Alvaro Palacios: "Ein Weinbauer ist kein Superstar"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Alvaro Palacios ist einer der bekanntesten Winzer der Welt. Der Spanier sorgt mit dem Kultwein"L'Ermita" für Furore. Als Superstar fühlt er sich nicht. Und auch das viele Brimborium um den Wein geht ihm zusehends auf die Nerven.

Die Presse: Kann es heute in der Weinszene noch „Geheimtipps“ geben, so wie Sie einer vor mehr als 20 Jahren waren? Oder ist bereits alles entdeckt, auf Facebook gepostet?

Alvaro Palacios: Es wird diese Geheimtipps geben, solange Menschen Neues beginnen. Wir erleben in den vergangenen dreißig Jahren allerdings, dass die Dinge schneller wachsen. Dass kleine Weingüter plötzlich über Nacht weltberühmt werden können. Etwa mit den sogenannten Garagenweinen. Heute braucht es keine Tradition mehr. Überall gibt es Verrückte, die sich in den Kopf setzen, Wein zu machen, obwohl sie vorher mit Weinbau nichts am Hut hatten.

Das heißt: Es gibt immer mehr News.

In Wahrheit wissen wir immer weniger Bescheid. Ich habe gestern einen hervorragenden Barolo von einem ganz kleinen Produzenten getrunken, von dem ich zuvor noch nichts gehört hatte.

Mittlerweile gibt es auch bei den Winzern ein Kommen und Gehen.

Ja, das ist durchaus ein Problem. Ich habe damals noch sechs Jahre gewartet, bis ich mich erstmals auch an die Medien gewandt habe. Wir machen ja vor allem Weine für unsere Kunden. Und Kunden gewinnt man langsam.

Mittlerweile sind Sie der bekannteste Winzer Spaniens. Der „L'Ermita“ erzielte nicht nur 100 Parker-Punkte, sondern zählt auch zu den teuersten Weinen weltweit. Was macht einen Wein zu einem großen Wein?

Es geht im Prinzip immer um den Boden, auf dem er wächst. Erst dann kommt es natürlich auch auf den Winzer an. Am wenigsten geht es um Technologie.

Was ist ein guter Winzer?

Der muss schon ziemlich viel draufhaben. Es geht vor allem um die Fähigkeiten im Weingarten. Vor allem, wenn man wie ich biodynamisch arbeitet, muss man viel Arbeit in den Weingarten investieren. Dann geht es natürlich um die Erntezeit. Da kann man vieles falsch machen. Und das geht so weiter. Der Gärprozess – sehr heikel. Und so weiter.

Und trotzdem sind Sie oft unterwegs, verbringen wohl genauso viel Zeit im Flugzeug wie im Weingarten. Wie lang sind Sie weg?

Das beginnt nach der Ernte im November. Ab Dezember gibt es dann viele Verkostungen, das zieht sich hin bis April. Ich bin etwa ein halbes Jahr auf Reisen, vielleicht auch etwas mehr.

Wir sitzen hier im Steirereck. Hier wird im internationalen Vergleich ja noch vergleichsweise leger mit Wein und Genuss umgegangen . . .

Sie sprechen da etwas an, das mir ein wenig Sorge bereitet. Dass nämlich der Wein in einem gewissen Sinne „verdorben“ wird. Ich meine damit, dass Szenerie und Atmosphäre immer wichtiger werden. Inszenierung ist alles. Hier zum Beispiel: Für mich sind diese Gläser viel zu groß. Und wer braucht so eine riesige Karaffe zum Dekantieren?

Luxus muss man inszenieren, sonst ist es kein Luxus, oder?

Ich fürchte, wir erzeugen durch unser übertriebenes Gehabe nur noch Kälte. Und gerade der Wein ist ein sehr verwundbares Geschöpf. Ich denke gern an eine Zeit zurück, als man in Frankreich in den großen Weingütern aus ganz einfachen Gläsern getrunken hat. Wir müssen wieder ein gewisses Maß finden. Derzeit ist das nicht mehr ganz normal. Genuss sollte keinen Stress erzeugen. Das gilt übrigens auch für die Art, wie wir über Wein sprechen. Früher wurde der Wein einfach getrunken. Heute wird diskutiert, ob er in einem Eichenfass gelagert wurde, ob die Flasche mit einem Naturkorken oder einem Schraubverschluss verschlossen wurde. Aber am Ende geht es 99 Prozent der Konsumenten nur darum, den Wein zu trinken. Und um nichts anderes.

Und wie begegnen Sie dieser Entwicklung?

Ich gehe wieder einen Schritt zurück. Nehme einfachere Gläser, gehe mit mehr Lockerheit an die Sache heran. Und ich bin mir sicher, dass wir am Ende wieder bei den einfachen Dingen ankommen werden, auch bei den einfachen Gläsern und Karaffen.

Sie betreiben aktuell drei Weingüter in Spanien. Können Sie sich vorstellen, auch außerhalb Spaniens Wein zu produzieren?

Ich bin zurzeit sehr beschäftigt. Ich würde am liebsten in allen Weinregionen Spaniens Wein produzieren. Ich genieße es, mir Gedanken darüber zu machen, wo der beste Wein entstehen könnte. Und zugegeben, ich genieße es auch, diese Weine zu trinken. Es macht mir Freude, Weine zu antizipieren, wie sie sich also in zehn, 15 Jahren entwickeln werden. Aber als sogenannter Flying Winemaker durch die Welt zu tingeln, ist für mich eigentlich schwer vorstellbar. Das kann man machen, wenn man Weine der gehobenen Mittelklasse produziert. Aber wenn man pro Flasche 500 Euro verlangt, dann sollte man auch selbst im Weingarten stehen. Und um auf die Frage zurückzukommen, wie lange ich im Flugzeug sitze und unterwegs bin: Ich bin immer mit meinen Weinen unterwegs. Ich begleite sie. Denn Menschen, die solch spezielle und teure Weine genießen, die sind oft sehr intellektuell und wissbegierig. Sie wollen mehr über die Region und über die Person hinter dem Wein erfahren.

Welche Laufbahn hätten Sie eingeschlagen, wenn aus Ihnen kein Winzer geworden wäre?

Dann wäre ich bestimmt Stierkämpfer geworden.

Das ist jetzt ein Scherz?

Ein Scherz? Stierkampf ist kein Scherz, das ist kein Spiel. Das ist eine ernste Angelegenheit.

Das war also eine Art Kindheitstraum?

Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich Stierkämpfer werden möchte. Er hat darauf geantwortet: „Meine Söhne werden keine Stierkämpfer. Vergiss es!“ Also haben wir Wein gemacht.

Das ist vor allem nicht ganz so gefährlich.

Ja, aber ich liebte die Gefahr. Ich war ein bisschen verrückt, fuhr Motorrad und Motocross. Immer am Limit. Ich hab mir dabei so ziemlich jeden Knochen gebrochen – vor allem beim Motocross.

Und heute bewirtschaften Sie ihre Weingärten mit Pferden?

Mit Mulis. Das hängt mit unserer Region zusammen. Das flache Land hat mich nämlich nicht gereizt. Auch bei den Weingärten musste es extrem sein. Ich musste meine eigenen Antworten finden.

Und als Sie im Priorat an den steilsten Weinbergen anfingen, dachten alle, Sie seien verrückt geworden.

Nein. Dort in der Gegend waren sie glücklich. Damals wurde ein Weinbauer aus dem Rioja im Priorat wie ein kleiner Gott empfangen. Die konnten nicht glauben, dass der ausgerechnet bei ihnen Wein machen will.

Und heute wird ein Winzer aus dem Priorat im Rioja wie ein Messias empfangen?

Nein, so ist es auch wieder nicht.

Aber es zeigt, dass man in Spanien als Winzer ein Superstar werden kann – wie ein Fußballer.

Nein, man kann einen Winzer bei Weitem nicht mit Messi vergleichen. Wir sind keine Superstars, wir sind Bauern. Ein Bauer kann kein Superstar sein.

Aber Sie sind doch ein Geschäftsmann.

Du bist, was du bist. Und wenn du ein Bauer bist, dann bist du kein Superstar. Und in meinem Metier ist ohnehin ausschließlich der Wein der Superstar. [ Gert Kressl ]

ZUR PERSON

Alvaro Palacios ist ein spanischer Winzer. Er stammt aus einem traditionellen Familien-Weingut im Rioja. Ende der 1980er-Jahre ging er ins damals vergessene Priorat, um dort auf kargen, sehr steilen Hängen Wein anzubauen. Die Weingärten mit bis zu 100 Jahre alten Garnacha-Rebstöcken werden mit Mulis bewirtschaftet. Im Jahr 2010 erhielt der Wein „L'Ermita“ 100 Parker-Punkte. Eine Flasche kostet ab 650 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

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