Schäfer-Elmayer: "Beim Small Talk nicht über Geld reden"

Thomas Schäfer-Elmayer
Thomas Schäfer-ElmayerDie Presse (Clemens Fabry)
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Der Benimmexperte erklärt, warum er vom Industriemanager zum Tanzlehrer umgesattelt hat, sich Reiche nicht immer besser benehmen und Tischmanieren bei Bewerbungsgesprächen von Vorteil sind.

Die Presse: Unsere Serie heißt „Über Geld spricht man“. Steht dieser Satz im Einklang mit Ihren Benimmregeln?

Thomas Schäfer-Elmayer: Beim Small Talk sollte man über Geld nicht sprechen, vor allem nicht über sein eigenes Einkommen. Natürlich kann man über allgemeine Geldfragen sprechen, zum Beispiel das Budget von irgendwelchen Ländern oder die Zentralbankenpolitik. Aber das Einkommen ist in Europa kein Thema. In den USA ist es überhaupt kein Tabu.

Finden Sie es gut, dass dieses Thema bei uns ein Tabu ist?

Ich glaube, es ist nicht schlecht. Wenn jemand ein sehr viel höheres Einkommen als sein Gesprächspartner hat, kann das bei uns zu Neid und Minderwertigkeitsgefühlen führen. Wenn man das Thema überhaupt nicht berührt, sind die Leute auf der gleichen Ebene.

Warum ist es in den USA anders?

Die Amerikaner sind in vielen Dingen offener und gesprächsbereiter und freuen sich, wenn andere Erfolg haben. In den USA wartet man auch nicht lang auf dem Airport auf einen Flug, ohne mit irgendjemandem zu reden. Und die erste Frage ist: „Where are you from?“ Wenn bei uns ein wildfremder Mensch fragt: „Wo kommen Sie eigentlich her?“, wird das eher nicht zu einer weiteren Konversation führen, weil das hier schon eine intime Frage ist.

Würden Sie für mehr Offenheit plädieren?

Nein, ich glaube, dass jede Kultur ihre eigenen Regeln hat, wie man miteinander umgeht. Es muss nicht alles ein Einheitsbrei sein.

Benehmen sich Leute, die Geld haben, besser oder schlechter?

Das müsste man wissenschaftlich untersuchen. Es heißt natürlich: Macht korrumpiert. Leute mit viel Geld haben oft Macht, und das ist eine Sache, mit der man umzugehen lernen muss. Das kann dazu führen, dass sich so jemand mehr erlaubt oder rücksichtsloser ist. Ich kenne aber sehr wohlhabende Leute, die sich perfekt benehmen.

Wenn sich in einem Restaurant jemand danebenbenimmt, können Sie dann Rückschlüsse auf sein Vermögen ziehen?

Es gibt ja diesen Ausdruck „neureich“. Das sind oft Leute, die mit diesem Status noch nicht umgehen können und denen nicht bewusst ist, dass es im Leben ganz andere Werte als Geld gibt. Wenn Leute seit Generationen Geld haben, sind sie das gewohnt und tragen das nicht offensiv zur Schau. Das ist auch eine Frage der Bildung. Leute, die mehr Geld haben, sind oft auch besser ausgebildet und haben viel Erfahrung in diesen Dingen. Andererseits muss man sagen: Gutes Benehmen ist in allen Gesellschaftsschichten gefragt und von Vorteil und macht sympathisch.

Würden Sie sagen, dass Sie am besten Bescheid wissen, was Umgangsformen betrifft?

Würde ich schon annehmen. Es gibt natürlich viele Leute, die sehr gut Bescheid wissen, vor allem in diplomatischen Kreisen. Ich beschäftige mich aber pausenlos damit und werde ständig zu kniffligen Situationen befragt, etwa zur Tischordnung bei einer Hochzeit, wo die Brautmutter, die die vorvorletzte Ehefrau des Brautvaters ist, und die aktuelle Ehefrau sitzen sollen.

Sie waren lange Manager in der Industrie. Haben Sie da schon gewusst, wie man sich als Führungskraft richtig verhält?

Ich bin familiär belastet. Bei uns wurde sehr auf Benehmen geachtet. Ich glaube nicht, dass es viele Kinder gibt, die mit sechs, sieben Jahren einer Dame die Hand küssen müssen.

Wie haben Sie das erlebt?

Gern tut man das nicht. Es hat aber den Vorteil, dass man es natürlicher und authentischer kann, weil man es früh geübt hat. Viele Jugendliche wissen ja heute nicht einmal, wie das Essen in den Mund gekommen ist, weil sie nebenbei am Bildschirm etwas tun und schnell etwas hinunterschlingen. Da darf es nicht verwundern, wenn sie bei einer Bewerbung sehr verkrampft dasitzen, wenn sie auf einmal etwas essen sollen. Ich stelle niemanden ein, ohne mit ihm essen gegangen zu sein.

Sie würden also niemanden einstellen, der mit einer Dessertgabel sein Hauptgericht isst?

Wenn er sich mit der Dessertgabel am Kopf kratzt, würde mich das schon abhalten. Es geht aber mehr darum, dass man beim Essen Menschen besser kennenlernt. Man redet lockerer als in einem Bewerbungsbüro. Die Tischmanieren stehen für mich nicht so sehr im Vordergrund. Die Person, die sich bewirbt, kann aber gelassener sein, wenn sie die Tischsitten beherrscht.

Hat es Ihnen im Beruf geholfen, dass Sie früh wussten, wie man sich richtig zu benehmen hat?

Ich hoffe schon. Ich war zumindest erfolgreich.

Was wollten Sie als Manager eigentlich erreichen?

Ich habe eine Sparte für hochreine Metalle aufgebaut. Wir wollten in diesem Segment so erfolgreich sein wie kein anderer. Das haben wir geschafft, auch durch glückliche Fügung.

Warum haben Sie die Industrie nach 20 Jahren verlassen?

Wenn Sie viel in der Welt unterwegs waren, schätzen Sie die Dinge, die es hier in Wien gibt, viel mehr. Ich mag die Balltradition und diese Tanzschule. Das wäre in keiner anderen Stadt möglich: junge Burschen dazu zu bewegen, mit Krawatte und Handschuhen in einen Tanzkurs zu kommen. Bei uns machen das Hunderte jeden Tag. Die Wiener motschkern zwar über alles Mögliche, lieben aber ihre Traditionen. Viele Familien sind über Generationen bei uns.

Ist Ihre Tanzschule eher etwas für die Elite?

Wir sind allem gegenüber offen. Demnächst kommen Flüchtlinge zu uns. Ich versuche auch immer, Lehrlinge zu gewinnen. 95 Prozent der Schüler, die uns besuchen, sind aus Schulen, die mit Matura enden. Es wäre wichtig, dass sie Kontakt zu Leuten hätten, die mehr handwerklich tätig sind. Viele davon sind aber äußerst schwer zu motivieren.

Woran liegt das?

Sie gehen auch nicht in andere Tanzschulen. Das ist bei ihnen offenbar keine Familientradition.

Ist das Tanzschulgeschäft insgesamt ein wachsendes?

Es gibt überhaupt keine Marktdaten. Es gibt zwei große Tanzschulen, die gesperrt haben. Es ist bestimmt kein einfaches Geschäft. Wir haben 20 Jugendtanzkurse pro Woche. Die meisten Tanzschulen haben vor allem Erwachsenenkurse. Darum ist es für mich schwer abzuschätzen, ob der Markt wächst, stagniert oder schrumpft.

Sind Sie immer gut gebucht?

Bis jetzt schon.

Sie machen auch Benimmkurse, schreiben Bücher. Könnten Sie nur von der Tanzschule leben?

Doch. Ich könnte aber auch von den Seminaren leben. Wobei die Seminare deutlich weniger wurden, als es vor der Wirtschaftskrise 2009 waren. Ob das daran liegt, dass viel mehr Wettbewerber aufgetreten sind, weiß ich nicht. Ich bin aber nach wie vor sehr zufrieden.

War die Umgewöhnung schwer, als Sie hier angefangen haben?

Ich musste von der Pike anfangen. Ich hatte zwar schon in Köln Tanzkurse besucht und Intensivtraining gemacht, sodass ich über Goldstarniveau war, als ich hergekommen bin. Relativ spät, mit 48, habe ich die Tanzlehrerprüfung gemacht. Das war nicht einfach, weil die 20-jährigen Turniertänzer tänzerisch ein höheres Niveau hatten.

Denken Sie an den Ruhestand?

Denken muss ich daran, aber ich habe keine Lust dazu. Man könnte natürlich eine Finca auf Mallorca kaufen und sich zurückziehen, aber das hier ist eine wichtige Aufgabe, etwas unglaublich Wertvolles. [ Fabry]

ZUR PERSON

Thomas Schäfer-Elmayer (*1946) studierte Wirtschaftswissenschaften in Wien und St. Gallen. Er arbeitete zunächst für den Chemiekonzern Ciba-Geigy in Basel und Südafrika, wechselte aber später in die Metallbranche zur deutschen VIAG-Gruppe. 1987 wurde er alleiniger Geschäftsführer der berühmten Tanzschule Elmayer, weil sich sein Vater zur Ruhe setzen wollte. Der Adoptivgroßvater hatte das Unternehmen im Jahr 1919 gegründet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2016)

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