Bettina Fuhrmann: "Man hört nur von den schwarzen Schafen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

WU-Professorin Bettina Fuhrmann will, dass an den Schulen und Unis mehr über Unternehmertum und Entrepreneurship gelehrt wird.

Die Presse: Man hat den Eindruck, dass das Image der Unternehmer immer schlechter wird. Es sind die, die andere ausbeuten, Steuern hinterziehen, die Umwelt zerstören. Und man hat den Eindruck, dieses Bild wird vor allem auch an unseren Schulen vermittelt. Ist dieser Eindruck falsch?

Bettina Fuhrmann: Möglicherweise ist dieser Eindruck richtig. Ich weiß ja auch aus eigenen Untersuchungen, dass die Schülerinnen und Schüler kein sehr vollständiges Bild von der Wirtschaft haben. Und dieses Bild ist vor allem sehr einseitig. Bei Unternehmertum stellen sie sich in erster Linie vor, dass man das macht, weil man selbstständig sein will – selbstständig im Sinne von nicht weisungsgebunden.

Selbstständigkeit wird also nicht primär als Chance empfunden, seine Ideen zu verwirklichen?

Nein. Selbstständigkeit wird zuallererst damit assoziiert, dass man sich von niemanden mehr etwas sagen lassen muss. Das sollte natürlich nicht die primäre Motivation sein, Unternehmer zu werden.

Sondern?

Ich habe eine Idee, mit der ich ein Problem lösen kann, mit der ich die Situation von Menschen verbessern kann, mit der ich ein Bedürfnis befriedigen kann. Das sollte die Motivation sein. Und diese Idee ist in den Köpfen vieler Schüler nicht vorhanden. Und dann kann es leicht passieren, dass Unternehmertum so wahrgenommen wird, wie Sie es beschrieben haben.

Aber vielleicht liegt der Kern des Problems auch darin, dass diese Idee von Unternehmertum auch in den Köpfen der Lehrer nicht vorhanden ist?

Das ist durchaus möglich.

Ich spreche nicht explizit von Wirtschaftspädagogen. Das Bild des Unternehmers wird ja in vielen Fächern vermittelt.

Ja, und die Lehrer bekommen ihre Eindrücke von den Medien vermittelt und lesen dort fast ausschließlich von den schwarzen Schafen und selten von den Anständigen. Es wäre sicher zu begrüßen, in den Medien öfter auch über Unternehmer zu erfahren, die erfolgreich sind, ohne dabei steuerschonend im Ausland zu agieren und dabei Gesetze zu umgehen. Über jene, die sich anständig bemühen und fair wirtschaften, liest man vergleichsweise wenig.

Touché!

Natürlich spreche ich nicht explizit von der „Presse“. Aber meist lese ich in Zeitungen von Amazon und zuletzt von Ikea, aber von den vielen gut geführten Familienbetrieben hört man kaum etwas.

Trotzdem gilt Österreich nicht gerade als Geburtsort des Unternehmertums. Gerade auch unter WU-Studenten war es lange Zeit üblicher, in den Staatsdienst zu gehen, als Unternehmer zu werden.

Es kann schon sein, dass dies in der Vergangenheit so war. Mittlerweile gibt es ein Gründerzentrum an der WU Wien. Den Spirit gibt es nun also. Und dann muss man fairerweise dazusagen, dass Unternehmertum vor allem auch dann gelingt, wenn man sich in einer Branche gut auskennt. Und das heißt, dass man bereits gearbeitet und Erfahrungen gesammelt hat. Auf der grünen Wiese oder aus der Garage heraus ein Unternehmen zu gründen, das mag manchen gelingen, ist aber die absolute Ausnahme.

Mit anderen Worten: Das Studium ersetzt die Praxis nicht.

Das war früher so und gilt noch immer. Und deshalb scheitern Unternehmen heute auch an den gleichen Problemen wie vor 30 Jahren. Natürlich hat sich durch E-Commerce und Onlinehandel vieles geändert . . .

. . . aber wer Gewinn mit Umsatz verwechselt, scheitert zu jeder Zeit.

Ja, und ich weiß von meinen Gesprächen mit der Schuldnerberatung, dass vielen Gescheiterten der Unterschied zwischen Gewinn und Umsatz tatsächlich nicht ganz klar war, dass sie den Markt nicht richtig einschätzten oder dass es bei der Finanzierung haperte.

Am Freitag findet an der WU ein großer Wirtschaftsdidaktik-Kongress statt, bei dem es um Unternehmertum geht. Mich würde schon interessieren: Kann man Unternehmertum tatsächlich lehren?

Es geht einerseits darum, fundiertes Fachwissen zu vermitteln. Denn dieses Fachwissen ist Grundstein jeder wirtschaftlichen Planung. Da geht es um Fragen wie: Wie viel Geld brauche ich? Wo nehme ich die Mittel her? Kann ich diese Mittel auch zurückzahlen? Dieses Wissen kann man sich aneignen. Darüber hinaus geht es aber in der Schule auch um das Vermitteln einer gewissen Geisteshaltung: dass man sich aus seiner Komfortzone begibt, die vermeintliche Sicherheit aufgibt und sich etwas traut, mutig ist. Aber alles mit Plan und fundiertem Wissen.

Aber braucht es für diesen Mut nicht auch eine Gesellschaft, die diesen Mut nicht mit Dummheit gleichsetzt?

Ja, es wäre fein, wenn dieser Mut nicht mit Bürokratie bestraft würde.

Wenn unternehmerisches Scheitern nicht ewig als Stigma an einem haftet.

Ja, auch das, aber man muss immer dazusagen, dass Scheitern nicht lustig ist. Auch in den USA, wo die gesellschaftliche Akzeptanz höher ist, ist Scheitern sehr bitter.

Man muss also auch nicht unbedingt stolz auf sein Scheitern sein. In Österreich verkaufen sich ja dem Vernehmen nach Bücher über gescheiterte Unternehmer besser als über erfolgreiche.

Man muss sich mit dem Scheitern von vornherein auseinandersetzen. Es ist Teil des Unternehmertums.

Welcher Schultyp könnte verstärktes Augenmerk auf Unternehmertum und Entrepreneurship legen? Die Handelsakademie?

Ich bin vom Schultyp der Handelsakademie absolut überzeugt. Wer die Handelsakademie gut absolviert hat, verfügt über eine sehr gute Wissensgrundlage. Aber wie gesagt: Es braucht darüber hinaus auch branchenspezifische Erfahrung.

Und so wie die Schule nicht Kinder erziehen und soziale Probleme lösen kann, kann sie auch beim Unternehmergeist nicht das Elternhaus ersetzen?

Die Schule kann Dinge, die im Elternhaus zu kurz gekommen sind, ein Stück weit kompensieren. Jugendliche, die von zu Hause viel an Ideen, an Werthaltung, an Kultur mitbekommen, werden immer einen Vorteil haben. Wenn jemand aus einem Unternehmerhaushalt kommt, dann kann das natürlich von großem Vorteil sein. Aber ich sehe auch immer wieder Jugendliche, die das Zuhause hätten, es aber aus irgendeinem Grund nicht nutzen. Und deshalb glaube ich auch daran, dass es nicht nur das Elternhaus ist, dass man in der Schule einiges kompensieren kann, aber natürlich nicht alles.

Müsste man das Wissen in Bezug auf die Wirtschaft nicht über die Universität hinaus stärker fördern?

Ohne Zweifel. Und die WU will nicht nur den Studierenden etwas mitgeben, sondern sieht auch ihren gesellschaftlichen Auftrag darin, die ökonomische Grundbildung der Bevölkerung zu unterstützen.

Wie?

Wir wenden uns etwa an Schulen und bauen Kooperationen auf.

Vielleicht täte eine Auffrischung der ökonomischen Grundkenntnisse auch so manchem Entscheidungsträger in der Politik gut?

Unsere Türen sind für alle offen.

ZUR PERSON

Bettina Fuhrmann übernimmt am 1. März die Leitung des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien. Ihre Forschung beschäftigt sich mit ökonomischer Bildung mit Schwerpunkt „Financial Literacy“.

Kongress. Am kommenden Freitag findet im Festsaal 1 der WU der 5. Wiener Wirtschaftsdidaktik-Kongress statt. Er steht unter dem Motto „Facetten der Entrepreneurship-Erziehung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.