Ferdinand Lacina: "Jetzt kommt die Zeit der Erben"

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Der Ex-Finanzminister erklärt im "Presse"-Interview, warum Manager weniger Stress haben als Politiker, ihn Aktien ebenso wenig interessieren wie Schachprobleme und er für eine Erbschaftssteuer ist.

Die Presse: Sie waren Politiker und Banker. Der Ruf welcher Gruppe hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr gelitten?

Ferdinand Lacina:
Die stehen im starken Wettbewerb.

Durch eigene Schuld?

Zum Teil, wobei es unfair wäre, alle Politiker und Banker über einen Kamm zu scheren.

Es gibt die These, dass gute Politiker unterbezahlt sind, aber sehr viele überbezahlt. Wie war das bei Ihnen?

Ich bin in jene Zeit gefallen, als die Entprivilegisierung stark fortgeschritten ist. Zunächst war das Politikereinkommen steuerfrei, das habe ich nicht erlebt. Dann wurde es besteuert, aber gleichzeitig erhöht, sodass netto dasselbe herausgekommen ist. Als ich Staatssekretär wurde, sank das Einkommen um rund ein Drittel netto. Nachher ging es Schritt für Schritt. Da hat man sich etwa gescheut, einen Inflationsausgleich zu gewähren. In Wirklichkeit ist das Problem unlösbar. Wenn Sie der Auffassung sind, ein Politiker ist unfähig, und Sie sind ohnehin nicht seiner Meinung, dann ist jeder Euro zu viel. Fakt ist, dass man als Politiker bei einer anspruchsvollen Tätigkeit mit einer geringen Wertschätzung rechnen muss. Ich hatte zwar nie das Problem, weil ich weder das Gefühl hatte, dass ich unterbezahlt bin, noch sind die Leute reihenweise auf mich zugekommen und haben gesagt, dass ich ein Idiot bin. Aber wenn Sie Unternehmensvorstand sind, bedeutet das oft deutlich weniger Stress – und mehr Schonung von der Öffentlichkeit.

War das bei Ihnen auch so, als Sie zur Bank gegangen sind?

Ja. Erstens arbeitet man in einem Vorstand tatsächlich zusammen, wenn sich die Leute verstehen. In einer Regierung ist sind Sie de facto allein. Sie haben zwar Freunde, aber wenn es darauf ankommt, sind Sie allein.

Wären Sie heute noch glücklich in der Chefetage einer Bank?

Es hat sich viel geändert. Der frühere Generaldirektor der Deutschen Bank, Hermann Abs, hat gesagt, dass die Aktionäre dumm und frech sind. Dumm, weil sie ihr Geld hergeben, und frech, weil sie auch noch Dividenden wollen. Das war sicher übertrieben, aber es war lange Zeit so, dass das langfristige Überleben und die langfristige Expansion des Unternehmens im Vordergrund standen. Und dass der Aktionär gegenüber Unternehmensleitung, Belegschaft und gesellschaftlicher Verantwortung ein bisschen hintangehalten wurde. Das hat sich wesentlich verändert. Und für die Geschäftsleitung ist es nicht mehr wichtig, welche Pension sie kriegen wird, es zählt nur die jährliche Bezahlung. Man verdient in zwei, drei Jahren das, was ein Manager früher in seiner ganzen Zeit verdient hat.

Haben Sie als Banker mehr verdient als als Politiker?

Ich habe als Abteilungsleiter in der ÖIAG ungefähr das Dreifache verdient von dem, was ich als Kabinettschef bei Kreisky verdient habe. Als Staatssekretär habe ich ungefähr so viel verdient wie in der ÖIAG. Als Minister war es ein bisschen mehr. In der relativ kurzen Zeit, in der ich in der Giro als Vorstand gearbeitet habe – ich hatte dort keinen Pensionsvertrag, das wollte ich auch nicht –, war es das Dreifache von dem, was ich als Minister verdient habe. Aber ich habe nicht dreimal so viel gearbeitet.

War Geld jemals ein Antrieb für Sie?

Wenn Geld ein Antrieb gewesen wäre, wäre ich nicht in die Arbeiterkammer gegangen. Die Studienbeihilfe war damals sehr großzügig, das waren 1000 Schilling im Monat. Ich habe angefangen, halbtags bei der Arbeiterkammer zu arbeiten, habe 1000 Schilling bekommen und mein Stipendium verloren.

Warum haben Sie es trotzdem gemacht?

Es hat mich interessiert, und als ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, war es schön, Zugang zu einer der besten sozialwissenschaftlichen Bibliotheken zu haben. Aber wir haben mies verdient. Als wir uns einmal beschwert haben, dass die Kollegen in der Handelskammer das Doppelte bis Dreifache verdienen, haben unsere Oberen gesagt: „Dann geht eben zur Handelskammer.“

Die haben darauf vertraut, dass die ideologischen Zäune hoch genug sind?

Ja, natürlich.

Hatten Sie je Geldsorgen?

Ja, meine Frau hat damals noch studiert, und wir hatten zwei Kinder. Wir haben schon immer auf den Ersten gewartet.

Sind Sie heute reich?

Ich bin in der sehr angenehmen Situation, nicht jeden Euro umdrehen zu müssen.

Und was machen Sie mit dem Geld? Sind Sie dumm und frech und kaufen Aktien?

Nein. Ich habe einer Kollegin von Ihnen einmal gesagt: Das Einzige, was ich habe, ist ein Sparbuch. Die wollte mich damals fast einliefern lassen.

Die niedrigen Zinsen stören Sie nicht?

Natürlich kommt es zu einer Entwertung, aber ich kann mir den Luxus leisten, nicht auf den Aktienmarkt zu schauen. Das interessiert mich in etwa so, als ob Sie mir ein Büchlein mit Schachproblemen vorlegen würden.

Sie gelten heute als der SPÖ-Minister, der die Vermögensteuer abgeschafft hat. Sind Sie mit diesem Ruf glücklich?

Eines der Hauptprobleme war, dass das damals eine Substanzsteuer auf kapitalintensive Unternehmen war. Es war auch eine sehr komplizierte Steuer. Also haben wir sie abgeschafft. Dass später auch die Erbschaftssteuer abgeschafft wurde, halte ich für einen Fehler. Es kommt jetzt die Zeit der Erben. Und da geht es nicht um die kleinen Vermögen.

Die Erbschaftssteuer galt aber auch als kompliziert.

Als wir die Vermögensteuer abgeschafft haben, hat uns die ÖVP zugesagt, dass es eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer geben würde, weil die wirklich kompliziert war. Es war auch ziemlich sinnlos, so tief hinunterzugehen. Man hat für jede Eigentumswohnung lächerliche Beträge bezahlt, aber man hat etwas bezahlt. Mit höheren Freigrenzen wäre mehr drinnen gewesen. Ich glaube nach wie vor, dass es richtig und notwendig wäre, da etwas zu machen.

Was sagen Ihre Kinder dazu?

Meine Kinder haben damit kein Problem. Außerdem habe ich ihnen, als es die Schenkungssteuer noch gab, Geld gegeben, damit sie sich Wohnungen kaufen konnten, und habe die Schenkungssteuer bezahlt. Weil Sie gefragt haben, was ich mit dem Geld mache: Das mache ich damit, weil es für junge Leute nicht einfach ist, bei den Preisen zu vernünftigen Wohnungen zu kommen.

Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der nichts zu erben hat und trotzdem halbwegs zu Wohlstand kommen will?

Die übliche Formel ist, möglichst gut qualifiziert zu sein. Wobei das Problem darin besteht, dass auch beste Qualifikationen keine Sicherheit bieten. Gut qualifizierten Leuten wird angeboten, umsonst für ein Unternehmen zu arbeiten, weil sie das für den Lebenslauf brauchen. Es ist schwierig, hier etwas zu raten. In meinem Jahrgang hat man in bescheidenen Verhältnissen begonnen, aber man hatte das Gefühl, dass es bergauf geht. Das Gefühl hat diese Generation nicht.

ZUR PERSON

Ferdinand Lacina (*1942) ist ehemaliger Finanzminister und SPÖ-Politiker. Noch während seines Studiums an der Hochschule für Welthandel wurde er 1964 in der Arbeiterkammer Wien tätig, 1973 wurde er Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien, danach Leiter der Abteilung für Finanzplanung der Österreichischen Industrieverwaltungs-AG. Ab 1980 war er Kabinettschef von Bruno Kreisky. Weitere Stationen waren Staatssekretär für Wirtschaftsfragen, Verkehrsminister und – von 1986 bis 1995 – Finanzminister. Nach seinem Abschied aus der aktiven Politik war Lacina bis 1997 Generaldirektor der österreichischen Giro-Credit Bank AG der Sparkassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2015)

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