Marjan Shaki: "Es ist kompliziert, bewusst zu leben"

(c)Clemens Fabry
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Menschen, die komplett aus der Gesellschaft aussteigen, seien bewundernswert, findet die Musicaldarstellerin Marjan Shaki. Auch sie schätze ein reduziertes Leben, trinke aber hin und wieder auch gern Sekt in einer fancy Bar.

Die Presse: Gerade haben Sie „Evita“ abgespielt. Wissen Sie schon, was als Nächstes kommt?

Marjan Shaki: Ich bin jetzt erst einmal wieder Vollzeit-Mami. Das ist auch gut. Meine Tochter ist eineinhalb Jahre alt, und Hauptrollen spielen als Mutter und am Theater ist wirklich anstrengend.

Das Geld, das Sie verdient haben, reicht also für einige Zeit.

Das kommt auf meinen Standard an. Aber ich brauche nicht viel Geld zum Leben, deshalb werde ich eine ganze Weile damit auskommen. Mein Mann (Musicaldarsteller Lukas Perman, Anm.)und ich haben in den vergangenen Jahren sehr viel gearbeitet. Mir war klar, dass ich eine Weile bei meiner Tochter bleiben möchte. Das muss man sich auch leisten können.

Sie haben also auf diese Zeit hingespart?

Von meinen ersten Gagen habe ich mir schon etwas geleistet, aber schnell gemerkt, ich brauche das Zeug nicht. Wir reisen sehr viel, mit fünf Unterhosen und drei T-Shirts im Rucksack. Da merkt man, wie sehr man sich reduzieren kann. Wir leben hier wirklich im Überfluss.

Ist es eine bewusste Entscheidung, in diesem Überfluss mit wenig zu leben?

So konsequent bin ich dann auch nicht. Ich bewundere Leute, die es schaffen, komplett auszusteigen. Das kann ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich auch gern hochwertiges Essen einkaufe. Und Bio-Zeug kostet nun einmal. Aber Klamotten, Autos, Schmuck, da lege ich nicht so viel Wert drauf.

Weil Sie sagen „gestehen“: Muss man sich dafür genieren, dass man gern gutes Essen einkauft?

Nein, für gutes Essen, das man teuer bezahlt, muss man sich nicht genieren. Das ist man nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Welt schuldig, dass man nicht auch noch Billigfleisch kauft. Aber ich würde mich gern noch mehr reduzieren. Da geniere ich mich manchmal, dass ich es einfach nicht schaffe. Weil ich dann doch ganz gern die Vorzüge des Konsums genieße. Ich sage mir: Wenn man sich bewusst mal was gönnt und es nicht als selbstverständlich sieht, ist das schon in Ordnung.

Wie würde das aussehen, so ein noch reduzierteres Leben?

Vielleicht eine kleinere Wohnung, weniger Auto fahren, die ganzen Plastikverpackungen weglassen. Ich kriege jedes Mal einen Schock, wenn ich aus dem Supermarkt komme, wie viel Dreck da zusammenkommt. Da schäme ich mich richtig. Dann denke ich, nächstes Mal nehme ich meine eigenen Sackerln mit oder gehe mit der Kiste zum Markt. Aber es ist kompliziert und mühsam, bewusst zu leben.

Hat sich diese Einstellung mit dem Kind geformt?

Das kam in den vergangenen Jahren, vor allem durch die Reisen. Ärmere Länder in Asien und Südamerika haben ganz andere Probleme als Umweltschutz. Die gehen komplett unter im Müll. Bei uns sieht man den Dreck nicht, weil das für uns organisiert wird. Wir könnten alle noch mehr beitragen.

Hält dieses Bewusstsein nach Ihren Reisen länger an?

Das ist die große Herausforderung. Jedes Mal denke ich, jetzt werde ich mein Leben komplett ändern. Das geht zwei, drei Wochen gut, und dann kippe ich wieder in alte Muster hinein. Wir sind auch schon zurückgekommen und haben gesagt, jetzt ziehen wir aufs Land, werden Selbstversorger und bauen unsere eigene Kläranlage. Mittlerweile bin ich nicht mehr zu streng mit mir. Grundsätzlich finde ich es sehr erstrebenswert, sich komplett zu reduzieren.

Muss sich reduzieren bedeuten auszusteigen? Kann man nicht auch mitten in der Gesellschaft ein bescheidenes Leben führen?

Aussteigen ist eine Lebensentscheidung. Da bist du abgeschirmt, Verzicht ist viel einfacher, als wenn du in der Stadt lebst. Und es macht ja auch Spaß zu konsumieren. Ich gehe auch gern mit meinen Kollegen in eine fancy Bar und trinke ein paar Gläser Sekt. Danach denke ich, das war jetzt viel zu teuer – aber es war auch ein schöner Abend.

Wie ist das in der Musicalwelt: Entspricht sie dem Klischee, dass alles im Überfluss vorhanden, alles glamourös ist?

Natürlich ist alles sehr chichi und extrovertiert. Aber ich erlebe auch immer wieder sehr echte Momente. Gerade mit Menschen, die schon lang im Beruf sind und wissen, dass es oft nicht so glamourös ist, wie es scheint. Und es auch sehr desillusionierend sein kann – wenn du etwa nicht der Star wirst, der du werden wolltest. Irgendwann überlegt man, was wirklich wichtig ist: das Geld, die Vita oder die Familie? Was wärmt dich abends? Wohl nicht dein Lebenslauf.

Haben Sie schon einmal überlegt, Ihrem Beruf den Rücken zu kehren?

Ich hatte schon so eine Phase. Da dachte ich, das ist alles so eitel. Ich habe mich zu sehr darüber definiert, wie groß der Applaus ist und die Rolle. Aber dann erkannte ich wieder, warum ich das ursprünglich machen wollte: aus Freude am Spielen und daran, Menschen zu unterhalten. Aber es gibt eben auch einen Mainstream, man macht viel Schrott für viel Geld. Das verfehlt den Auftrag.

Machen Sie auch viel Schrott für viel Geld?

Hin und wieder. Aber es fällt mir schwer. Mein Mann und ich hatten einmal die Idee, Schlager zu machen. Aber wir haben festgestellt, das geht für uns nicht. Da kann man viel Geld machen. Aber wir haben es nicht gepackt.

Wie unterscheidet sich die Musical- von der Theaterwelt?

Im deutschsprachigen Raum belächeln sich diese Genres oft gegenseitig. In Amerika arbeiten Schauspieler übergreifend: Sie machen Theater, CDs, Musical, Werbung, moderieren. Hier steht bei Theatervorsprechen oft dabei, Musicaldarsteller bitte nicht bewerben, weil das Klischee vorherrscht, die können nicht schauspielern. Schauspiel beansprucht für sich ein bisschen das Attribut, intellektueller zu sein. Aber nur weil ich Brecht spiele, macht mich das nicht zu einem intelligenten Menschen. Ich habe den Text ja nicht geschrieben, nur auswendig gelernt.

Ein Unterschied ist, dass Musical viel besser bezahlt ist, oder?

Das kommt darauf an. Bei den Vereinigten Bühnen verdient man entsprechend, die spielen aber auch sechs, sieben Shows pro Woche. Und sind anders subventioniert. Es gibt schon ein großes Gefälle zum reinen Sprechtheater. Das nährt auch eine gewisse Einstellung, dass das Musical wie Starbucks-Kaffee ist: Da kriegt man mehr, also ist das Mainstream. Aber auch im Musical gehen die Gagen runter.

Wie stark ist die Konkurrenz unter den Darstellern?

Klar gibt es die. Ich bin zum Glück relativ frei von Neid. Es bringt mich nicht weiter, mich zu ärgern. Man muss seinen Marktwert kennen und schauen, dass man entsprechend abgegolten wird. Wenn es für dich passt, passt es. Viele Menschen müssen richtig arbeiten für das, was du für zweieinhalb Stunden am Abend kriegst. Das ist ein sehr privilegiertes Leben.

Sind Sie eine harte Verhandlerin, wenn es um Ihre Gagen geht?

Das kommt darauf an, wie sehr ich die Produktion machen will. Es geht nicht nur ums Geld. Wenn ich das Gefühl habe, es bringt mich künstlerisch und menschlich weiter, ist es nicht so wichtig. Ich weiß aber auch, was ich bei welchen Veranstaltern verlangen kann. Ich glaube, ich bin da milder geworden. Früher war ich zickiger.

Ist es zickig, wenn man auf eine angemessene Entlohnung pocht?

Man muss wissen, in welchem Alter man ist und wo man auf der Karrierebahn steht. Und ob das, was man kriegt, nicht eh angemessen ist und man nur aus Prinzip ein Schäufelchen drauflegen will. Wirklich hart werden kann ich bei Charity-Sachen. Da kann ich auf die Barrikaden gehen, wenn wegen ein paar Euro herumdiskutiert wird. Das ist so kleinlich.

Woher kommt Ihr soziales Engagement?

Wahrscheinlich ein Helfersyndrom (lacht). Man fühlt sich am Ende des Tages besser, wenn man etwas Gutes getan hat. Ich möchte etwas abgeben. Das muss nicht immer Geld sein, es kann auch Aufmerksamkeit sein.

Als Schauspieler ist man ja selbstständig. Hatten Sie je finanzielle Sorgen oder Ängste?

Nein, nie, auch vor dem Kind nicht. Und es ist jetzt nicht so, dass ich einen Riesenbackground habe von zu Hause. Ich habe immer darauf vertraut, dass alles gut ist. Arbeit gibt es immer, wenn nicht am Theater, gehe ich eben kellnern. Diese Selbstständigkeit ist eine Typfrage. Mich macht das frei, ich habe das Gefühl, ich kann mein Leben selbst gestalten.

Wie wichtig ist Ihnen Ruhm?

Ich finde diesen Starrummel total bescheuert. Wenn Mütter am Theatereingang stehen und sagen, ihre Tochter will auch Musicalstar werden, sage ich, vielleicht wird sie besser erst einmal Darstellerin. Erst als wir begonnen haben, Benefizgeschichten zu machen, dachte ich, jetzt wäre ich gern berühmt. Da hast du eine ganz andere Macht und Einfluss. [ Clemens Fabry ]

ZUR PERSON

Marjan Shaki wurde 1980 in Hamburg geboren, lebt aber seit Jahren in Wien. Zuletzt spielte die Musicaldarstellerin und Sängerin „Evita“ am Ronacher Theater. 2013 nahm sie an „Dancing Stars“ im ORF teil (2. Platz). Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Musicaldarsteller Lukas Perman, moderiert Shaki die ORF-Spendensendung „Licht ins Dunkel“. 2010 initiierten die beiden eine Spendengala für Haiti bei den Vereinigten Bühnen Wien, die seither jährlich stattfindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2016)

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