Eva Maria Marold: "Das muss ich alles dersingen"

(c) Stanislav Jenis
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Sängerin und Schauspielerin Eva Maria Marold spricht über die Leistungs- und Wegwerfgesellschaft, seltsame Wertigkeiten - und erklärt, warum sie zur Not auch Anrufbeantworter besprechen würde.

Die Presse: Sie haben nach der Matura vier Jahre lang Englisch und Italienisch studiert. Das ist ja nicht unbedingt das logische Studium, um Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin zu werden...

Eva Maria Marold: Ich wollte gleich nach der Matura singen, habe aber die Aufnahmeprüfung am Konservatorium nicht geschafft. Da war dann halt Plan B angesagt. Englisch habe ich immer geliebt, und die Maturareise ging nach Rimini – dort hab' ich mich in einen Neapolitaner verliebt. Zur Auswahl wäre noch Kroatisch gestanden, weil ich Kroatin aus dem Burgenland bin. Oder Französisch, weil meine damals beste Freundin am Lycée war.

Ihre Eltern waren vermutlich auch dahinter, dass Sie etwas „Handfestes“ lernen.

Ja, sie waren ursprünglich schon der Meinung, ich soll halt nebenbei in einer Band oder im Kirchenchor singen. Mich hat aber die Idee zu singen nie losgelassen. Ich habe jede Möglichkeit, auf einer Bühne stehen zu können, wahrgenommen – sei es mit Karaoke. Und dann habe ich schließlich auch die Aufnahmeprüfung am Konservatorium geschafft.

Und was war dann zu Hause los?

Da war Feuer am Dach, weil ich mein Dolmetschstudium hingeschmissen hab'. Ich kann mich an den Nachmittag genau erinnern: Mein Vater hat damit gedroht, mich nicht mehr finanziell zu unterstützen, ich habe geheult.

Tänzerin oder Schauspielerin zu sein ist aus ökonomischer Sicht ja auch einigermaßen riskant...

Gegenfrage: Was ist nicht riskant? Wo kann man schon arbeiten, ohne Angst haben zu müssen, dass man den Job verliert? Ich kenne diese Diskussionen über Leistung, über angeblich brotlose Berufe. Meine Einstellung dazu ist die: Alles, was einem Spaß macht, macht man meistens auch gut. Daraus ergibt sich die Wertigkeit. Interessant ist aber in dem Zusammenhang, dass die sogenannte Gesellschaft es meist so sieht: Alles, was einem locker von der Hand geht, wird nicht als Leistung gesehen. Weil: „Das macht ja Spaß, das macht glücklich.“ Viele glauben, dass hinter meinem Beruf keine wirkliche Leistung steckt.

Ist es ein „brotloser Beruf“?

Also, ich habe nie finanzielle Sorgen gehabt. Natürlich: Meine Eltern haben mich in den Anfangsjahren unterstützt. Aber ich habe halt dann und wann als Kellnerin gearbeitet, in einer Kantine gejobbt oder irgendwo im Background gesungen um ein paar Hunderter – Schilling, natürlich. Ich habe mit Kommerzbands bei Hochzeiten, in Bierzelten gesungen. Da habe ich für damalige Verhältnisse wirklich gut verdient. Aber ich hatte eigentlich auch keine Bedürfnisse.

Warum nicht?

Weil ich so satt war. Ich war so zufrieden mit allem. Ich habe dadurch Geld gespart – aber nicht, weil ich es horten wollte, sondern weil ich nicht wusste, was ich damit anfangen soll.

Ist Ihnen Geld nicht wichtig?

So würde ich das nicht sagen. Ich bin halt nicht der Typ, der sich um ein paar hundert Euro eine Handtasche kaufen würde. Andere schon, und ich verurteile das auch nicht. Mir ist eine Handtasche eben nicht so viel wert.

Leben Sie sparsam?

Nein, und ich hatte auch niemals das Gefühl, dass es mir an etwas fehlt. Ich habe aber nie Dinge in zehnfacher Ausfertigung gebraucht. Ich bin kein materialistischer Mensch. Aber wenn ich mir etwas kaufe, dann passe ich auch gut drauf auf. Ich finde es wahnsinnig traurig, dass von Schuhen über Elektronikartikel heutzutage alles einfach weggeworfen wird. Weil die Dinge nichts kosten. Sie sind uns also auch nichts wert. Das ist alles pervers. Wohin soll die Wirtschaft eigentlich wachsen, wenn eh schon jeder alles hat?

Sie sind alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen. Gerade Kinder stehen unter enormem Druck ihrer Mitschüler, wenn es um teure Sachen, um Statussymbole geht.

Ich versuche ihnen schon die Frage der Wertigkeiten näherzubringen. Da wird zum Beispiel der Nachbar darum beneidet, dass er ein tolles Auto hat. Nicht aber darum, dass er acht Fremdsprachen spricht. Geistiger Reichtum – das ist etwas Unbezahlbares.

Sie haben einen Buben aus Ghana adoptiert. Ist Armut bei Ihnen zu Hause ein Thema?

Nicht im Sinn von „die armen afrikanischen Länder“ und so fort. Aber ich versuche, meinen Söhnen schon beizubringen, dass alles, was wir materiell besitzen, mit einem Schlag weg sein kann. Was einem aber nicht genommen werden kann, ist das, was man im Kopf hat. Der wahre Reichtum liegt in Erfahrungen, in Erlebnissen – die natürlich auch mit Geld zu beschaffen sind. Wenn man beispielsweise auf Urlaub fährt. Im Übrigen finde ich, dass Urlaube heutzutage viel zu billig sind. Zwei Wochen Kenia, Dubai oder Kuba – ich habe nichts dagegen, Reisen bildet ja. Der große Denkfehler dabei: Billigsdorfer-Reisen, bei denen eh wieder alle in einem Klub sitzen und Schnitzel essen – das bildet nicht. Wäre das Ganze teurer, würden die Leute das auch bewusster machen. So wie es jetzt ist, hat Urlaub für die wenigsten eine entsprechende Wertigkeit.

Mit zwei Kindern haben Sie eine große Verantwortung. Legen Sie Geld auf die hohe Kante?

Eigentlich nicht. Nur so viel, dass, wenn bei mir morgen die Waschmaschine kaputt ist, ich mir die Reparatur leisten kann – oder notfalls auch eine neue kaufen. Was meine Kinder betrifft: Ich habe einen Kredit aufgenommen, um meine Eigentumswohnung abzubezahlen.

Sie schaffen also Vermögenswerte.

Das ist für mich die sinnvollste Art zu sparen. Zinsen fürs Sparen bekommt man ja nicht. Ich schaue auch, dass ich mein Konto nicht überziehe, denn die Zinsen dafür sind ja modernes Banditentum.

War es für Sie als Sängerin/Schauspielerin einfach, einen Kredit zu bekommen?

Nein, ganz und gar nicht. In meiner Branche kommt ja noch ein weiteres Problem dazu, eine soziale Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit: Ich bin zwölf Monate lang durchgehend selbstständig – also SVA-pflichtig. Sechs bis acht Monate lang bin ich aber auch von einem Theater angestellt. Ich zahle also doppelt Sozialversicherungsbeiträge: Pensionsversicherung, Krankenversicherung. Wieso, frage ich mich, kann ich nicht frei entscheiden, wo ich versichert sein will? Ich würde mir ja überhaupt am liebsten meinen Pensionsanspruch jetzt ausbezahlen lassen, noch eine Eigentumswohnung kaufen und später von den Mieteinnahmen leben. Der Staat müsste sich dann nicht mehr um mich kümmern.

Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen: Haben Sie nie Angst, dass Sie beruflich ausfallen könnten, etwa durch einen Unfall?

Also, dass ich mir das Bein breche oder so – das ist meine geringste Sorge. Ich finde mir immer irgendeine Arbeit. Und wenn ich mich in ein Tonstudio stelle oder Anrufbeantworter bespreche. Angst macht mir die Vorstellung, dass ich echt berufsunfähig sein könnte. Aber das versuche ich zu verdrängen. Solange ich gesund bin, kann ich jedenfalls zupacken.

Gut, Sie haben dank Ihrer Eigentumswohnung die Fixkosten wohl einigermaßen im Griff...

Naja, meine Söhne gehen in Privatschulen. Wobei die Schule selbst finanziell nicht das große Loch reißen würde, eher die Nachmittagsbetreuung. Und das mal zwei. Ich muss also den Betrag jeden Monat „dersingen“. Aber mir ist die Ausbildung meiner Kinder eben viel wert. Das ist eine Investition, die Hand und Fuß hat. [ Stanislav Jenis ]

ZUR PERSON

Eva Maria Marold, Jahrgang 1968, ist Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin und Kabarettistin. Ab 1.Oktober steht sie mit „Charley's Tante“ im Wiener Metropol auf der Bühne, ab Ende November ist sie bei „Hafen Wien“ im Rabenhof dabei. Zwischendurch absolviert sie zahlreiche Auftritte in „Spiel's nochmal, Sam“ (www.evamariamarold.at). Die gebürtige Eisenstädterin ist einem breiten Publikum auch aus der siebten Staffel von „Dancing Stars“ bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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