Das große Versagen der Franken-Experten

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Franken-Kreditnehmer werden seit fünf Jahren im Stich gelassen: von den Banken, den Analysten, den Finanzberatern. Der Eurokursverfall markiert das Versagen vieler Experten.

Wien. Im Jahr 2000 braucht der angehende Häuslbauer für sein großes Projekt einen Kredit. Und nach dem Gespräch mit einem Finanzberater ist klar: Er wird sich im Schweizer Franken verschulden. Die Franken-Zinsen sind gering. Und wenn der Eurokurs zum Franken steigt (und das tut er ziemlich sicher), dann radieren sich die Schulden von ganz allein aus. So einfach ist das. Er nimmt also einen Franken-Kredit zum Gegenwert von 200.000 Euro auf.

Fast acht Jahre später kommt das böse Erwachen: Im Herbst 2008 bricht die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammen. Unter den Investoren macht sich Panik breit, sie schichten massenhaft Geld von der Eurozone in den Schweizer Franken um. Der Eurokurs stürzt ab. Der Franken-Kredit weist nun keine Kreditschuld mehr von 200.000 Euro auf  – sondern „dank“ des Währungsverlusts – von 220.000 Euro.

Die Banken wollen die Franken-Darlehen ihrer Kunden in Eurokredite konvertieren. Dem Franken-Schuldner wird nun angst und bange. Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch gar nicht, dass es noch viel, viel schlimmer kommen wird. Die folgenden fünf Jahre bis heute markieren für ihn nicht nur eine fatale Währungsfehlspekulation, sondern auch ein Versagen selbst ernannter Experten, Bankanalysten sowie vieler Finanzdienstleister.

Die Experten besänftigen

Gerade die Finanzberater, die mit der Vermittlung von Franken-Krediten über Jahre gutes Geld verdient haben, beschwichtigen ihre Kunden während der Turbulenzen. „Wenn jetzt jemand eine Finanzierung will, würde ich weiterhin einen FrankenKredit empfehlen“, sagte Ende 2008 ein angesehener Finanzberater. Der Franken werde so schnell zum Euro nicht steigen, prognostizierte er. Eine Fehlprognose. Ende 2009 notiert der Euro noch tiefer.

Und es kommt noch dicker: Mitte 2010 fällt der Euro auf unter 1,4 Franken. Der Franken-Kreditnehmer steht nun mit einer Schuld von über 230.000 Euro da – das ist ein Buchverlust von mehr als 30.000 Euro. Aber er wird wieder besänftigt von den Kommentaren einiger Experten. „Die Euro-Franken-Untergrenze liegt bei 1,30 Franken, unter dieses Niveau wird der Euro nicht fallen“,  posaunt ein renommierter Wiener Kreditexperte, der damals 400 Franken-Kreditnehmer betreute. Wieder eine Fehlprognose. Der Euro unterschreitet die 1,30-Franken-Marke deutlich und ist nur mehr 1,25 Franken wert. Der Währungsverlust für den Kunden macht mittlerweile 56.000 Euro aus.

Der Franken-Schuldner wird zu Recht panisch. Es ist aber alles nur halb so schlimm. Er müsse doch einfach nur seine Buchverluste aussitzen. Also nur warten, bis der Euro wieder steigt. Schließlich liegt der „faire Wert“ des Euro doch nicht bei 1,25 Franken. Sondern bei 1,4 Franken, schreiben die Währungsanalysten der Credit Suisse. Soll heißen: Der Euro werde schon bald wieder steigen, wenn sich die verrückten Finanzmärkte wieder besinnen. Der Kreditnehmer ist beruhigt. Vor allem auch, nachdem er die Zinsprognose der Erste Bank für 2011 gelesen hat. Dort steht, die Eurozinsen werden bis Ende des Jahres auf 1,6 Prozent steigen, die Franken-Zinsen jedoch nur auf 0,5 Prozent. Es gibt also wieder einen veritablen Zinsvorteil beim Franken. Das gibt den Finanzberatern ein Argument, dass der Fremdwährungskredit noch immer Berechtigung hat. Schön wäre es. Die Eurozinsen (Drei-Montas-Euribor, Anm.) steigen tatsächlich auf 1,6 Prozent, aber nur für kurze Zeit. Danach fallen sie dramatisch ab – auf 0,2 Prozent. Der Zinsvorteil ist dahin – der Franken-Schuldner zahlt für den Franken-Kredit dann monatlich nur mehr um lächerliche 30 Euro weniger. Das rechtfertigt bei Weitem nicht mehr die erlittenen Kursverluste.

Kursverlust steigt

Apropos Eurokurs: Mitte 2011 fällt er auf das Allzeittief von 1,14 Franken. Der Kreditnehmer hat eine schlaflose Nacht: Vor zehn Jahren hat er einen Kredit um 200.000 Euro aufgenommen – jetzt steht er mit Schulden von 283.000 Euro da. Ein Tiefpunkt.

Anfang 2013 sagt dann Marco Curti, Investment-Vorstand der Zürcher Kantonalbank, dass der „faire Wert“ des Euro (also der objektive Wert ohne Markteinflüsse) nur mehr bei 1,25 Franken liege. Für die Franken-Kreditnehmer besteht nicht viel Hoffnung, dass der Euro bald wieder an Stärke gewinnen wird.  Seit zwei Jahren dümpelt er zwischen 1,2 und 1,23 Franken herum. Das Resümee: Der Franken-Kreditnehmer steht mit einem Kursverlust von über 60.000 Euro da. Er hat im Franken um rund 32.000 Euro weniger an Zinsen bezahlt (im Vergleich zu einem entsprechenden Eurokredit). Seine Bilanz: ein Minus von 28.000 Euro. Sein Tilgungsträger ist zudem (höchstwahrscheinlich) unter Wasser. Und die Währungsanalysten haben ihre Prognosen kürzlich wieder revidiert: Der Franken präsentiert sich stärker, als sie angenommen haben.

Eine schlechte Nachricht für den Franken-Kreditnehmer. Wieder einmal. Die Bank sitzt ihm sowieso fest im Nacken. Sie will seit Jahren, dass er aus dem Franken aussteigt. Dann wäre er zwar die Sorgen vor einem weiteren Eurokursverfall los, müsste aber alle Kursverluste realisieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2013)

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