Privatbank-Chef: „Man darf Realitätsbezug nicht verlieren“

Bernhard Ramsauer
Bernhard Ramsauer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bernhard Ramsauer, Chef und Miteigentümer der Semper Constantia Privatbank, spricht über die Lehren aus der Finanzkrise, den Reiz des Banker-Daseins und erzählt, warum man als Banker auch privat stets im Dienst ist.

Die Presse: Sie haben jahrzehntelange Erfahrung als Banker. War das Geschäft früher leichter?

Bernhard Ramsauer: Es war anders. Die Regulative haben den unternehmerischen Spielraum eingeschränkt. Früher konnte man ein bisschen unternehmerisches Risiko mittragen als Bank. Das geht jetzt nur noch eingeschränkt. Auch der Spielraum, wie man mit dem Kunden umgeht, wurde eingeschränkt. Das hat zu viel Bürokratie geführt, die wir mit dem Kunden abarbeiten müssen. Es hat aber auch Vorteile: Der Kunde muss jetzt viele Antworten geben, etwa zur Herkunft des Geldes, die zu erfragen früher nicht opportun war. Heute haben wir eine rechtliche Handhabe.

Was hat Sie ursprünglich bewogen, Banker zu werden?

Ich bin Jurist, habe überlegt, Anwalt zu werden, aber ich wollte immer international arbeiten. Das tun Anwälte zwar auch, aber die ersten zehn Jahre ist man doch sehr auf Österreich fokussiert. Das Bankengeschäft, die Nationalökonomie haben mich immer interessiert, und ich habe mir gedacht: Dieses Interesse kannst du nur befriedigen, indem du dir eine Bank anschaust.

Sie wurden die rechte Hand von Creditanstalt-Chef Schmidt-Chiari. Wie kam es dazu?

Ich war in einer Abteilung der Creditanstalt, die syndizierte Finanzierungen für Asien gemacht hat. Nach einem halben Jahr hatte ich das Riesenglück, dass Schmidt-Chiari einen Sekretär gesucht hat. Das Anforderungsprofil war: drei Jahre Bankerfahrung, um die dreißig. Ich hatte sechs Monate Bankerfahrung und war 25. Ich habe meinen Lebenslauf trotzdem hingeschickt, und ich glaube, er war über diese Frechheit amüsiert und hat gemeint, das schaut er sich einmal an. In den folgenden drei Jahren konnte ich das Bankgeschäft aus einer Perspektive kennenlernen, wie es besser nicht geht.

Würden Sie heute einem jungen Menschen zum Beruf des Bankers raten, obwohl sich das Image ziemlich verschlechtert hat?

Ich bin an der Semper Constantia auch beteiligt und habe vier Kinder. Wenn die mir die diese Frage stellen würden, würde ich sie mit Ja beantworten. Das Geschäft ist nicht mehr so glänzend, wie es einmal war, aber es ist hochinteressant. Es ist international, es geht um die Frage, was passiert in Japan, was ist mit dem Brexit. Man sieht viel von der Welt, und eine Zeit lang bei einer Bank gearbeitet zu haben, ist eine hervorragende Ausbildung. Muss man das dann sein ganzes Leben lang machen? Nein. Einige der besten Positionen in der Wirtschaft sind von Leuten besetzt, die früher einmal bei einer Bank gearbeitet haben.

Hat sich Ihr Geschäft durch die Finanzkrise stark verändert?

Wir sind viele Jahre vor der Krise auf einer schnurgeraden Straße mit hohem Tempo gefahren. Man vergisst irgendwann, dass es Kurven gibt. Dann kam plötzlich eine scharfe Kurve. Die Weltökonomie hat es geschafft, durch die Kurve zu kommen. Heute weiß man, es gibt Kurven, und alle fahren bremsbereit. Auch wurde durch Affären wie die um Madoff (Bernie Madoff ist ein US-amerikanischer Anlagebetrüger, Anm.) das Bewusstsein geschärft, dass es keinen Free Lunch gibt. Wenn etwas zehn Prozent bringt ohne Risiko, dann ist etwas faul.

Hat Sie die Krise überrascht?

Das Ausmaß hat mich sicher überrascht. Nur mit der Weisheit des Rückblicks kann man sagen, das hat einen nicht überrascht. Natürlich wurden Fehler gemacht in den Banken, Versicherungen, Staaten. Heute weiß man, man hätte mehr auf der Bremse sein müssen. Viele Regulative, die wir jetzt haben, hätten wir damals haben müssen.

Sind Sie selbst seitdem vorsichtiger geworden?

Ich war immer relativ vorsichtig. In dem Beruf ist man so viel mit Risiko konfrontiert und sieht, dass die besten Ideen und die tollsten Empfehlungen explodieren können. Ich habe nur das verkauft, woran ich selbst geglaubt habe. Deswegen gibt es viele Kunden, die ich seit über 20 Jahren kenne und die mir noch immer gut gesinnt sind.

Veranlagt man konservativer, wenn man mehr Geld hat?

Die großen Vermögen, die wir betreuen, sind sehr konservativ veranlagt. Obwohl das auch eine kulturelle Frage ist. Im arabischen Raum etwa gibt es keine diskretionäre Vermögensverwaltung, da wird gern auf Einzeltitel gesetzt. In Italien ist das Zinsumfeld noch ein wenig höher, und in England gilt man bereits als konservativ, wenn nur rund die Hälfte des Portfolios in Aktien veranlagt ist.

Österreichische, aber auch deutsche Anleger gelten aber als besonders konservativ.

Wir kommen aus einer Hartwährungsregion. Da galten Bundesanleihen als sicher und waren gut verzinst. Zudem gab es damals eine gewisse Bescheidenheit, zumal die heimische Börse nie eine große Rolle spielte, auch wenn dort gute Unternehmen gelistet sind.

Es gab hierzulande viele Skandale. Sind heimische Anleger besonders gutgläubig, oder haben Banken zu wenig aufgeklärt?

Gauner gibt es überall. In Deutschland ist genauso viel passiert, oder in den USA mit dem Schneeballsystem von Bernie Madoff. Doch ist in Österreich im Immobilienbereich viel passiert, vor allem im Vertrieb von vermeintlich sicheren Investments. Selbst jetzt fragen mich Freunde, was ich von dem einen oder anderen scheinbar risikolosen Produkt mit hohen Renditeversprechen halte. Da muss ich klarstellen, dass es das nicht gibt.

Als Privatbanker ist man also auch privat stets im Dienst?

Im meinem Geschäft ist man immer im Dienst. Das ist genauso wie der Kardiologe, den auf einer Party garantiert jemand zu Herzstechen ausfragt. Bei mir kommt es sehr auf die aktuelle Marktlage an. Wenn die Börsen steigen oder stark abrutschen, ist es ein großes Thema. Dazwischen gibt es Ruhephasen.

Ist das die berüchtigte Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Interessant ist dabei die Marktpsychologie. Laufen die Börsen gut, behauptet jeder, voll dabei zu sein. Geht es nach unten, behaupten alle, rechtzeitig verkauft zu haben. Viele wollen aber Verluste nicht wahrhaben und behalten ihre lahmen Enten jahrelang. Man darf den Realitätsbezug nicht verlieren, wobei ich aus meiner Erfahrung sagen muss, dass Frauen weit emotionsloser und nüchterner an die Veranlagung herangehen als Männer.

Sie haben sich 2015 einen ganzen Anteil an einer Bank gekauft. Ein emotionales Investment?

Die Chance, Banker und Unternehmer zu sein, hat mich sehr begeistert. Die Bank wurde vorher schon gut saniert, es ist jetzt unsere Aufgabe, die Bank in eine profitable Zukunft zu führen. Das Geschäftsmodell ist mit dem Private Banking, aber auch dem Depotbankgeschäft und unserem offenen Immobilienfonds gut diversifiziert.

Und wie investieren Sie sonst Ihr Geld, abseits der Bank?

Den Großteil habe ich sehr konservativ in der diskretionären Vermögensverwaltung veranlagt. Es gibt aber auch einige Einzeltitel, von denen ich überzeugt bin. Apple-Aktien halte ich zum Beispiel schon seit Jahrzehnten. Bei Porr überzeugt mich das Management.

Haben Sie mit einer eigenen Bank eigentlich Ihr berufliches Ziel erreicht?

Das ist ganz sicher so. Auch wenn ich zugeben muss, dass das Leben einen immer wieder überrascht. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die traditionsreiche Privatbank Oppenheim, an der ich in Österreich auch beteiligt war, von der Deutschen Bank übernommen werden würde. Ich habe aber die Zeit in der Deutschen Bank in sehr guter Erinnerung, ich habe durch die internationale Perspektive meiner Funktion viel dazugelernt. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Bernhard Ramsauer (*1960) ist Vorstandsvorsitzender der Semper Constantia Privatbank, an der er auch beteiligt ist. Zuvor war der Jurist bei der Creditanstalt tätig, unter anderem als Assistent des Vorstandsvorsitzenden Guido Schmidt-Chiari. Er gründete die österreichische Niederlassung von Sal. Oppenheim, die später von der Deutschen Bank übernommen wurde, und leitete die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2016)

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