Energie: Konsumentenschützer versprechen zu viel

www.BilderBox.com
  • Drucken

Der Verein für Konsumenteninformation lockt über 260.000 Österreicher zum Anbieterwechsel - mit falschen Zahlen. Jetzt wird geklagt.

Wien. Der bis dato größte PR-Erfolg des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) droht sich in ein Fiasko zu verwandeln. Mehr als 260.000 Österreicher haben sich für den kollektiven Strom- und Gasanbieterwechsel unter der Führung der Konsumentenschützer angemeldet. Jedem von ihnen hat der VKI ein persönliches Angebot über seine „individuelle Kostenersparnis" versprochen. 200.000 dieser Briefe sind mittlerweile versandt - doch die Berechnungen darin sind mitunter falsch.

Das behauptet zumindest der deutsche Erdgasanbieter Montana, der sich nicht am organisierten Bieterrennen um die wechselfreudigen Österreicher beteiligt hat. Die ausgewiesenen Ersparnisse seien falsch. Im schlimmsten Fall müssten Kunden bei einem Wechsel sogar Mehrkosten erwarten. Grund dafür ist die Berechnungsmethode des VKI. Statt die tatsächlichen Tarife der Teilnehmer zur Grundlage der Berechnungen zu nehmen, hat der Verein den Durchschnitt von drei (teureren) Gas-Tarifen herangezogen, die erst mit 10.1. angeboten wurden. „Kein einziger Montana-Kunde, der beim VKI mitgemacht hat, hat diese Tarife", sagt Montana-Chef Clemens Wodniansky zur „Presse". Sie würden in den allermeisten Fällen weniger bezahlen.

In einem Fall habe der VKI einem Teilnehmer etwa eine persönliche Ersparnis von 85,55 Euro im Jahr vorgerechnet, tatsächlich hätte der Kunde bei einem Wechsel 31,14 Euro mehr gezahlt als jetzt. Über hundert Montana-Kunden hätten - aufgrund scheinbar falscher Informationen - bereits zum VKI-Angebot gewechselt, so Wodniansky. Erste Versuche, den Verein für Konsumenteninformation zum Einlenken zu bringen, hätten nichts gefruchtet. Deswegen habe er beim Handelsgericht Wien Klage auf Unterlassung eingebracht.

Falsche Berechnungen „Einzelfälle"

Beim VKI selbst will man dazu nur wenig sagen. Die Klage könne man nicht kommentieren, weil man sie nicht erhalten habe, sagt VKI-Energieexperte Christian Kornherr. Die falschen Berechnungen bei Montana räumt er zwar ein, sieht sie aber als nicht repräsentativ an. „Wir haben uns entschieden, den Durchschnitt der aktuell verfügbaren Preise zu nehmen. Da gibt es natürlich eine gewisse Schwankungsbreite". Montana habe jedoch als einer von wenigen Anbietern die Preise erhöht - und so die Ergebnisse verfälscht.

Warum der VKI nicht jene Tarife zur Berechnung der „individuellen Ersparnis" herangezogen habe, die von den Interessenten bei der Anmeldung selbst bekannt gegeben wurden, erklärt er mit der schieren Masse der Anmeldungen. Zur Erinnerung: 340.000 Österreicher wollten bei der VKI-Aktion dabei sein. 260.000 können teilnehmen.

Man habe mit dem Software-Partner Prizewize auch diese Möglichkeit diskutiert, sich letztlich aber dagegen entschieden. Auch die Schätzung sei „übliche Praxis". Für jene 60.000 Briefe, die noch nicht versandt wurden, werde an der Berechnung vorerst nichts geändert. Die falschen Ergebnisse sieht der VKI-Experte als Einzelfälle. „Ausschließen kann ich aber nichts". Bisher haben 35.000 der 200.000 angeschriebenen Interessenten zugesagt, das Angebot anzunehmen. Erwartet werden letztlich doppelt so viele. Zeit bleibt bis zum 11. April.

70 Prozent wechseln zum ersten Mal

Etliche Strom- und Gasanbieter haben, wie die Montana, im Vorfeld kein Angebot gelegt. Ihnen stößt die Provisionsgebühr von 30 Euro sauer auf, die die Energieanbieter pro Wechsler an VKI und Prizewize zu bezahlen haben. Im Strombereich, wo Enamo, die Diskont-Tochter der oberösterreichischen Landesversorger Linz AG und Energie AG, gewonnen hat, zählt Switch-Chef René Huber zu den schärfsten Kritikern des VKI-Verfahrens.

An eine Klage denkt er dennoch nicht. „Wir profitieren von der Aktion", sagt er zur „Presse". Die Diskont-Tochter der Energie-Allianz hat - wie viele andere - auf das VKI-Angebot reagiert und selbst einen billigeren Tarif angeboten (siehe Tarifkalkulator der E-Control).
So haben die Konsumentenschützer zumindest eines geschafft: Den Wettbewerb am Strom- und Gasmarkt anzuheizen und mehr Österreicher zum Wechsel zu motivieren. 70 Prozent der Teilnehmer wechseln ihren Energieversorger zum ersten Mal.

(Die Presse. Printausgabe vom 22.2.2014)

Mehr erfahren

Home

Energiekostenaktion: Wechsel bis 11. April möglich

Mehr als 260.000 Teilnehmer erhalten ein E-Mail über das individuelle Sparpotenzial. Für Wechselwillige gibt es einen Umsteigerbonus von 50 Euro.
Home

VKI-Energiekostenaktion: Ansturm verzögert Start

Die Nachfrage hat "alle Erwartungen gesprengt". Für Westösterreich gibt es kein Gasangebot.
Symbolbild Energie
Mein Geld

VKI: 260.970 Interessenten für Energie-Einkaufsgemeinschaft

Mit der Aktion "Energiekosten-Stop" will der Verein für Konsumenteninformation bessere Einkaufskonditionen für die Teilnehmer erreichen.
Home

VKI-Energieaktion: Bisher wollen 50.000 den Anbieter wechseln

Konkurrenten beklagen, dass die ausgewiesenen Ersparnisse nicht immer ganz stimmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.