Andrea Händler: „Außer lustig sein kann ich nicht viel“

(C) Fabry
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Interview. Kabarettistin Andrea Händler spricht über Geldsorgen, die mit dem Alter zunehmen, über die Angst des Publikums vor männerfeindlichen Witzen– und erzählt, warum sie eher auf neue Schuhe als auf gutes Essen verzichtet.

Die Presse: Wir sind hier bei Ihrer Kabane an der Alten Donau. Wie kommt man zu einer solchen?

Andrea Händler: Ich habe Glück gehabt. Ich habe zu meiner Freundin, die eine Kabane hat, gesagt, dass ich so etwas auch gern hätte. Gerade da hat einer seine Kabane weggegeben.

Wie viel Miete bezahlen Sie?

Viel. So viel, dass man eine ganz tolle Fernreise oder eine super Safari zu zweit machen könnte.

Wir wollen ja heute über Geld reden. Geld ist selten ein Thema Ihrer Kabaretts ...

Noch. Bisher waren andere Themen vorrangig. Aber jetzt werde ich älter, da wird Geld ein Thema.

Warum?

Weil man im Alter immer Angst hat, dass man keines mehr hat.

Haben Sie nichts auf der Seite?

Doch, ich bin wie ein Hamster, habe verschiedenste Sparformen, Aktienfonds, einen Bausparer, eine Eigentumswohnung. Ich muss nur schauen, dass ich die ganzen Nüsschen, die ich verteilt habe, wiederfinde. Letztens habe ich mich sehr gefreut, als die Bank angerufen hat und gesagt hat, es sei etwas ausgelaufen, das ich vor zehn Jahren angelegt habe. Ich habe es wieder irgendwo investiert. So werde ich dann hoffentlich mit 60 genug beieinanderhaben.

Noch haben Sie keine Geldsorgen.

Wenn ich wüsste, dass ich jedes Jahr so viel verdiene wie jetzt, würde ich mir keine Sorgen machen. Das weiß man aber nie. In meinem Job sowieso nicht. Wenn ein Kabarettprogramm schiefgeht, verdient man nichts. Und zwar schlagartig.

Als Sie angefangen haben, hatten Sie diese Ängste nicht?

Ich habe gleich nach der Matura angefangen, da denkt man an alles, nur nicht an Geld. Das erste Mal über Geld nachgedacht habe ich, als ich angefangen habe, etwas zu besitzen. Besitz macht unfrei. Die größte Krise hatte ich ab der Eigentumswohnung. Vorher, mit der Genossenschaftswohnung, habe ich immer gewusst, das wird irgendwie gehen. Dazu kommt, dass man sich, wenn man jung ist, denkt: Wenn das eine nicht geht, mache ich etwas anderes. Aber jetzt bin ich über 50. Was soll ich denn machen? Außer lustig sein kann ich nicht viel.

Jetzt zieht schon Ihr Name als Werbung.

Name allein genügt nicht. Da kommen die Leute wegen des Namens, und wenn es ihnen nicht gefällt, kommen sie nie wieder. Das ist wie in einem Wirtshaus: Wenn man einmal schlecht gegessen hat, geht man nicht mehr hin.

Als Sie als Kabarettistin angefangen haben, hat es fast keine Frauen gegeben ...

... und so ist es auch geblieben.

Hat man als Frau Vorteile, weil die Leute sagen, das ist einmal etwas anderes?

Nein, gar nicht. Viele können sich nicht vorstellen, dass eine Frau lustig sein kann, ohne männerfeindlich zu sein. Wenn ich einen einzigen Scherz einen Mann betreffend mache, bin ich männerfeindlich, dabei mache ich ununterbrochen Scherze gegen Frauen, und die lachen. Zu mir kommen viele Frauen, und die Männer gehen mit. Oft höre ich dann: „Sie sind ja eh lustig“. Das „eh“ bedeutet, dass der angenommen hat, ich wäre das nicht. Das ist ein Satz, den hat der Dorfer 100-prozentig noch nie gehört.

Wenn Sie als Kabarettistin nicht erfolgreich geworden wären, was hätten Sie dann gemacht?

Ich wollte gar nicht Kabarettistin werden, sondern Schauspielerin. Im Reinhardt-Seminar wurde ich nicht aufgenommen, hatte aber einen großartigen Schauspiellehrer, den Herwig Seeböck. Dort hat sich die Kabarettgruppe Schlabarett gebildet. Wir haben eigentlich alle Schauspiel gelernt. Aber wenn man etwas „Volksschauspiel“ nennt, kommt keiner, wenn man es „Kabarett“ nennt, kommen die Leute. Wenn das nichts geworden wäre, hätte ich halt studiert. Das Einzige, was mich sonst interessiert hätte, ist Psychotherapeutin. Meine Eltern hatten mich zur Matura gezwungen, damit ich, falls etwas schiefgeht, zumindest studieren kann.

Waren Ihre Eltern besorgt, als Sie Schauspielerin werden wollten?

Meine Mutter, die selbst Malerin werden wollte und von ihren Eltern daran gehindert wurde, hat das gefördert und nur gesagt: „Bedingung ist die Matura.“ Mein Stiefvater hat mich nicht ernst genommen und gemeint, das ist ein schönes Hobby. Ich habe dann angefangen, ihm kostspielige Geschenke zu machen. Da hat er gemerkt, man verdient damit auch Geld.

Er hat aber auch nicht versucht, Sie daran zu hindern?

Nein, das hätte nicht funktioniert. Ich bin mit 19 ausgezogen, habe Nebenjobs gemacht, habe auf dem Flughafen Souvenirartikel verkauft, ich habe später Immobilien verkauft. Man lebt lange nicht von diesem Beruf. So richtig konnte ich das erst mit 32 oder 33. Aber ich habe mir immer gedacht, zur Not kann ich auch in die Gastronomie gehen. Wer auf der Bühne stehen kann, macht sicher auch gutes Trinkgeld in der Gastro. Den Kopf darüber zerbricht man sich in dem Alter noch nicht, das kommt erst später. Hätte ich Kinder, würde ich die quälen wie ein Einser, würde sagen: „Ihr müsst sparen, etwas Vernünftiges machen.“

Beruflich würden Sie die nicht in Ihre Richtung lenken?

Nie, die sollen Steuerberater werden, irgendetwas, was man immer brauchen kann. Dann müsste ich mir keine Sorgen machen.

Hatten Sie Phasen, in denen Sie sich finanziell gerade so über Wasser halten konnten?

Oft. Aber ich hatte eine sehr preiswerte Wohnung, hatte lange kein Auto und keinen Führerschein, erst mit 25. Ich bin immer mit Geld gut ausgekommen. Ich bin nicht jemand, der das Konto überzieht. Das kann ich nicht. Da esse ich lieber Nudeln und stehle Salbeiblätter.

Sie legen alles Geld an?

Nicht nur, ich reise auch gerne, und die Reisen sind nicht billig. Gott sei Dank bin ich nicht völlig shopping-irre. Das ist lange vorbei. Es liegt vielleicht daran, dass ich nicht mehr viel weggehe. Dann braucht man weniger Fetzen.

Haben Sie beim Einkaufen eine „Guilty Pleasure“, etwas, bei dem Sie nicht widerstehen können?

Bei teuren Lebensmitteln. Ich gehe gern auf dem Naschmarkt einkaufen, gehe zum Pöhl und kaufe eine Burrata und gehackte Trüffel. Wenn man das einmal pro Woche macht, kostet es relativ viel, da hat ein anderer dann Schuhe darum. Und ich habe halt einen vollen Bauch. Aber ich gehe ewig schon an der Chanel-Handtasche vorbei. Ich bin froh, dass mich das nicht mehr so interessiert. Außerdem habe ich ein Jahr lang „Shopping Detox“ gemacht, also geschaut, wie das ist, wenn man keine Schuhe, Taschen, Gewand kauft. Und das geht gut. Ich habe eh nur zwei Füße. Mit hohen Hacken kann ich hier nicht rumgehen. Da breche ich mir das Bein, und Kranksein geht bei uns nicht.

Was machen Sie, wenn Sie länger krank sind?

Ich war es noch nie. Ich habe einmal eine schwere Schulterverletzung gehabt, da bin ich, nachdem ich drei Tage lang zusammengeschraubt war, zur Probe marschiert. Und in einer Spielpause von acht Tagen habe ich mir die Schrauben wieder herausnehmen lassen. Irgendwie schaut man, dass man sich da durchwurschtelt.

Gibt es Berufsunfähigkeitsversicherungen für Kabarettisten?

Ja, die sind so teuer, dass man lieber schaut, dass man nicht berufsunfähig wird. Mir tut es aber leid, dass ich nicht erster Klasse krankenversichert bin. Das hätte ich machen sollen, als es noch preiswert war. Aber mit 20 stellt man sich nicht vor, dass einem einmal etwas wehtun könnte. Ich bin froh, dass mir eine Tante, als ich 22 war, eine Lebensversicherung eingeredet hat. [ Voithofer ]

ZUR PERSON

Andrea Händler (*1964) ist Kabarettistin und Schauspielerin. Sie absolvierte ihre Schauspielausbildung bei Herwig Seeböck und war Mitglied der Kabarettgruppe Schlabarett („Muttertag – Die härtere Komödie“). Auch war sie in zahlreichen TV-Produktionen („Die kranken Schwestern“, „Kaisermühlen-Blues“) zu sehen. 1995 startete sie ihre Solokarriere, ihr jüngstes Programm „Ausrasten“ läuft derzeit in Wien, Graz und anderen Städten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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