Heinz Kammerer: "Ich fühle mich erdrückt von den Dingen"

Heinz Kammerer
Heinz Kammerer(c) Wein & Co
  • Drucken

Wein-&-Co-Gründer Heinz Kammerer ist aus der Pension an die Spitze seines Unternehmens zurückgekehrt. Der "Presse" erzählte er, wie es dazu kam, und warum er nicht übertrieben am Geld hängt.

Die Presse: Sie sind seit einem Jahr wieder zurück an der Spitze von Wein & Co. Zuvor haben Sie sich bereits in die Pension verabschiedet. Haben Sie den Rückzug vom Rückzug schon bereut?

Heinz Kammerer: Nein, es gibt viel zu tun. Bei meinem Rückzug war ich 65 Jahre alt, bin meine fünfte und sicherlich letzte Ehe eingegangen. Darauf wollte ich mich konzentrieren. Ich wollte mir nicht dauernd irgendeine List ausdenken, damit möglichst viele Kunden irgendetwas kaufen. Also bin ich weg und habe mir einen Geschäftsführer gesucht, der nicht allzu viel von Wein versteht. Denn Weinexperten haben wir genug.

Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Ich bin viel gereist und habe nie aufgehört, Produkt-Scouting zu machen. Ich bin ja selbst gern Konsument. Mit der Zeit habe ich mich dann immer mehr bei Wein & Co reinreklamiert und versucht, beim Sortiment Neuerungen zu bringen. Aber wenn der Apparat nicht gut arbeitet, geht das nicht.

Deshalb sind Sie zurückgekehrt?

Es hat sich in der kurzen Zeit, in der ich weg war, alles verändert. Dem wurde von der vorherigen Geschäftsführung nicht ausreichend Rechnung getragen. Außerdem haben sich geschützte Werkstätten gebildet. Deshalb habe ich einigen Mitarbeitern gesagt, sie sind gescheit und tüchtig und sollen sich etwas Neues suchen.

Was machen Sie anders?

Wir werden raus aus Einkaufszentren gehen. Die sind zu teuer, und unsere besten Kunden gehen dort nicht hin. Unsere Filiale am Stephansplatz wird restauriert. Parallel werden wir volles Rohr in den Internethandel hineingehen. Unsere allerbesten Kunden kaufen dort schon zu 25 Prozent ein.

Wie gut kennen sich Ihre Kunden mit Wein aus?

Das ist unterschiedlich. Es gibt Kunden, die haben keine Zeit, wollen aber auch nicht irgendeinen Schmarren kaufen. Dann haben wir die, die sich mehr interessieren, und es gibt eine kleine Gruppe von Freaks, die wissen oft mehr als wir.

Gibt es bei Wein nicht einen Trend, viel zu zahlen? Früher hat man nur Doppler gekauft.

Ja, das Angebot ist hochwertiger geworden. Aber die Konkurrenz ist groß und die Transparenz durch das Internet breit. Früher hat man nur den Doppler gekauft oder ist einmal im Jahr zum Winzer gefahren und hat den Kofferraum mit einem Wein vollgeladen, den man das ganze Jahr getrunken hat. Heute trinkt man mal das und mal das.

Was geben Ihre Kunden im Schnitt für eine Flasche Wein aus?

Zwischen 15 und 17 Euro.

Und wie ist da die Spreizung?

15-Euro-Weine verkaufen wir selten. Es kommt wie überall zu einem Verlust der Mitte. Zwischen fünf und zehn Euro gibt es tolle Weine. Man muss bedenken, dass keine Flasche in der Herstellung mehr als 25 Euro kostet. Eigentlich dürfte der teuerste Wein nicht über 50 Euro kosten. Es aber gibt Weine um 100, 200, 1500 Euro pro Flasche. Diese Preissprünge sind mit rationalen Argumenten aber nicht mehr begründbar. Ihnen würde Ihr Lieblingswein wahrscheinlich besser schmecken als eine Flasche Pétrus für 1500 Euro.

Wie oft verkaufen Sie sehr teure Weine?

Der Pétrus ist immer schnell ausverkauft. Das Weingut produziert 50.000 Flaschen, und wir bekommen 250. Aber nicht wir verdienen das Geld, sondern der Winzer.

Wer kauft das?

Das kaufen Leute, die den Weinpäpsten glauben, das nötige Geld haben und daher das Beste und Teuerste wollen. Bezeichnenderweise sind das nicht nur Österreicher, oft ist es diese kleine Schicht an schnell reich Gewordenen im Osten. Aber solche Weine muss man lang liegen lassen, sonst hat man nur Tannin im Mund. Sie haben doch sicher auch etwas, wofür Sie viel Geld ausgeben. Es gibt ja auch keinen Grund, für ein Bild 100.000 Euro zu zahlen, das Picasso vielleicht in einer Viertelstunde hingefetzt hat. Da geht es auch um Spekulation, denn so wie in der Kunst steigen auch beim Wein die teuersten am meisten.

Was ist Ihr Faible? Die Kunst?

Ich fühle mich ein bisschen erdrückt von den Dingen. Ich habe von all dem zu viel. Es reichert sich mit der Zeit so viel an. Ich schmeiße ja nichts weg. Wir haben einen so konsumorientierten Wohlstand – wenn all das nicht gekauft wird, was produziert wird, dann bricht das Ganze zusammen. Nur gut verbrachte Zeit lässt sich nicht kaufen, da kann guter Wein nützlich sein.

Sie sind schon sehr jung relativ vermögend gewesen. War es Ihnen wichtig, einen gewissen Wohlstand zu erreichen?

Ich komme aus einfachen Verhältnissen und war so gepolt, dass ich etwas machen muss. Denn es war sicher, dass ich nichts erben werde. Meine Eltern haben gut gelebt, aber es ist nie etwas übrig geblieben. Mein Vater hatte eine kleine Firma für Bastlerzubehör, am Schluss ist er bankrott gegangen und hat dann bei mir bei Ikera, einer Firma für Fliesen und Sanitär, gearbeitet. Ich bin nach dem Studium nach England und habe dort für die Firma Eybl Teppiche verkauft. Dann wertete das Pfund ab, und man gab mir dafür die Schuld. Da habe ich gesehen, dass ich kein Angestellter sein will. Also habe ich eine Agentur gegründet und englische Teppiche in Österreich verkauft. Ich hatte sofort riesige Kunden wie Kika/Leiner, Inku.

Hätten Sie sich gedacht, dass Sie damit durchschlagenden Erfolg haben?

Ja. Ich glaube immer, dass alles, was ich mache, einen durchschlagenden Erfolg hat. Das war ein Hype, der nach zwei Jahren vorbei war. Dann habe ich gemerkt, eine Agentur ist auch nicht gut, denn da ist man abhängig von den Firmen, die man vertritt. Also habe ich Ikera gegründet.

Damals haben Sie mehr Geld verdient als Ihre gleichaltrigen Freunde. Wie war das?

Ich habe es ja nicht gehabt, ich habe es ausgegeben. Ich hatte eine Spielerleidenschaft, habe mich aber im Casino sperren lassen, weil ich gesehen habe, dass das gefährlich ist. Ich dachte, ich kann mir etwas ausrechnen. Das war natürlich ein Schwachsinn. Ich lebe aber auch gern schön. Ich habe Geld für Reisen, für Autos und für meine Familie ausgegeben. Ich hänge nicht so übertrieben am Geld. Ich vertraue darauf, nicht in Existenzprobleme zu geraten, weil ich immer wieder etwas machen kann.

Haben Sie sich nichts auf die Seite gelegt?

Nein, bis heute nicht. Die Kunstsammlung ist schon etwas wert. Aber das war ein Prozess, der über Jahre ging. Außerdem waren die Künstler alles Freunde, die ich unterstützt habe. Ich könnte davon leben, jedes Jahr ein paar Bilder zu verkaufen. Als wir 1993 Wein & Co gegründet haben, haben wir 690 Schilling für eine Flasche Mouton Rothschild 1986 bezahlt. Heute kostet die Flasche 1200 Euro. Das Geld wird abgeschafft, und das spielt uns ein bisschen in die Hände. Denn die Leute werden genussfreudiger, weil sie sagen, es hat eh keinen Sinn zu sparen. Ich könnte mir mein Haus heute nicht mehr kaufen. Damals, vor 30 Jahren, hat es fünf, sechs Millionen Schilling gekostet. Das war damals viel Geld, heute kriegt man dafür nur mehr eine Garçonnière.

Wie lang wollen Sie noch an Bord bleiben?

Bis ich umfalle. Aber meine Frau und meine Kinder können das wirklich weitermachen. Wenn einer kommt und mir 50 Millionen gibt, dann bitte – soll er es haben. Aber proaktiv mache ich nichts. Es kauft niemand so leicht. Es ist ein sehr schwieriges Geschäft. [ Novotny ]

ZUR PERSON

Heinz Kammerer (*1948) studierte Welthandel und machte sich mit dem Import von englischen Teppichen selbstständig. Später gründete er das Sanitär- und Fliesenunternehmen Ikera, das er schließlich verkaufte. 1993 eröffnete er die Handelskette Wein & Co, an deren Spitze er bis 2012 stand. Weil ihn das Geschäftsleben „langweilte“, zog er sich aus dem operativen Geschäft zurück. Vor einem Jahr machte er seine Entscheidung wieder rückgängig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.