Ewald Tatar: "Bauchgefühl ist Teil unseres Jobs"

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Ewald Tatar hat sich in Österreich mit der Veranstaltung von Konzerten einen Namen gemacht. Der "Presse" erklärt er, warum ihm Monopolvorwürfe auf die Nerven gehen und ihm seine Unbedarftheit zum Karrieresprung verhalf.

Die Presse: Ihre Firma veranstaltet jährlich mehr als 600 Konzerte. Kennen Sie die Musik jeder Band, die auftritt?

Ewald Tatar: Man kennt die Musikrichtung einer Band sehr wohl. Das ist auch wichtig. Schließlich passt nicht jeder Künstler in jede Veranstaltungshalle. Ich habe aber nicht von jedem ein Album zu Hause.

Woher weiß man als Veranstalter, dass ein Konzert gut besucht sein wird?

Es ist Teil unseres Jobs, eine Art von Bauchgefühl dafür zu haben, ob etwas funktioniert oder nicht. Ein Anhaltspunkt aber sind die Facebook-Likes. Hat eine Band nur elf Likes, wird sich eine große Club-Show eher nicht rentieren.

Ist eine bekannte Band ein Garant für ein volles Konzert?

Es kommt immer darauf an, wo eine Band spielt. Tritt eine Band in der Stadthalle auf und heißt Metallica, ist das Konzert ausverkauft. Aber so eine Show bekommt man kaum mehr, weil die Band in so einer kleinen Halle nicht mehr spielt, da sie eine Stadionband ist. Aber eine Band mit diesem Namen hat eine gewisse Größe, mit der man planen kann.

Könnte man auch nur von kleineren Veranstaltungen leben?

Leben kann man sicher davon. Es ist aber riskanter, nur jüngere oder kleine Bands im Programm zu haben. Newcomer-Shows sind die, die am häufigsten Geld verlieren.

Wie oft darf man sich neue Künstler leisten?

Wir machen im Jahr sicher rund hundert Newcomer-Konzerte. Die sehe ich auch als unsere Zukunft. Man macht so etwas nicht, um Geld damit zu verdienen, sondern weil man hofft, dass der Künstler eines Tages zu einem dieser größeren Acts wird. Manche Bands brauchen Jahre, um so einen Status zu erreichen, andere schaffen es nie.

Bleiben einem Bands treu, wenn man sie jahrelang begleitet hat?

Treue ist in dem Geschäft etwas Relatives. Sie ist, wie vieles, vom Geld dominiert und kann schwinden.

Geht es den Künstlern denn nur ums Geld?

Wenn man als Veranstalter keine großen Fehler macht, verliert man eine Band nicht so schnell. Aber es gibt mittlerweile riesige Veranstaltungskonzerne wie Live Nation, die den Bands Komplettangebote machen. Wenn etwa eine Gruppe wie U2 ein solches Angebot bekommt, kann man als kleiner österreichischer Veranstalter nicht mit.

So klein ist Ihre Firma nun auch wieder nicht. In der Vergangenheit mussten Sie sich oft den Vorwurf gefallen lassen, den Markt zu dominieren. Nun ist mehr Konkurrenz da. Stört Sie das?

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es die Konkurrenz jetzt gibt. Dieser Monopolvorwurf ist mir wirklich auf die Nerven gegangen. Ich habe niemandem verboten, auch erfolgreich zu sein. Es hätte jeder in dieser Zeit genau dasselbe erreichen können. Wir haben aber trotz Konkurrenz nicht weniger Arbeit.

Was haben Sie denn in der Vergangenheit besser gemacht als andere?

Das Veranstaltungsgeschäft ist ein Hochrisikogeschäft. Zum Glück haben wir im vergangenen Jahrzehnt aber sehr stabil gearbeitet. Wenn man sich jedoch die Geschichte heimischer Veranstalter ansieht, dann hat es ständig Konkurse gehagelt. Was früher, in den 1980er- und 90er-Jahren, mitunter verabsäumt wurde, war, dass mancher Veranstalter das Gespür und den Kontakt zu nachfolgenden Bands verabsäumt hat. Man hat nur jene Konzerte veranstaltet, von denen man wusste, sie funktionieren, hat aber auf die Basis vergessen. Aus meiner Sicht dürfen wir daher nie hochmütig werden.

Es gibt ja mittlerweile auch ziemlich viele Gratisfestivals. Ist das ein Problem?

Die Festivals selbst sind kein Problem, es hat sie immer gegeben. Rücksicht muss man aber nehmen, wenn man einen Künstler auf ein Festival bucht, der dann zwei Wochen später ohnehin auf dem Donauinselfest spielt. Umgekehrt macht man es aber trotzdem schon auch.

Wie preissensibel ist das Publikum denn heute?

Die Besucher achten auf Ticketpreise. Wenn man es übertreibt, bekommt man seine Watschen ab, weil die Karten nicht gekauft werden. Ein eigenartiges Verhalten gibt es aber. Die ganz teuren Tickets in den besten ein, zwei Kategorien, sind immer die ersten, die ausverkauft sind. Es dauert am längsten, billige Tickets zu verkaufen.

Wie viel kann man für ein Konzert überhaupt verlangen?

Das ist eine Gefühlssache, und es geht auch um die Zielgruppe, die man anspricht. Jüngere sind eher preissensibel. Wenn etwa Rod Stewart auftritt, kommen Leute, die das Geld auch ausgeben wollen. Die Künstler wissen aber, dass der Veranstalter teurere Preise nimmt.

Wie kommt man eigentlich dazu, internationale Bands zu buchen?

Das war eine Entwicklung. Ich habe ab 1994/1995 die Programmintendanz in Wiesen gemacht. Da wächst man mit den Bands mit. 2004 kam es zu dem Punkt, als meine Bands, Metallica und die Red Hot Chili Peppers, nicht mehr nach Wiesen gepasst haben. Es war die Frage, ob ich klein weitermache oder ob ich woanders selbst ein großes Festival auf die Beine stelle. Letzteres habe ich mit dem Aerodrome auch gemacht.

Wie schwer war das?

Als ich die Entscheidung gefällt habe, war es nicht schwer. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass ich damals unbedarft an die Sache herangegangen bin, auch war ich einige Jahre jünger. Heute hätte ich das nicht mehr gemacht.

Warum?

Als ich gestartet bin, gab es Konkurrenz durch Altveranstalter und Deutsche, die in den Markt wollten. Ich habe damals ein Haus gebaut, hatte zwei kleine Kinder. Ich habe von null auf mit sehr hohem Risiko begonnen, es ging um Millionen. Da war keine Bank da, die dir einen Kredit gegeben hat. Man ist mit den Einkünften aus den Konzerten gestartet. Mein erstes Konzert in der Selbstständigkeit war Candy Dulfer in der Arena Wien. Das war gleich ein Patzenverlust. Das war der Start in die neue Karriere.

Was macht man in so einer Situation?

Nach vorn schauen und wissen, dass Konzerte kommen, bei denen es besser geht.

War es Ihr Ziel, Ihre Firma derartig auszubauen?

Nein. Ich bin nie mit dem Ziel in das Geschäft gegangen, groß, reich oder Monopolist zu werden. Ich wollte Spaß haben und konnte mein Hobby, im Gegensatz zu anderen, zum Beruf machen.

Sind Sie denn reich?

Es hat mich definitiv reicher gemacht, als wenn ich das Betriebswirtschaftsstudium fertiggemacht hätte. Insofern habe ich die richtige Entscheidung getroffen.

Was gönnen Sie sich?

Zeit mit meinen Kindern. Ich versuche trotz Flugangst, in andere Länder zu kommen. Das Leben genießen, gut Essen gehen. Man versucht, sich gewisse Dinge zu erfüllen und sich das Leben langsam einfacher zu machen.

ZUR PERSON

Ewald Tatar (*1966) stammt aus dem Burgenland. Sein BWL-Studium brach er ab und arbeitete sich in Wiesen (bekannt für seine Jazzfestivals) hoch. Mit dem Aerodrome-Festival wagte er 2004 den Schritt in die Selbstständigkeit. Seine Firma Barracuda veranstaltet Konzerte und Festivals, etwa das Nova Rock.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2016)

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