Stuntman Joe Tödtling: "Habe für 1500 Euro am Tag gebrannt"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Joe Tödtling ist groß im Geschäft. Das war nicht immer so. Acht Jahre musste der Österreicher Klinken putzen, bis er die erste Rolle bekam. Heute ist er froh über jeden Stunt, den er nicht machen muss.

Die Presse: Das Internet kennt Sie vor allem als Weltrekordhalter: Niemand brennt länger als Sie und bleibt dabei unverletzt: fünf Minuten, 41 Sekunden. Niemand hat sich je länger als lebende Fackel von einem Pferd schleifen lassen, 500 Meter. War die Konkurrenz bei diesen Weltrekorden sehr groß?

Josef Tödtling: Ich habe den Rekord von Jason Domenico, dem Stunt-Double von Tom Cruise, gebrochen. Er hat diesen Rekord nach mir erneut zu brechen versucht, er musste den Versuch aber abbrechen. Es ist nämlich nicht so einfach, wie es sich anhört.

Bringen solche Rekorde denn etwas? Werden Sie öfter gebucht?

Man wird bei den Suchanfragen über Google schnell gefunden, und dort spielt sich heutzutage alles ab. Für einen Scheich in Abu Dhabi habe ich diese Stunts für eine Liveshow gemacht. Die haben einfach „Burning man“ und „Stuntman“ gegoogelt und sind so auf mich aufmerksam geworden.

Wie viel Geld haben Sie dafür bekommen?

Die haben nicht schlecht bezahlt, 1500 Euro am Tag. Dafür musste ich fünfmal am Tag brennen. In Summe war ich zehn Tage dort. Es ist nicht so viel wie beim Film. Aber eine Gage, mit der sie und ich leben konnten.

Wenn man als Stuntman im Geschäft ist, hat man also ein gutes Einkommen?

Jein. Was heißt gut? Wenn man jeden Tag etwas zu tun hat, ist es nicht schlecht. Ein Schauspieler hat im Schnitt 60 Drehtage. Das Stunt-Double des Schauspielers hat vielleicht an fünf Tagen etwas zu tun und verdient auch nur die Hälfte. Als Grundgage gibt es etwa 600 Euro. Der Schauspieler verdient über 1000 Euro am Tag, bevor er überhaupt irgendetwas macht. Und er hat gar kein Risiko.

Angeblich gibt es Stunts auch schon um 150 Euro.

Ich bin Mitglied beim Bundesverband deutscher Stuntleute. Die setzten sich für faire Entlohnung ein. Ich mache sicher nichts für so wenig Geld, nur weil sich irgendein 16-jähriger Bursche dafür hergibt. Ich höre oft: Für 1500 Euro leere ich mir auch einen Liter Benzin drüber und zünde mich an. Da kann ich nur sagen: Ja, dann bitte mach es doch und ruf nicht mehr an. Die Leute sehen einen Stunt und denken, dass nichts passieren kann. Dass ich das aber schon 15 Jahre mache und mich dabei oft verbrannt habe, sehen sie nicht.

Haben Sie denn keine Angst, wenn Sie einen Stunt drehen?

Jein. Tage vorher denkt man schon nach und ist nervös. Direkt vor einem Stunt ist man fokussiert.

Gibt es Stunts, die Sie weniger gern machen?

Sprünge sind ab einer gewissen Höhe weniger lustig. Oder wenn man über eine Kuppel vom Dach springen muss und nicht sieht, wo der Boden und die Matten sind. Aber man muss es ja nicht machen.

Man kann also auch Nein sagen?

Natürlich. Man muss sich einen Stunt selbst zutrauen. Wenn man etwas nicht will und trotzdem macht, ist das Risiko gewaltig. Da sagt man besser Nein. Bei einer Szene für den Film „Point Break“, der jetzt ins Kino kommt, sind fünf Stuntleute verschlissen worden. Der erste hat sich den Ellbogen gebrochen, der zweite war zu langsam, der dritte wollte nicht. Erst nach 50 Motorrädern und fünf Stuntmen hat es geklappt.

Wie oft kann man einen Stunt überhaupt wiederholen? Das ist ja auch körperlich anstrengend.

Beim neuen Tatort mit Til Schweiger werde ich von einem Mähdrescher in den Häcksler geschmissen. Ich hänge natürlich an einem Seil, baumle aber nur Zentimeter über dem Häcksler. Nach dem fünften Mal hat der Stunt-Koordinator dann gesagt, wir hören auf.

Macht es Ihnen nichts, in Messerklingen zu springen?

Wenn das Seil reißt, bist du im Arsch. Aber daran darf man nicht denken.

Steigen die Gagen mit der Gefährlichkeit eines Stunts?

Zur Grundgage kommen noch Aufschläge dazu. Für den Mähdrescher-Sprung habe ich 600 Euro oder mehr bekommen. Aber das ist Verhandlungsbasis. Ich mache es ja nicht nur wegen des Spaßes, sondern auch wegen des Geldes.

Wie schwer ist es, in eine Filmproduktion zu kommen?

Es ist die größte Schwierigkeit, zu einer Arbeit zu kommen. Ich bin in den ersten acht Jahren nur nach Berlin, Dänemark, New York und Los Angeles geflogen, um mich mit Leuten auf einen Kaffee zu treffen und um mich persönlich vorzustellen. Ich habe bei allen Stuntkoordinatoren und Produzenten Klinken geputzt.

Acht Jahre lang?

Ja, das muss man einmal durchhalten. Ich habe acht Jahre lang nur investiert. Dann durfte ich einmal bei „Julia, eine Frau geht ihren Weg“ über den Gehsteig gehen. Das war mein erster Auftritt.

Wie haben Sie Ihre ganzen Reisen finanziert?

Mit Arbeit. Ich bin gelernter Rauchfangkehrer, habe als Security gearbeitet, auf dem Bau als Elektriker, als Innenausbauer, als Lokführer usw. Ich habe immer arbeiten müssen, weil ich es mir nicht leisten konnte, nichts zu tun. Ich bin auch kein Mensch, der nicht nichts tun will.

Ist es nicht frustrierend, so lang auf den ersten Auftrag zu warten?

Ich bin grundsätzlich kein depressiver Mensch. Wenn ich in Berlin war und es mir beruflich nichts gebracht hat, dachte ich trotzdem, dass es ein schöner Ausflug war.

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Jobs heute vor?

Ich bin kein Wundermensch und kann vieles eigentlich nicht, was ich tun soll. Für meinen nächsten Job wurde mir etwa gesagt, dass ich meine Trampolinfähigkeiten auffrischen soll, weil ich bei einer Granatenexplosion herumgeschleudert werde, dabei gegen einen Strommasten fliege und sterbe. Jetzt muss ich halt versuchen, so unkontrolliert wie möglich durch die Luft zu fliegen. Das filme ich ab und schicke es denen.

Ist es beim Dreh eigentlich mühsamer zu sterben oder dann lang wie tot liegen zu bleiben?

Die Kamera bleibt ja zum Glück nicht zehn Minuten auf mir drauf. Schwierig ist es, liegen zu bleiben, wenn geschossen wird. Die heißen Patronen fliegen herum und fallen einem ins Gesicht, und man darf sich tatsächlich nicht bewegen.

Was muss man als Stuntman mitbringen?

Man sollte eine gewisse Vorstellungskraft haben, körperliche Fitness und schauspielerisches Talent. Es gibt viele Leute, die super Stunts machen, aber überhaupt nicht spielen können.

Gibt es einen Stunt, den Sie gern machen würden?

Nein, ich bin froh, wenn ich keinen machen muss. Ich mach lieber Stuntkoordination oder Schauspiel.

Wie lang kann man sich als Stuntman im Geschäft halten?

Die Älteren gehen in der Regel in Richtung Stuntkoordination. Dort verdient man auch mehr.

Wann konnten Sie vom Stuntman-Sein leben?

Zehn Jahre habe ich gebraucht, wenn nicht noch länger. Es kommt immer darauf an, was man als Leben bezeichnet. Aber ich brauche schon 5000, 6000 Euro brutto.

Kränkt es Ihr Ego, dass man Sie nicht in den Filmen sieht?

Wenn man Stuntman wird, muss man wissen, dass man nicht gesehen wird. Aber darum geht es ja nicht.

Worum geht es dann?

Ums Geldverdienen. [ Clemens Fabry]

ZUR PERSON

Josef Tödtling (*1979) ist ein österreichischer Stuntman und Stuntkoordinator. Schon während der Schulzeit entdeckte er seine Liebe zur Schauspielerei. Er absolvierte eine Rauchfangkehrerlehre; beim Bundesheer machte er den Pilotenschein. In den USA besuchte er die Stuntschule von Kim Kahana, der unter anderem 30 Jahre fixes Stuntdouble von Charles Bronson war. Dessen Wissen setzt er erfolgreich um.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)

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