Proschofsky: "Mehr über Marx gelernt als über die Börse"

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Investor Alexander Proschofsky kritisiert die inadäquate Wirtschaftsausbildung in Österreich und erzählt vom Reiz des Investierens, warum er Aktien meist länger als drei Jahre behält und wie er zu seinem Ruf als Börsenrebell kam.

Die Presse: Laut Ihrem Lebenslauf haben Sie 30 Jahre Kapitalmarkterfahrung. Sie haben also schon als Teenager angefangen?

Alexander Proschofsky: Ja, mit 16. Wir hatten in der Handelsakademie ein Börsenspiel: Wir haben von einer Raiffeisenbank Geld bekommen, 15.000 Schilling für zwei Jahre. Die haben gesagt, der Gewinn gehört uns, den Verlust würden sie tragen. Das hat absurderweise in meiner Klasse keinen interessiert außer mich. Ich begann, mich mit Aktien zu beschäftigen und mir im Selbststudium Kenntnisse anzueignen. Anders als heute erhielt man damals die heißesten Informationen in der Früh aus der Zeitung. Die Begeisterung hat mich bis heute nicht losgelassen.

Haben Sie damals gewonnen?

Wir haben den Einsatz fast verdoppelt. Es war aber keine so schlechte Zeit an der Börse. Wenn ich zurückdenke, wie ich damals Entscheidungen getroffen habe – das war abenteuerlicher als heute.

Unabhängig von diesem Börsenspiel – wann haben Sie Ihre erste Aktie gekauft?

Gleichzeitig. Meine erste Aktie war die Leykam-Mürztaler. Dann kam Lenzing – bei der ich heute noch Aktionär bin, nicht durchgehend, aber auch schon wieder über zehn Jahre. Und die Strabag, das war der Ableger der deutschen Strabag. Es waren überschaubare Beträge.

Woher hatten Sie das Geld?

Ich bin in einer normalen Familie aufgewachsen. Wir waren nicht arm, aber es ist nicht so, dass ich mit fünf Zinshäusern aufgewachsen wäre. Ich habe neben dem Studium immer gearbeitet, habe auch für Zeitungen und Zeitschriften geschrieben, seit 1989 habe ich am Börsenbrief mitgeschrieben.

Was reizt Sie so an der Börse?

Das ist ein eiskalter Spiegel. Da bringt es einem nichts, sich im Nachhinein zu sagen, dass man eigentlich eh eine gute Meinung gehabt hat, aber leider ist das Projekt aus externen Gründen gescheitert. Hier zeigt sich bald, ob man recht haben will oder ob man sich weiterentwickeln und Geld verdienen will. Dieser permanente Spiegel war für mich am lehrreichsten.

Sie haben eine Zeit erwischt, in der es wirklich gut gelaufen ist.

Ich habe 1986 angefangen und im Oktober 1987 den Börsenkrach miterlebt. Dennoch hatte ich das Portfolio bis 1988/89 wieder oben. Dann gab es nochmals eine richtig gute Zeit. Die 1990er-Jahre waren okay, aber die richtig gute Zeit hatte die Wiener Börse von 2000 bis 2007.

Sie investieren sehr österreichlastig. Aus Patriotismus?

Ich kenne die Rahmenbedingungen hier besser. Wenn ich etwas von der Firma X höre, weiß ich bereits, das sind die, die sich tendenziell überschätzen. So kann man Informationen anders einschätzen.

Haben Sie auch ausländische Papiere?

Immer wieder.

Wie lange halten Sie Aktien?

Ich bin ein langfristiger Investor und kein Rein-raus-Spekulant. Im Schnitt halte ich Aktien sicher länger als drei Jahre. In der Conwert bin ich schon lange Aktionär, meine Firma Cube Invest ist seit 2013 Aktionär, und das Projekt ist noch nicht abgeschlossen.

In Österreich herrscht eine gewisse Kapitalmarktfeindlichkeit. Aktionäre werden oft Spekulanten genannt. Warum ist das so?

Es gab nie eine Börsenkultur. Dazu kommt, dass es keine wirklich adäquate Ausbildung im Wirtschaftsbereich gibt. Selbst an der Universität – zumindest zu meiner Zeit – gab es nur drei, vier Seminare von tausend, die am Rande mit der Börse zu tun hatten. Ich habe sicher 20-mal mehr über Marx gehört als über die Börse. Österreich beschäftigt sich auch lieber mit dem Verteilen vor dem Verdienen.

Ärgern Sie sich, wenn behauptet wird, dass Investoren arbeitsloses Einkommen beziehen?

Nein, aber es tut mir leid für den Standort. Wenn wir an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, dann trifft das die Unternehmen. Wenn Menschen in politischen Top-Positionen ernsthaft behaupten, dass Verluste in Schweizer Franken keine sind, weil man sie noch nicht realisiert hat, tut mir das schon weh. Da ärgere ich mich als Bürger, wenn die Grundgesetze der Logik derartig missachtet werden.

Es gab aber auch ein paar Flops mit Aktien, die die Unternehmen selbst verschuldet haben, etwa bei der Immofinanz. Hat das nicht dazu beigetragen, dass viele Menschen sagen: Hände weg?

Die Art, wie man Immobilienaktien vertrieben hat – mit Ansparplänen –, das konnte nicht gut gehen. Dazu trugen auch die handelnden Personen bei. Diese haben das Maß verloren. Das hat der Börse nicht gutgetan, weil es das erste Mal war, dass Aktien breiter gestreut im Publikum waren. Dazu kam, dass man solche Produkte reihenweise in Tilgungsträgerprodukte gesteckt hat. Man hat Leuten, die einen Kredit wollten, eine Anlage verkauft. Das hat das Vertrauen bei Kleinanlegern sicher nicht erhöht.

Sie investieren viel in Firmen, die Schwierigkeiten haben . . .

Nicht nur. Ich bin schon lange bei Lenzing investiert – das sind mir die liebsten Unternehmen, da muss ich nichts tun. Aber es gibt auch Unternehmen wie die Conwert, bei denen die Assets gepasst haben, aber nicht die handelnden Personen und die Corporate Governance. Ich dachte, wenn man es schafft, das Thema Corporate Governance zu erledigen, dann gibt es keinen Grund, warum sich die Aktie nicht dem Net Asset Value (inneren Wert, Anm.) nähern sollte. Sonst bin ich aber vorsichtig mit Firmen, die strukturell schlecht dastehen.

Sie gelten als Börsenrebell. Hängt das mit Ihrem Ruf zusammen, sich nicht alles gefallen zu lassen? Oder war es Ihre Frisur?

Ich war zu einer Zeit kritisch und deutlich, als das noch nicht so üblich war. Den Namen Börsenrebell habe ich bei der Meinl-Geschichte bekommen. Das war natürlich perfekt: auf der einen Seite Julius Meinl. Und auf der anderen Seite stehe ich in Dreadlocks da und will ihm etwas wegnehmen. Dass das so einen Wirbel auslösen wird, habe ich aber massiv unterschätzt.

Wenn junge Leute Ihnen nacheifern wollen: Welche Voraussetzungen brauchen sie?

Wichtig sind eine klare Linie und kritisches Denken. Eine Ausbildung in die Richtung schadet nicht, aber davon, was ich an der Uni zu Aktien und Börse gelernt habe, kann ich bis heute recht wenig brauchen. Um die eigene Erfahrung kommt man nicht herum.

Wollten Sie als Kind schon Investor werden?

Keine Ahnung, ich wollte irgendetwas mit Wirtschaft machen, deswegen bin ich ja auf die HAK gegangen. Eine Englischlehrerin hat gesagt, ich wäre ein sehr guter Unternehmer. Das konnte ich damals nicht einschätzen. Aber mit 16 war es dann ziemlich klar, dass ich etwas im Bereich Börse machen will.

Was war Ihr Traumberuf?

Die Dinge, die ich mache, sind mein Traumberuf. Mittlerweile kann ich auch die Intensität ein wenig steuern. Es geht nicht die Welt unter, wenn ich einmal auf Urlaub fahre. Die Zeiten, als ich noch um 23.59 Uhr aufgestanden bin, um mir den Wechselkurs anzuschauen, habe ich auch schon hinter mir. Dass ich auch unter der Woche Zeit mit meiner Patchworkfamilie verbringen kann, das ist eigentlich der größte Luxus.

Sie reisen viel?

Ja, das ist eines meiner größten Anliegen, dass meine Kinder merken, dass die Welt groß ist und dass es unterschiedliche Kulturen gibt. Ich reise selbst für mein Leben gern. Das Gute ist, dass ich 60 Prozent meiner Arbeit praktisch ident auch in Kanada oder Australien machen kann. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Alexander Proschofsky hat sich schon während der Schulzeit mit Aktien beschäftigt. Er hat in Wien Wirtschaft studiert. Seine Firma, über die er Beteiligungen hält, ist die Cube Invest. Der 46-Jährige sieht sich als langfristiger, aktiver Investor mit Fokus auf Österreichs Kapitalmarkt. Bekannt wurde er als Börsenrebell, als er in der Causa Meinl den Widerstand empörter Anleger organisierte. Seit Kurzem ist er Aufsichtsratspräsident der Conwert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.