher die Sammler. Ich besitze ein paar schöne Arbeiten, die ich, wenn ich sie jetzt kaufen müsste, wahrscheinlich nicht mehr bezahlen könnte. Man kann davon mehr oder weniger gut leben, je nach Ansprüchen. Aber um reich zu werden, würde ich einen anderen Beruf empfehlen.

Bei all den Aktionisten, die Sie kennen: Haben Sie selbst einmal bei einer Aktion mitgemacht?

Nein, nie. Nur zugeschaut. Dafür hätte ich nicht die Nerven.

ZUR PERSON

Heike Curtze (*1943) studierte Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Köln und promovierte in Wien, wo sie ihre Faszination für die Wiener Aktionisten entdeckte. 1974 eröffnete Curtze ihre erste Galerie in Düsseldorf mit einer Ausstellung von Christian Ludwig Attersee. Heute hat die Galerie Heike Curtze und Petra Seiser (seit 2014 Partnerin) ihren Hauptsitz in Wien. Die aktuelle Ausstellung, „40+1“, läuft noch bis Ende Juli.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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