Francesco Illy: "Wir sind de facto Anti-Fair-Trade"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Francesco Illy ist Spross der gleichnamigen Kaffee-Dynastie. Er spricht über die Konkurrenz durch Nespresso und erklärt, warum es besser ist, Wissen zu teilen, statt Geld zu schenken.

Die Presse: Sie sind ein Spross der Illy-Kaffee-Dynastie aus Triest. Was hat Sie dazu gebracht, in die Schweiz zu gehen und Amici Caffè zu gründen?

Francesco Illy:
Die Liebe. Ich habe meine Frau kennengelernt, wir haben geheiratet und uns gefragt, was machen wir? Mein Vater hatte damals angefangen, Papier-Portionen zu machen, ich habe das Geschäft übernommen und habe es groß gemacht.

Wollten Sie sich von Ihrer Familie ein wenig absetzen?

Ich habe eine Riesenfreiheit dadurch, dass ich dabei und doch nicht dabei bin. Operativ bin ich nur Vizepräsident der Gruppe. Das gibt mir die Freiheit, etwa mein Weingut zu betreiben, wo ich forschen und Experimente machen konnte. Einige sind geglückt, andere nicht.

Man muss sich ein solches Hobby leisten können.

Das ist kein Hobby, ich habe zwanzig Jahre lang investiert, und 2016/17 ist der Break-Even angesetzt. Bis jetzt habe ich nur hineingepumpt. Aber das ist wie ein Sparschwein. Ich könnte es jetzt schon viel teurer verkaufen. Bei anderen Investitionen habe ich nie so einen Mehrwert erzielen können.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich ein Weingut zu kaufen?

Ich wollte schon länger ein Haus in der Toskana. 1997 haben wir dieses Grundstück gefunden: 54 Hektar Land plus ein Haus. Da habe ich das Haus renoviert und Wein angebaut. 2003 hatten wir die erste Ernte, die war klein. Also haben wir den Wein selbst getrunken. Der Wein war gut. Inzwischen bin ich ein angesehener Winzer geworden.

Sind Sie operativ noch bei Amici Caffè in der Schweiz tätig?

Ja. Hauptsächlich im Marketing, aber auch im Verkauf.

Inwieweit ist Amici Caffè von Illy Caffè unabhängig?

Die Firma ist zu 100 Prozent autonom, aber alle Produkte stammen von Illy.

Warum heißt sie anders?

Mein Großvater hat die Firma Illy Caffè vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Mein Vater hat sie nach dem Krieg mit einem Partner groß gemacht. 1968 hat er seine Aktien der Schweizer Firma gegen die Anteile des Partners an der Triester Firma eingetauscht, und ab diesem Moment konnte er machen, was er wollte. Aber in der Schweiz gibt es eine Firma namens Illycafé, die einen Kaffee macht, der günstiger und weniger speziell ist als unserer.

War es schwierig, ohne den Namen Illy in der Schweiz das Unternehmen aufzubauen?

Ich sage Nein, andere behaupten Ja. Als wir angefangen haben, waren wir als Illy ziemlich unbekannt. Heute ist Illy sehr bekannt, aber wir sind auch ziemlich bekannt in der Schweiz. Weltweit ist natürlich die Potenz des Namens Illy größer als die des Namens Amici.

Ist es leichter, in Italien Kaffee zu verkaufen als in der Schweiz?

Zum Teil ja. In den Ländern, in denen auch die Konkurrenz ziemlich guten Kaffee verkauft, ist es schwieriger. Italien importiert zu 50 Prozent Robusta. Robusta stinkt für mich brutal, und wenn jemand vom Gestank zum fantastischen Aroma kommt, dann ist es leichter, ihn zu überzeugen, als wenn jemand vom mittelmäßigen zum fantastischen Aroma kommt.

Sie haben Arabica?

Ich habe nur Arabica. Die 100-Prozent-Arabica-Mischung habe ich erfunden, 1983 habe ich nach einem langen Krach mit meinem Vater gesagt: „Schmeiß den Robusta raus!“ Nach ein paar Jahren hat es geklappt. Robusta macht natürlich viel Schaum, und Espresso muss Schaum haben. Wenn man keine Robusta hat, muss man die Zubereitung besser beherrschen. Mit Robusta ist es einfacher, einen schönen Kaffee zu machen: schön und, meines Erachtens, schlecht.

Was halten Sie von Nespresso?

Nespresso kauft ziemlich guten Kaffee ein, es ist ein ziemlich gutes Produkt. Sie arbeiten mit 5,6 Gramm, unsere Schule ist sieben. Ich finde, 5,6 Gramm sind zu wenig.

Haben Sie die gleiche Zielgruppe wie Nespresso?

Meine Zielgruppe sind Genießer. Nur wer mein Produkt versteht, ist auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Es hat gar keinen Sinn, Konsumenten zu gewinnen, die das nicht verstehen, und die dann sagen: „Das ist zu teuer.“ Teuer ist, was du nicht verstehst.

Abgesehen von Wein und Kaffee, für welche Dinge sind Sie bereit, viel Geld auszugeben?

Ich bin Genussologe. Als solcher bin ich bereit, für alles, was Genuss bringt, zu zahlen.

Sind Sie jemand, der aufs Geld schaut oder gern viel ausgibt?

Ich schaue natürlich aufs Geld, ich habe nicht unendlich viel Geld. Aber wenn ich mir eine Freude leisten will, leiste ich sie mir: ein schönes Restaurant, selbst etwas kochen mit schönen Zutaten – das sind die Dinge, die ich mir erlaube.

Und bleibende Güter, vom Haus in der Toskana abgesehen?

Ich habe nie viel Kunst gekauft. Ich bin nie ein Kollektor geworden, sondern immer selbst ein Künstler geblieben. Ich fotografiere und verkaufe meine Fotos auch.

Sie sehen auch Kaffee- und Weinmachen als eine Art Kunst?

Ja, ich bin der Meinung, eine Firma muss Sinn machen. Ethisch, ästhetisch, ökologisch, sozial und natürlich auch ökonomisch, denn ohne das Ökonomische ist man pleite. Wenn man alle diese Dinge zusammenbringt, ist das eine Kunst, die viele Unternehmer lernen müssten. Heute haben wir die Tendenz, dass man nur kurzfristig schaut: Wie bringen wir das nächste Quartal zu Ende, werden wir einen hohen Bonus bekommen? Der Weitblick fehlt oft. Es gibt den Spruch: Wenn der Weise auf den Mond zeigt, sieht der Idiot den Finger.

Inwiefern hat Ihr Unternehmen ethische Dimensionen?

Ich sehe Illy Caffè als Gefäß mit großem Know-how. Die Aufgabe ist, dieses zu teilen. Ich war einer der ersten Röster, der Kaffeeplantagen in Guatemala bereist hat. Ich habe gesagt, wir müssen den Bauern Informationen bringen, um die Qualität zu verbessern. Ein schlechtes Produkt kannst du nur billig verkaufen. Ein gutes Produkt kannst du teuer verkaufen. Damals gab es in diesen Ländern einen Dritte-Welt-Komplex: „Wir haben nichts, wir verstehen nichts.“ Das hat sich komplett gedreht. Wenn jemand fragt: „Was machst du denn sozial?“, dann sage ich: „Wir teilen unser Wissen.“

Also das Fair-Trade-Konzept?

Wir sind de facto Anti-Fair-Trade. Ich kenne Farmen, die mit Fair-Trade-Geld unterstützt worden sind, und als die Unterstützung aufgehört hat, sind sie pleitegegangen. Es geht darum, fischen zu lehren, statt den Fisch zu schenken. Das ist unser Modell. Meiner Meinung nach ist Spenden falsch. Geld, das man jemandem schenkt, verschwindet irgendwann. Das Wissen, das wir weitergeben, bleibt bei den Bauern. Sie erreichen bessere Qualität, die zu rentableren Preisen am Markt verkauft wird. Die Übermittlung von Wissen führt zu langfristigen ökonomischen Erfolgen.

Zahlen Sie Ihren Bauern Fair-Trade-Preise?

Wir zahlen unseren Bauern Qualitätspreise. Im Durchschnitt zahlen wir mehr als die Konkurrenz und mehr als Fair Trade.

Sind Sie mit Neid konfrontiert, weil Sie aus einer erfolgreichen Unternehmerfamilie kommen?

Ich verstehe Neid nicht. Das ist das Produkt der Dummheit. Ich könnte auch neidisch sein auf viele Leute, die wesentlich mehr als ich haben. Ich versuche aber, diesen Trieb in Neugier umzuwandeln. Manchmal muss ich zugestehen, dass es Leute gibt, die intelligenter als ich sind. Viele akzeptieren das nicht. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2015)

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