Nadja Maleh: "Humor war immer ein männlicher Wert"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kabarettistin Nadja Maleh erzählt, wie teuer die Produktion eines Programms ist, warum Künstler in den Augen vieler nichts "hackeln", Frauen nicht so gern polarisieren und man besser in sich selbst investiert als in Luxusgüter.

Die Presse: In Ihren Kabaretts geht es selten um Geld. Interessiert Sie das Thema nicht?

Nadja Maleh: Ich glaube, es gibt niemanden auf der Welt, den das Thema nicht interessiert. Ich habe es nur noch nicht zum Zentrum eines Stücks gemacht, weil es für mich persönlich Gott sei Dank seit Jahren kein aufreibendes Thema mehr ist. Ich suche Themen, die mich aufreiben. „Placebo“ habe ich gemacht, weil auch ich meine Wehwehchen habe und nach etwas suche, was mir hilft.

Sie hatten nie Geldsorgen?

Doch, ich hatte große Geldsorgen. Ich bin mit einem unglaublich großen Minus ins erste Programm gegangen. Davor hatte ich einen Autounfall, war schwer verletzt, konnte lang nicht arbeiten. Dann habe ich alles auf eine Karte gesetzt, bin ein großes finanzielles Risiko eingegangen. Jeder, der künstlerisch arbeitet, weiß, dass man viel investieren muss, damit so ein Stück steht.

Wofür?

Regie, Musiker, Drucksorten. Die Produktion eines Stücks ist unglaublich teuer.

Das heißt, man wird nicht von einer Bühne engagiert?

Nein, man muss alles selbst machen. Du kommst mit dem fertigen Produkt und bewirbst dich. Und dann gibt es unterschiedliche Konditionen je nach Bühne. Entweder man bekommt ein Fixum oder einen Teil der Einnahmen. Aber um Werbemittel, Homepage etc. muss man sich selbst kümmern.

Bekommt man als Kabarettist irgendeine Kulturförderung?

Nichts. Kabarett wird nicht als Kultur gesehen.

Gab es Investoren oder Mäzene?

Ich habe nie das Glück gehabt, hätte es aber immer toll gefunden. Es wäre für viele am Anfang viel leichter, wenn sie eine Starthilfe hätten. Andererseits gibt es das Phänomen, wenn du dir selbst etwas erarbeitet hast, dass es dann auch eine innere Stütze ist. Ich bin nie durch Protektion irgendwo reingekommen. Leider und Gott sei Dank.

Und das erste Soloprogramm hat sich sofort gerechnet?

Nach einem Jahr habe ich gewusst, das kann sich alles ausgehen, ich kann an ein zweites Programm denken. Das erste Programm habe ich drei Jahre lang gespielt.

Was hätten Sie gemacht, wenn es nicht funktioniert hätte?

Ich habe mir das gar nicht ausgemalt.

Sie haben nicht gleich mit einem Soloprogramm gestartet . . .

Ich habe mit 24, 25 ein Kabarettduo gegründet, weil ich mir gedacht habe: Jetzt sitze ich zu Hause und bin arbeitslos, das ist nicht so wahnsinnig sinnvoll. Ich habe aus unerfindlichen Gründen den Mut gefunden, dass ich selbst etwas mache. Und es hat sofort funktioniert. Aber ich habe lang gebraucht, um mir ein Solo zuzutrauen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, dass Frauen länger an sich zweifeln als Männer, aber ich habe Jahre gebraucht, um mir zuzutrauen, allein auf der Bühne zu stehen.

Wovor hatten Sie Angst? Dass die Leute bei Ihnen nicht lachen?

Ich habe mich gefragt: Wie soll das funktionieren, was sind meine Themen – am Anfang hat man ja seinen Stil noch nicht. Ich habe das im Laufe meines Lebens herausfinden müssen, dass es diese Figuren sind. Wie schreibe ich überhaupt, was mache ich auf der Bühne? Ich hatte ja nicht so viele Frauenvorbilder. Da denkt man sich: aha, lauter Männer. Geht das, dass die kleine Nadja da etwas Eigenes macht? Aber ich bin meiner Intuition gefolgt.

Warum, glauben Sie, sind so wenige Frauen im Kabarett?

Ich glaube, dass Frauen sich nie über Humor definiert haben. Klassische weibliche Werte sind Schönheit, Verständnis, Mitgefühl. Humor war immer ein männlicher Wert. Dann hat Kabarett mit Polarisieren zu tun, und das ist etwas, was Mädchen nicht beigebracht wird. Eine Komikerin passt in viele Schablonen nicht hinein. Ich kann mir nur wünschen, dass viele Frauen den Mut finden, ihre Schablone zu verlassen. Aber man muss auch mit viel Gegenwind rechnen. Wenn man Ecken und Kanten hat, dann stößt man an, das ist halt so.

Haben Sie den Gegenwind auch innerhalb der Branche verspürt?

Eigentlich nicht. Innerhalb der Branche erfahre ich viel Rückendeckung, auch von männlichen Kollegen. Aber ich muss dazu sagen, ich bin ein gutgläubiger Mensch. Ich brauche relativ lang, bis ich Intrigen erkenne. Ich sehe überall Rosenrot, Sternenstaub und Einhörner.

Weil Sie gesagt haben, Sie gehen ein bisschen blauäugig durch das Leben: Hilft einem das eigentlich im Umgang mit Geld, oder schadet es?

Ich muss sagen, ich bin nie verbissen an Geld gehangen. Auch wenn ich wenig hatte, war ich zufrieden damit. Ich bin keine Luxus-Bitch, das macht das Leben leichter.

Aber zwischen Luxus-Bitch und Schulden . . .

. . . ist ein Graben, das stimmt. Ich habe immer ein Grundvertrauen gehabt, dass mich das, was ich der Welt zu geben habe, ernähren wird. Ich habe immer an mir gearbeitet, habe immer in mich investiert, in Ausbildung, in Weiterlernen, in Gesundheit.

Das ist auch eine Form von Altersvorsorge?

Ich bin meine Altersvorsorge. Sorge ich dafür, dass ich genug zu geben habe, was die Welt braucht, dann gibt mir die Welt etwas zurück. Wenn man über Geben und Nehmen spricht, kann man über ganz andere Dinge reden als nur über Geld.

Wird Geld überbewertet?

Ja. Man muss nur die Zeitung aufschlagen, den Fernseher aufdrehen, mit Leuten reden. Das Thema Geld ist total überladen. Wenn man keines hat, wird man sagen, die Alte hat leicht reden. Ich verstehe das auch. Würde ich da feststecken, würde ich mich verarscht fühlen von einer Nadja Maleh, die Kabarett macht, von dem viele denken: Das ist ja kein Job, die hackeln ja nichts. Das ist eine Wahrnehmung, dass künstlerische Arbeit keine Hacke ist, weil wir nicht am Fließband stehen und Schwielen an den Händen haben. Da möchte ich aber ganz vehement dagegenhalten, dass es eine sehr intensive und für die Gesellschaft wertvolle Arbeit ist.

Wie lang arbeiten Sie an einem Programm?

Ich habe immer mein Notizbuch dabei, weil ich viel Material für ein Programm brauche. Konkret zu schreiben beginne ich ein Jahr davor, und das halbe Jahr vor der Premiere arbeite ich wirklich intensiv.

Haben Sie das je schon einmal in Stundenlohn umgerechnet?

Nein, das kann man nicht, das wäre erschreckend. Die Arbeitszeit ist ja Teil meines Lebenszeit. Ich belohne mich selbst mit einem Job, den ich liebe. Das ist ein Luxus und sollte ein selbstverständliches Grundrecht sein, dass jeder etwas macht, was ihn wirklich erfüllt.

Können Sie sich alle Ihre materiellen Wünsche erfüllen?

Nein, ich hätte gern einen Helikopter, dann wäre ich schneller bei der Arbeit. Ich kann sie mir aber so erfüllen, dass ich zufrieden bin. Ich lege zum Beispiel Wert auf Qualität beim Essen. Man muss schon genug Kohle haben, um umwelt- und gesundheitsbewusst zu leben, im Bioladen einzukaufen, sich einen privaten Arzt zu leisten. Ich kann das, und ich kann schön wohnen, auf Urlaub fahren, spenden.

Wofür spenden Sie?

Ich habe zwei Patenkinder in Indien über die Organisation Zuki. Ich spende für Ärzte ohne Grenzen, für die Flüchtlingshilfe und kaufe den „Augustin“. Ich werfe auf der Straße immer wieder ein paar Münzen wo hinein. Wann immer ich kann, versuche ich, mein Glück – auch in Form von Geld – zu teilen.

ZUR PERSON

Nadja Maleh ist Kabarettistin, Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin und lebt in Wien. Sie wurde 1972 als Tochter eines Syrers und einer Tirolerin geboren. Von 1990 bis 1994 absolvierte sie eine Schauspielausbildung bei Michael Mohapp in der Theaterschule Games am Graumanntheater in Wien. Ihr erstes Soloprogramm „Flugangsthasen“ startete sie 2007. Ihr aktuelles Programm „Placebo“ läuft derzeit an mehreren Bühnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

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