Peter Gago: „Die Leute sollen ihren Wein auch trinken“

Peter Gago
Peter GagoDie Presse/Clemens Fabry
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Peter Gago ist der bekannteste Kellermeister Australiens. Seine Penfolds-Weine zählen zu den teuersten der Welt. Er erklärt, warum sich jeder hochpreisige Weine leisten kann.

Peter Gago: Trinken Sie Wein?

Die Presse: Ja, aber Weinfachleute sind wir nicht.

Peter Gago: Ich weiß dafür nicht viel über Wirtschaft. Das kann ja ein interessantes Gespräch werden.

Früher haben die Leute primär zwischen Rot- und Weißwein unterschieden. Heute ist das anders. Wie hat sich die Weinkultur in den vergangenen Dekaden verändert?

Die Leute differenzieren heute mehr, sie probieren gern Neues aus. Wenn man vor 50 Jahren guten Wein trinken wollte, kaufte man Wein aus Frankreich. Als ich vor 25 Jahren in Berlin war, habe ich versucht, meine Mitreisenden dazu anzuhalten, auch deutschen Wein zu trinken. Es musste aber ein Wein aus Bordeaux oder Champagner sein. Dabei haben die Deutschen einen wunderbaren Riesling. Heute liebt jeder deutschen Wein. Auch in Österreich gibt es einen wunderbaren Riesling oder Grünen Veltliner. Man hat viel mehr Auswahl.

Sie sind Kellermeister des australischen Weinunternehmens Penfolds. Ihre Benchmarkweine, etwa der Grange, sind sehr teuer. Ein Produkt für Reiche?

Man braucht nicht so viel Geld, um guten Wein zu kaufen, man muss jedenfalls keinen Kredit dafür aufnehmen. Bei einem teuren Auto ist das anders. Ich habe Freunde, die nicht so wohlhabend sind, aber jedes Jahr einen Grange kaufen. Und ich kenne reiche Leute, die lieber billigere Weine trinken. Wobei Wein im Vergleich zu früher schon teurer geworden ist, vor allem, seit die Japaner und die US-Amerikaner den Wein für sich entdeckt haben.

Warum gibt es so große Preisunterschiede bei Wein?

Vergleichen wir das mit der Musik: Wenn man eine Musikanlage mit einer um zehn Prozent besseren Qualität haben will, zahlt man nicht zehn Prozent mehr, sondern 600Prozent. Das Verhältnis von Preis und Qualität ist kein lineares. Letztlich entscheidet aber der Markt über den Preis. Oft heißt es: „Das kannst du nicht verlangen.“ Aber wenn der Markt den Preis akzeptiert, dann ist er richtig. Wenn wir zu viel Geld verlangen, bleibt der Wein im Regal. Die Marktdynamik ist sehr kompliziert, viele verstehen sie nicht ganz, ich eigentlich auch nicht: Bei Wein geht es nicht nur um Qualität, Luxus, Seltenheit oder Marke, und auch eine gute Verpackung und ein guter Name reichen nicht. Ich sage zu unseren neuen Mitarbeitern immer: „Es ist ganz leicht, einen neuen Wein aufgrund seiner Neuheit zu verkaufen. Aber den Wein über Jahrzehnte zu verkaufen, das ist schwieriger.“

Passieren Ihnen auch Fehler?

Wir erreichen nicht immer die gleiche Qualität. Aber wenn wir die Preise halten wollen, müssen wir auch die Qualität halten. 2011 war ein schwieriges Jahr für uns, deswegen haben wir nur halb so viel Grange produziert. 2000 haben wir sogar nur ein Viertel produziert, obwohl wir mengenmäßig mehr hätten verkaufen können. Aber wir wollen unseren Benchmarkwein ja noch weitere 172 Jahre verkaufen. Deswegen sollte man nicht nur auf den kurzfristigen Jahresgewinn schauen, sondern auf den Gewinn in fünf, zehn und fünfzig Jahren. Es hilft uns wirtschaftlich, wenn wir guten Wein machen, weil wir dann auch mehr Geld bekommen.

Trinken Sie eigentlich immer Ihre eigenen Weine?

Nein, ich probiere immer Neues aus. Wir machen oft Vergleichsverkostungen, aber auch privat vergleiche ich gern. Was ich nicht verstehe: Viele Leute bestellen im Restaurant eine zweite oder dritte Flasche vom gleichen Wein. So bringen sie sich aber um die Chance, etwas Neues auszuprobieren.

Sind Ihre Lieblingsweine die teuren?

Nicht unbedingt. Einer meiner Penfolds-Lieblingsweine ist der 389, er heißt Baby Grange. Er verkauft sich seit 56 Jahren gut und braucht auch keine Werbung.

Viele Leute sammeln Wein, weil sie auf Wertsteigerungen hoffen. Machen Sie das selbst auch?

Ich habe vor 40 Jahren angefangen, Weine zu kaufen – zu einer Zeit, als sich meine Freunde ihre ersten Autos gekauft haben. Manche Weine von damals könnte ich mir heute nicht mehr leisten. Aber während andere besessen vom Preis und vom Wert sind, bin ich besessen vom richtigen Trinkzeitpunkt. Wenn ich einen Wein um 5000 Dollar trinke, für den ich seinerzeit 20 Dollar ausgegeben habe, tut das nicht weh. Wir erziehen unsere Kunden auch und erklären ihnen, dass sie ihren Wein trinken sollen, weil manche Weine nach einiger Zeit nur schlechter, nicht aber besser werden.

Sie waren in jungen Jahren Chemie- und Mathematiklehrer. Was hat Sie dazu bewogen, Ihren alten Job hinzuschmeißen und Weinfachmann zu werden?

Ich unterrichte gern. Ich hatte damals auch einen Direktor, dem es mehr um Performance als um Seniorität ging. Binnen weniger Jahre hätte ich Vizedirektor an der Schule werden können. Es hätte dann aber weitere 15 Jahre gedauert, um Direktor zu werden. Meine Frau hat damals noch studiert, und ich habe mich ohnehin schon mit Önologie beschäftigt und wollte das Vollzeit machen. Also habe ich wieder angefangen, an der Universität zu studieren.

War das eine schwere Entscheidung?

Wenn man neun Jahre lang gewohnt war, Geld zu verdienen, ist es sehr schwer, plötzlich zu studieren und fast nichts zu verdienen. Wenn man gleich so anfängt, macht es einem weniger aus, weil man nicht an das Geld gewöhnt ist. Bei meinem ersten Studium hatte ich ein Stipendium, aber weil ich ohnehin Halbzeitjobs hatte, gab ich fast nichts davon aus. Mit Geld verhält es sich jedoch wie mit Gas, bei dem sich die Moleküle gleichmäßig im Raum ausbreiten. Wenn man 100 Dollar hat, gibt man 99 aus, wenn man 1000 Dollar hat, gibt man 999 aus. Und wenn man eine Million hat, gibt man 999.999 aus. Als Studenten haben wir nicht so viel gebraucht. Wobei ich glaube, dass das heute nicht mehr so ist, Studenten haben heute oft schon sehr teure Hobbys. Ich bekam dann aber bald ein paar Jobangebote von kleineren Weinfirmen.

Ist Wein Ihr einziges Hobby?

Meine Frau engagiert sich politisch, also interessiert mich Politik auch. Sie ärgert sich, wenn Premierminister und andere mit mir statt mit ihr reden wollen. Ich interessiere mich für Musik, gehe gern auf Konzerte und mache auch selbst Musik. Daneben betreibe ich ein bisschen Sport. Ich habe keine Zeit für Tennisklubs, aber ich treibe Gymnastik.

Was ist der beste Wein derzeit?

Lassen Sie mich nachdenken: Welchen will ich morgen verkaufen? (lacht) Nein, da gibt es keine Antwort. Das hat so viel mit persönlichen Präferenzen zu tun. Das ist wie die Frage, wer der beste Musiker sei. Ich würde Ihnen heute eine andere Antwort als morgen geben. Der beste Grange, den wir jetzt haben, ist der 1953. Auch der 1962 Bin 60A ist großartig. Aber diese gibt es fast nicht mehr zu kaufen. Die Kritiker haben den Grange 2008 extrem gut bewertet, aber ich glaube, der 2010 ist besser. Genau kann ich das erst in 20 Jahren sagen.

Sind Ihnen Auszeichnungen, etwa Parker-Punkte, wichtig?

Ich würde gern Nein sagen, aber ich will ehrlich sein und sage Ja. Wenn ein Wein 100 Punkte bekommt, schnellt nicht nur der Preis hoch, es heißt auch Bestätigung. Ich bin zwar skeptisch bei 100 Punkten, weil ich einen mathematischen Hintergrund habe: Wenn Perfektion 100Punkte bedeutet – was kann schon perfekt sein? Was stimmt mit 99 Punkten nicht? Aber wenn uns jemand 100 Punkte gibt, nehmen wir sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2016)

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