Atil Kutoğlu: "Ich habe wohl vieles richtig gemacht"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Modeschöpfer Kutoğlu erzählte der "Presse", was er dem ehemaligen Wiener Bürgermeister Zilk zu verdanken hat, warum er keinen Wert auf exzentrische Kleidung legt und Aufgeben nie eine Option war.

Die Presse: Sie sind Modeschöpfer, für einen solchen aber eher dezent gekleidet. Warum?

Atil Kutoğlu: Es gibt zwei Sorten von Designern: jene, die ihre Kreativität an sich selbst verwirklichen und als bunte Vögel herumlaufen. Und jene, die ihre Kreativität in ihrer Arbeit, den Kollektionen, zeigen. Ich finde es nicht notwendig, selbst aufzufallen. Meine Arbeit soll auffallen und gefallen.

Geben Sie selbst viel Geld für Mode aus?

Manchmal ja, aber eher nein. Ich trage gerade das Shirt eines koreanischen Designers. Mein Geld steckt in den Kollektionen.

Ist eine Ihrer Kollektion einmal nicht gut angekommen?

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen. Meine neueste Kollektion ist immer noch besser angekommen als die davor. In 20 Jahren war ich zwei- oder dreimal weniger zufrieden.

Sie sind heute einer der bekanntesten Modedesigner Österreichs. Wollten Sie diesen Beruf immer schon ausüben?

Ja, ich habe genau gewusst, dass ich Modedesigner werden möchte. Schon als Teenager habe ich Modezeichnungen gemacht. Ich habe das deutsche Gymnasium in Istanbul besucht, eine der besten Schulen des Landes. Der Schwerpunkt lag dort aber auf Mathematik und Naturwissenschaften. Ich war also eher eine Ausnahme in der Schule. Mein Kunstlehrer hat mich stark gefördert, er hat mein künstlerisches Talent früh entdeckt.

Wurden Sie von Ihren Eltern bei Ihrem Vorhaben unterstützt?

Ja, ich bin mit meiner Mutter zu Modeschauen des damals größten türkischen Modehauses, Vakko, gegangen. Meine Eltern haben für mich dort einen Termin vereinbart, bei dem ich meine Entwürfe präsentieren durfte. Während der letzten drei Jahre im Gymnasium habe ich in dem Unternehmen schon als Praktikant gearbeitet.

Später sind Sie nach Wien gegangen, um Wirtschaft zu studieren. Stand damals ein Kalkül dahinter?

In den Achtzigerjahren wäre ein Modestudium ein bisschen als träumerisch angesehen worden, gerade für mich als Paradeabsolventen eines angesehenen Gymnasiums. Außerdem wusste ich schon damals, dass ich meine eigene Marke lancieren wollte. Bei Vakko lernte ich, wie ein Modeunternehmen funktioniert. Kreativ war ich selbst, daher habe ich mich für ein Wirtschaftsstudium entschieden. Das hat mir den Rücken gestärkt.

Hat Sie das Studium gelangweilt?

In meinem ersten Studienjahr habe ich den damaligen Wiener Bürgermeister, Helmut Zilk, zufällig in der Straßenbahn angesprochen und um eine Starthilfe gebeten. Eine Woche später kam eine Antwort – und unter dem Ehrenschutz des Rektors der Wirtschaftsuni habe ich vor dem alten WU-Gebäude in Wien meine erste große Kollektion – auch mithilfe türkischer Textilproduzenten – präsentiert. Zilk war selbst nicht dabei, aber seine Frau, Dagmar Koller. Sie war dann auch die erste prominente Kundin.

Spielen Beziehungen in diesem Geschäft eine große Rolle?

Ich kann mich glücklich schätzen, bisher vielen interessanten Menschen begegnet zu sein. Manchmal waren es auch einfach nur Zufälle.

Was war Ihr größter beruflicher Fehler?

Es gibt mich heute noch, also habe ich wohl vieles richtig gemacht. Aber natürlich lief nicht alles so eins zu eins, wie man das auf der Uni lernt. Ich habe etwa in Amerika viel Geld verloren. Ende der Neunzigerjahre sind viele Firmen in Insolvenz nach Chapter 11 gegangen. Die Unternehmen haben mich nicht bezahlt, und ich war nicht abgesichert.

Und wie ging es dann weiter?

Ich habe zwei Jahre sehr hart darum kämpfen müssen, um meine Firma aufrechtzuhalten. Es waren schwere Zeiten.

Hatten Sie einen Plan B?

Ich war sehr von mir und meiner Arbeit überzeugt, deshalb habe ich nie ans Aufgeben gedacht. Von den damals von der Wirtschaftskammer für Förderungen ausgewählten Designern bin ich übrig geblieben. Sogar Helmut Lang hat verkauft. Ich habe immer wieder Lösungen gefunden und mit anderen Projekten Geld eingetrieben, um die Verluste in den USA auszugleichen. Bei meinem zweiten Anlauf in den USA war ich schon viel vorsichtiger. Mein Glück war, dass ich mich nie nur auf einen Markt konzentriert habe. Langsam hat sich damals auch die Türkei entwickelt.

Wie leicht war es für Sie, in der Türkei Fuß zu fassen, immerhin sind Sie dort aufgewachsen?

Da hat mir auch wieder ein Österreicher geholfen, nämlich der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer. Ich war Teil seiner Delegation bei seinem ersten offiziellen Besuch. Er hat mich gebeten, eine Modeschau in Ankara zu veranstalten. Dann habe ich ein Flagshipstore eröffnet.

Sind Ihre Pläne aufgegangen?

Ja, die ersten fünf Jahre waren traumhaft. In den vergangenen zwei, drei Jahren lief die Wirtschaft dort auch nicht mehr so toll. Terror und Angst schrecken Touristen und Einheimische ab.

Die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei sind derzeit angespannt. Spüren Sie das?

Ja, ich werde ständig daraufhin angesprochen. In meine türkische Boutique kamen immer viele Österreicher, die jetzt wahrscheinlich nicht mehr kommen.

Sie gelten als Paradebeispiel für eine gelungene Integration. Hatten Sie hier zu Beginn mit Ressentiments zu kämpfen?

Eher nein. Ich komme aus einer kosmopolitischen Akademikerfamilie. Dagmar Koller sagte beim ersten Treffen humorvoll: „Sie können kein Türke sein . . .“ Ich habe in Wien in einem Umfeld gelebt, bei dem sich meine Mitschüler darum gerissen haben, Teil meiner Modeschauen zu sein. Ich war damals mehr Türke als jetzt.

Ihre Mode ist eher etwas für die betuchtere Klientel. Was bedeutet Luxus für Sie?

Ich bin jemand, der wirklich kaum Luxus braucht. Ich reise so viel, habe viele Verpflichtungen. Das ist für mein Netzwerk wichtig. Aber ich freue mich, wenn ich auf einem Boot mit meiner Nichte und meinem Neffen sitzen kann, oder mit Studienfreunden in einer Kneipe.

Wenn Sie sich einen Traum erfüllen könnten, was wäre das?

Ein Resorthotel am Mittelmeer. Und eine internationale Modeakademie, für die nächste Generation. [ Clemens Fabry]

ZUR PERSON

Atil Kutoğlu (*1968 in Istanbul) kam für sein Wirtschaftsstudium nach Österreich. Durch Zufall lernte er den ehemaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk kennen, der ihm hier den Start für seine Modekarriere ermöglichte. Kutoğlu wurde im Lauf seiner Karriere mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, 2012 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. 2009 eröffnete er einen Flagshipstore in Istanbul.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.