DiTech-Gründer: „Letztlich schaffen Unternehmer die Jobs“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Izdebski sprach mit der „Presse“ über das Scheitern, finanzielle Sorgen und zerbrechende Freundschaften, das Vertrauen von Investoren und den Neid auf Unternehmer.

Die Presse: Sie haben im Vorjahr die Firma Techbold gegründet. Man assoziiert Sie aber vor allem mit dem Elektronikhändler DiTech, der pleitegegangen ist. Wird sich das je ändern?

Damian Izdebski: Ich glaube schon. Natürlich war DiTech sehr bekannt und auf dem Markt über 15 Jahre stark präsent. Es ist Teil meines Lebens, und ich will es auch gar nicht wegradieren. Das Ende der Geschichte war nicht so, wie man sich das gewünscht hätte. Was sich nie ändern wird: Ich bleibe der Gründer von DiTech und der Erfinder von diesem Konzept.

Haben Sie das Konzept in die neue Firma mitgenommen?

Nein, DiTech war ein Handelsunternehmen, Techbold ist ein Dienstleistungsunternehmen: Wir reparieren Hardware, konfigurieren Wunsch-PCs für Kunden, die ein bisschen höhere Ansprüche an ihre Geräte stellen. Und wir bieten IT-Dienstleistungen für Klein- und Mittelunternehmen an.

Sie haben namhafte Investoren wie Michael Altrichter, Hansi Hansmann und Stefan Kalteis gefunden. War das beim zweiten Unternehmen leichter, weil Sie ja schon einen Namen hatten?

Na ja, ob nach der Insolvenz der Name so positiv behaftet war, sei dahingestellt. Die Investoren sind mit einem Vertrauensvorschuss an mich herangetreten und haben gesagt: „Damian, egal, was du machst, ich trau dir das zu und wäre gern dabei.“ Ich glaube, da denken sie so wie die meisten im Silicon Valley, dass Unternehmer, die die volle Achterbahn des Unternehmertums erlebt haben, viel mehr Expertise mitbringen. Es gibt Investoren in Nordamerika, die nicht in Unternehmer investieren, die nur erfolgreich waren. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Vertrauen genießen darf, und will es nicht enttäuschen.

Sie sind offen mit dem Thema Scheitern umgegangen, haben ein Buch („Meine besten Fehler“) geschrieben. Warum ist das in Österreich so ein Tabu?

Das finde ich sehr schade. Ich persönlich kann sagen, dass ich extrem viel gelernt habe in dieser Zeit. Diese Erfahrung wollte ich in Form des Buches weitergeben. Grundsätzlich sind Erfolgsgeschichten sehr motivierend, aber aus den Geschichten über das Scheitern können wir etwas lernen.

Was haben Sie gelernt?

Fachlich waren es operative Themen: Gespräche mit Kreditversicherern und Banken, die Insolvenzabwicklung. Diese Themen kommen einfach auf einen zu, und man muss das unter Zeitdruck, finanziellem und in unserem Fall auch medialem Druck in kürzester Zeit abwickeln. Die intensivere Lektion war die über Menschen, Freundschaften, Loyalität.

Inwiefern?

In keinem Seminar kann man lernen, wie man damit umgeht, wenn man jemanden anruft, den man jahrelang kennt, und der sieht deinen Namen am Display und hebt nicht ab. Du schickst ein SMS, und der antwortet nicht. Zwei Tage später rufst du mit unterdrückter Nummer an, und er tut so, als ob du nie angerufen hättest. All das – die Firma ist weg, der Job ist weg, die Ersparnisse sind weg, viele Menschen wenden sich von einem ab – zieht einen schon nach unten. Hinzu kommt: Das ist eine Phase, in der man nichts zu tun hat. Das klingt nach einem Luxusproblem. Aber wenn man jahrelang ein durchgetaktetes Leben gehabt hat, von der Früh bis zum Abend, und dann hat man plötzlich keinen Grund mehr, in der Früh aufzustehen – da hat man viel Zeit nachzudenken. Ich habe nur über das Negative nachgedacht. Ich war dann ein paar Monate in den USA, und das war wie eine Therapie.

Hatten Sie Existenzängste?

Natürlich. Es ist ja nicht so, dass eine GmbH vor finanziellen Folgen schützt. Und es haben nicht nur meine Frau und ich dort gearbeitet, sondern auch meine beiden Brüder und unsere Eltern. Die stehen plötzlich alle ohne Job da, und es bleiben jede Menge Schulden.

Sie haben persönlich gehaftet?

Ja, erstens war unser gesamtes Vermögen als Sicherheit für Firmenkredite verpfändet und hat sich aufgelöst, und dann sind Haftungen schlagend geworden, an denen ich bis heute noch arbeite.

Haben Sie sich nicht gedacht, ich suche mir jetzt einen Angestelltenjob und lasse das Unternehmersein ein für alle Mal bleiben?

Ich habe das kurz überlegt und in den USA ein Jobangebot angenommen. Am vierten Tag habe ich meinen Angestelltenjob wieder gekündigt. Wenn man sein Leben lang als Selbstständiger seine Ideen verwirklichen durfte, tut man sich schwer, das anders zu machen.

Haben Sie keine Angst, dass Sie wieder scheitern könnten?

Die Angst habe ich immer. Wenn ein Unternehmer behauptet, er hat diese Angst nicht, dann lügt er. Die Ereignisse haben mich natürlich verändert: Die Risikoaffinität sinkt, man ist überlegter und vielleicht ein bisschen scheuer – was den Vorteil hat, dass man den einen oder anderen Fehler nicht macht, aber den Nachteil, dass man gewisse Chancen nicht ergreift. Das gehört aber dazu. Wir sind die Summe unserer Erfahrungen, und alles, was wir erlebt haben, hat Einfluss auf die Entscheidungen, die wir treffen. Dementsprechend ist es logisch, dass sich mein Entscheidungsprozess verändert hat – hoffentlich zum Guten.

Sie sind im kommunistischen Polen aufgewachsen. Hat es da einen anderen Zugang zu Geld und Unternehmertum gegeben?

Natürlich, das kommunistische System hat Unternehmertum in keinerlei Form unterstützt. Es wurde geduldet in einem ganz kleinen Ausmaß. Aber im Prinzip herrschte die Einstellung, alle sind gleich. Und wer versucht hat, sich etwas zu erarbeiten und über die anderen hinauszuschauen, wurde gestutzt. Nichtsdestoweniger hat mein Vater es geschafft, in den Siebziger- und Achtzigerjahren unternehmerisch tätig zu sein mit verschiedenen Geschäftsmodellen: Obst- und Gemüsehandel, Taxiunternehmen, Blumengeschäft, Elektrohandel. Am Küchentisch wurde ständig über Kunden, Lieferanten, Geld gesprochen. Das war sicher prägend.

Geht man in Polen anders um mit dem Thema Scheitern?

Nicht wirklich. Da haben Polen, Österreich und die meisten anderen europäischen Länder viel gemeinsam. Die Amerikaner sind da ganz anders. Sie werden in Österreich keinen Unternehmer finden, der sagt: „Das letzte Quartal war ein Wahnsinn, super Zahlen, super Entwicklung, die Kunden bestellen wie die Wahnsinnigen, wir haben alle Pläne übertroffen, und gestern habe ich mir ein neues Auto bestellt.“ Sie werden nur hören: „Es ist schwierig, keine Ahnung, was nächstes Quartal kommt.“

Warum ist das so? Hat man Angst, Neid zu erregen?

Ich glaube schon, dass das Thema Neid mitschwingt. Wenn Unternehmer erfolgreich sind, werden sie schnell in irgendeiner Form zum Verbrecher abgestempelt. Auch wenn das nicht jeder ausspricht, viele denken sich das. Aber letztlich sind es die Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen mit enormem Einsatz und Risiko. Das wird oft vergessen, was ich schade finde.

In den USA ist das nicht so?

Es ist ganz anders. Wenn dort Leute über ihren Erfolg reden, ernten sie Anerkennung und Respekt und motivieren andere. In der Start-up-Szene in Kalifornien gibt es den Neid nicht. Wenn es einem Start-up gelingt, Geld aufzustellen oder Investoren an Bord zu holen, freut sich die ganze Community mit.

Sind Sie finanziell sorgenfrei?

Das würde ich nicht behaupten. Ich zahle immer noch die Schulden ab, die aus der DiTech-Insolvenz entstanden sind, und ohne die Hilfe vieler meiner Freunde wäre ich nicht einmal imstande, diese Last zu bewältigen. Das wird noch Jahre dauern, bis der finanzielle Schaden, der hier entstanden ist, halbwegs verdaut ist. [ Daniel Novotny ]

ZUR PERSON

Damian Izdebski wurde 1976 in Siedlce (Polen) geboren und kam 1992 mit seiner Familie nach Österreich. Er studierte Wirtschaftsinformatik und gründete 1999 mit seiner Frau, Aleksandra, das Unternehmen DiTech, das sich zum größten Elektronik-Onlinehändler in Österreich entwickelte, aber 2014 wegen Finanzierungsproblemen nach überhitzter Expansion Insolvenz anmeldete. 2015 gründete Izdebski das Dienstleistungsunternehmen Techbold.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

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