Online-Business: Gekaufte Sterne, erfundenes Lob

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Egal ob Hotel, Buch oder Waschmaschine: Im Internet kann heute so gut wie alles bewertet werden. Doch nicht immer können sich Verbraucher auf das Urteil verlassen.

Wien. „Wir können nur Gutes über dieses Hotel sagen. Wir waren in der Nachsaison dort und es war herrlich!“ Ein eindeutiges Urteil von Nutzerin „Biggi“, Alter 46–50, über das Hotel „Iberostar“ auf Kreta. Auch die anderen Gäste sind zufrieden: Auf der Reisebewertungsseite Holidaycheck.de, der größten im deutschsprachigen Raum, erhält das Hotel 5,1 von sechs möglichen Sternen.

Nicht nur Hotels, auch Restaurants, Bücher und Dampfbügeleisen werden im Internet heute fleißig beurteilt. Doch wie glaubwürdig sind solche Rezensionen? „Es kursieren viele Berichte über Manipulationen“, meint Falk Murko von der deutschen Stiftung Warentest. „Dass es das Problem gibt, räumen auch die Anbieter selbst ein.“ Laut dem Magazin „Audio Video Foto Bild“ sind zwischen 20 und 30 Prozent aller Produktbewertungen im Internet gefälscht.

Das amerikanische Marktforschungsunternehmen „Gartner“ ist etwas vorsichtiger. Dort schätzt man, dass der Anteil gefälschter Rezensionen im Jahr 2014 zwischen zehn und 15 Prozent liegen wird. „Nachdem heute jeder zweite Internetnutzer in sozialen Netzwerken unterwegs ist, werden die Unternehmen nach immer neuen Wegen suchen, um die Aufmerksamkeit in Form von Likes, Klicks und positiven Rezensionen zu erhöhen“, meint die Gartner-Analystin Jenny Sussin. Nicht wenige seien versucht, der Aufmerksamkeit etwas „auf die Sprünge zu helfen“.

Das lassen sich die Unternehmen gern etwas kosten. Geld für gefällige Bewertungen – diese Praxis ist sowohl in den USA als auch in Europa gang und gäbe. „Audio Video Foto Bild“ begab sich etwa auf die Suche nach Fälscherwerkstätten, die mit harmlos klingenden Dienstleistungen wie „Textservice“ und „Shop-Texten“ warben. Für rund 200 Euro kauften die Redakteure, als Hersteller getarnt, die ersten 35 Bewertungen. Insgesamt hätten die Agenturen hunderte gefälschte Rezensionen veröffentlicht, die alle nicht als solche erkannt wurden.

Im illegalen Bereich

Laut Gartner bewegen sich Unternehmen damit klar jenseits der Legalitätsgrenzen. Die Analysten erwarten, dass die US-Behörden in den nächsten zwei Jahren bei mindestens zwei der 500 größten US-Unternehmen wegen der unsauberen Praxis einschreiten werden. Die amerikanische Verbraucherschutzbehörde sei zu dem Schluss gekommen, dass bezahlte Rezensionen, die nicht als solche gekennzeichnet sind, als irreführende Werbung zu werten sind. In Österreich ist die Rechtslage ähnlich: „Eine gefälschte Rezension geht klar in Richtung Täuschungshandlung. Das hat eine strafrechtlichte Relevanz“, sagt Anwalt Hermann Schwarz, Experte für IT-Recht.

Allerdings hat sich die Situation nach Ansicht von Stiftung Warentest mittlerweile gebessert. Die Verbraucherschützer haben vor einigen Monaten speziell den Bereich der Hotelbewertungen unter die Lupe genommen. Ihr Versuch, erfundene Bewertungen bei Holidaycheck einzuschleusen, schlug in den meisten Fällen fehl. „Der Anbieter hat fast alle Falschbewertungen entdeckt“, sagt Murko. Doch nicht alle Seiten arbeiten mit denselben Qualitätsstandards. So habe das Portal Zoover die fingierten Bewertungen zunächst veröffentlicht und dann erst entfernt. Am schlechtesten schnitt das eigene Bewertungssystem von Google ab, das in den Kartendienst „Maps“ integriert ist. „Bei Google kann jeder ungehindert Bewertungen abgeben, egal, welches Ziel er verfolgt“, heißt es im Bericht der Verbraucherschützer.

Fehleranfällige Community

Besonders anfällig sind nach Einschätzung der Experten auch Dienste, die sich beim Kontrollieren der Inhalte ganz auf die Hilfe der „Community“ verlassen. Das ist etwa bei den Produktbewertungsportalen Golocal und Qype der Fall. Andere, wie Yelp, setzen auf automatische Filter, die die Beiträge auf verdächtige Wörter durchforsten.

Wie hoch der Anteil an Fake-Bewertungen bei Amazon ist, ist nicht genau zu sagen. In Großbritannien ist jedoch gerade ein Krimi-Autor enttarnt worden, der glühende Kritiken für seine eigenen Werke geschrieben hat. Und in den USA erzählte die „New York Times“ gerade die Geschichte eines jungen Schreiberlings, der dort gegen (viel) Geld die Produkte seiner Kunden anpries.

Tipp 1

Vergleichen. Als Erstes sollten Konsumenten mehrere Portale ansteuern, um zu sehen, ob ein Hotel oder ein Produkt überall in etwa gleich beurteilt wird. Gibt es große Unterschiede, ist Skepsis angebracht. So kann es sein, dass bei einem oder bei mehreren Portalen entweder für besonders positive oder für schlechte Bewertungen gezahlt wurde. Auch bezahlte Negativwerbung kommt vor.

Tipp 2

Authentizität. Je mehr Details eine Bewertung enthält, desto eher ist sie echt. Bezahlte Rezensenten können meist nicht in aller Tiefe auf die Produkte eingehen. Authentische Rezensionen fallen auch dadurch auf, dass sie ohne Marketingsprache auskommen. Ein weiterer Vorteil von detaillierten Rezensionen: Nutzer können sich eher ein Bild machen, ob sie die Kritik teilen würden.

Tipp 3

Aktualität. Ist eine Bewertung schon sehr alt, sollte sie mit Vorsicht genossen werden. Skepsis ist aber auch angebracht, wenn viele Rezensionen auf einen Schlag kommen. Große Portale sind gegen eine solche Flut gerüstet und können diese entweder abblocken oder später vom Netz nehmen. In jedem Fall lohnt bei den Bewertungen aber auch ein Blick aufs Datum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2012)

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