"Sobald man die Bodenhaftung verliert, ist es vorbei"

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Destillateur Josef Farthofer erklärte der "Presse", warum er nichts geschenkt haben will, man im Leben auch mal andere Dinge ausprobieren muss und der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ein schmaler ist.

Die Presse: Wie viel Schnaps und Wodka haben Sie in ihrem Leben schon getrunken?

Josef Farthofer: Verkostet habe ich sehr viel, aber ich spucke den Alkohol großteils wieder aus. Ich bin ohnehin eher ein Biertrinker.

Wie schwer ist es, als Spirituosenhersteller nicht zum Alkoholiker zu werden?

Sucht ist für mich kein Problem, ich rauche auch nicht. Alkohol ist für mich ein Genussmittel.

Haben Sie kein schlechtes Gewissen, ein Produkt herzustellen, von dem andere abhängig werden können?

Wir sind ein Genussmittelproduzent und haben Genießer im Fokus, nicht Alkoholiker. Unsere Produkte sind wohl auch zu teuer, um abhängig zu machen.

Sie stellen Spirituosen her, haben aber eigentlich mit Fruchtsäften begonnen. Warum sind Sie nicht dabei geblieben?

Wir mussten als Kinder immer Obst klauben und haben es dann ans Lagerhaus um ein paar Groschen verkauft. Einmal haben wir unseren Eltern den Stundenlohn vorgerechnet, da ist nichts übrig geblieben. Mein Ziel war es, etwa aus dem Produkt Birne mehr zu machen.

Ihre Eltern kamen nicht auf die Idee, Obst zu veredeln?

Der Markt war nicht da, Most hat beispielsweise keiner getrunken. Meine Eltern haben nur für den eigenen Hausgebrauch produziert.

Ihre Eltern haben aber auch schon Schnaps erzeugt.

Ja, aber rein bäuerlich. Der Schnaps ist, wie der Most, immer weniger geworden. Mit 18 Jahren habe ich mich dann entschieden, das Ganze wiederzubeleben, zunächst aus Spaß an der Sache. Ich habe eine Presse und gemeinsam mit einem Freund eine Flaschenwaschanlage gekauft.

Was hat das gekostet?

Alles zusammen so um die 130.000 Schilling. So hat alles angefangen.

Woher hatten Sie mit 18 Jahren so viel Geld?

Ich hatte immer Ferialjobs. Habe hobbymäßig an Mopeds herumgebastelt, da konnte ich stets etwas auf die Seite legen. Ich habe aber nie etwas geschenkt bekommen. Außer im Vorjahr. Da habe ich meinen elterlichen Hof geerbt, aber da musste ich meine Geschwister auszahlen.

Ist Ihnen das wichtig, nichts geschenkt zu bekommen?

Ja.

Warum?

Weil man erst weiß, welchen Wert etwas hat, wenn es selbst erarbeitet wurde. Dann lernt man auch auf Dinge aufzupassen – und man lernt den Umgang mit Geld. Ich habe zwei ältere Kinder und die bekommen sehr viel von mir, sie werden verwöhnt. Aber sie arbeiten auch mit. Unsere Gesellschaft lebt anders als wir früher. Wir haben nichts von den Eltern bekommen. Sie hatten zwar Hof und Grund, aber das heißt noch lang nicht, dass man reich ist. Man muss das Ganze ja auch erhalten. Wenn man heute geschickt ist und den Markt kennt, kann man allerdings sehr wohl etwas herausholen. Aber natürlich gibt es viele, die das heute noch immer nicht kapieren.

Wie meinen Sie das?

Viele produzieren für den Massenmarkt, was ich nicht tue. Wir sind ein Biobetrieb und damit nur für eine bestimmte Käuferschicht relevant. Auf dem Massenmarkt konkurriert man immer nur mit jenen, die noch billiger anbieten als man selbst.

Warum ist Ihnen Bio so wichtig?

Wenn ich etwas mache, will ich weder meinen Körper gefährden noch die Umwelt zerstören. Erst vor Kurzem war ein Mexikaner bei mir. Die können ihr Wasser nicht mehr trinken, weil es vom intensiven Maisanbau verseucht ist. Ich will einfach nicht mit Chemie hantieren.

Sie waren früher eigentlich Unternehmensberater. Warum haben Sie diesen Job aufgegeben?

Weil meine Eltern, als ich Unternehmensberater war, noch nicht so weit waren, den Hof an mich zu übergeben. Und weil man wahrscheinlich zunächst andere Dinge machen muss, um nicht zu engstirnig zu werden. Ich bin nach meiner Studienzeit in Linz wieder zurück ins Mostviertel gekommen. Dann habe ich mein Hobby intensiver ausgebaut, bis ich es schließlich zum Beruf machen wollte. Mein Ziel war es, aus dem bestehenden Betrieb der Eltern etwas zu machen.

Aber wie kann man sich das vorstellen? Es hat ja niemand auf Ihre Produkte gewartet.

Für die Herstellung von Schnaps bedarf es einer Berechtigung. Ich habe immer unter dem Namen meiner Mutter gebrannt. Schon als ich Medaillen gewonnen habe, stand noch immer überall Maria Farthofer. Dann kamen die Kollegen auf mich zu und fragten, ob ich den Schnaps nicht auch verkaufen wolle. 2003 habe ich schließlich den Job als Berater an den Nagel gehängt, weil ich gesehen habe, dass es mit dem Schnaps funktioniert.

2012 ist Ihr Wodka zum weltbesten gekürt wurden worden. Was hat sich seither verändert?

Der Bekanntheitsgrad. Und wohl auch der Preis für den Wodka.

Was hat er früher gekostet?

Weniger.

Wie das?

Weil wir die Qualität laufend optimieren haben und die Flasche jetzt viel aufwendiger ist.

Die Nachfrage ist also offenbar gestiegen?

Extrem. Die Bestellungen explodierten regelrecht. Wodka und Österreich, das war ja nicht präsent. Durch den Sieg gab es ein Problem: Wir hatten zwar die Rohware, aber keine neuen bedruckten Flaschen mehr. Wir mussten den Weltmeister-Wodka in die alten Edelbrandflaschen abfüllen und haben ihn als Retro-Edition verkauft.

Wie hat der Erfolg Sie verändert?

Das weiß ich nicht. Wir geben das Geld ja nicht privat aus, sondern investieren es wieder in die Firma. Das habe ich immer so gemacht. Man muss sich halt fragen, wo man hinwill.

Und wo wollen Sie hin?

Ich hoffe, dass meine Kinder eines Tages weitermachen.

Aber die fallen dann ins gemachte Nest.

Das ist eine Angst, die besteht. Aber sie sind fleißig und engagiert. Man muss damit leben, dass es schiefgehen kann. Es kann auch bei mir schiefgehen. Der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ist schmal. Es braucht nur eine Krise, wie ein Brand, einzutreten und man hat alles umsonst gemacht.

Gibt es diese Ängste?

Durchaus. Vor zwei Jahren ist eine Halle, in der ich eingemietet war, abgebrannt. Gott sei Dank waren dort nur Dinge gelagert, die ich nicht das ganze Jahr benötige. Man kann sich natürlich versichern. Aber was hilft einem das, wenn man nichts zu verkaufen hat?

Hat sich Ihr Status verändert?

Für Urlaub haben wir wenig Zeit. Ich wünsche mir ein tolles Elektroauto. Aber das spielt es momentan noch nicht.

Welche Rolle spielt Geld bei dem, was Sie erreichen wollen?

Ich schaue nie auf meine Konten, das macht meine Frau. Einer meiner Mostbauernkollegen hat immer zu mir gesagt: Du musst schauen, dass du einen ordentlichen Haufen Mist hast. Der Umgang mit Erfolg ist aber schon eine große Herausforderung. Man darf jedoch auf keinen Fall überheblich werden. Denn sobald man die Bodenhaftung verliert, ist es vorbei.

ZUR PERSON

Josef Farthofer (*1972) studierte Wirtschaftspädagogik und wurde anschließend Unternehmensberater. Dem Beruf ging er einige Jahre lang nach, bis er 2003 schließlich seinen Job an den Nagel hängte. Farthofer hat sich zum Ziel gesetzt, sein Hobby zum Beruf zu machen. Heute widmet er sich nur noch der Veredelung von Früchten. 2012 wurde er für seine Arbeit belohnt: Farthofers Wodka wurde zum besten der Welt gekürt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015)

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