Das glückliche Huhn auf der Weide

Martin und Lilli Bossanyi
Martin und Lilli BossanyiDie Presse
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Im niederösterreichischen Göttlesbrunn halten ein einstiger Filmcaterer und seine Frau Freilandhühner. Deren Weideeier gehen weg wie die warmen Semmeln – nicht nur zu Ostern.

„Oje“, sagt Lilli Bossanyi, „Sie haben die falschen Schuhe an, Schuhbänder sind ganz schlecht“, sagt sie und lacht. Und tatsächlich, mit einem Blick nach unten wird kaum das eigene Schuhwerk sichtbar, sondern die rund sieben Hühner, die an den Schuhbändern zupfen und gegen das Leder pecken. Nein, menschenscheu sind diese Hühner nicht, im Gegenteil. Kaum betritt man die große Weide, auf der Martin und Lilli Bossanyi ihre Hühner halten, und kommt in die Sichtweite der Tiere, wird man schon von ihnen umzingelt.

Das macht aber nichts, irgendwie tut es gut zu sehen, dass es die „glücklichen Hühner“ auf der freien Wiese, die man in der Werbung so oft sieht, auch in Wirklichkeit gibt. Denn auch wenn der Großteil der Hühnereier aus Bodenhaltung kommt, gibt es dennoch einige Betriebe, die auf Freiland setzen.

Martin Bossanyi und seine Frau gehören dazu. Die beiden sind eigentlich Quereinsteiger. Bossanyi war zuvor Filmcaterer und hatte ein Studio in Wien. Irgendwann haben sie aber den Hof ihres Großvaters im niederösterreichischen Göttlesbrunn übernommen und daraus den Gutshof Paul, von dem das Göttlesbrunner Weideei kommt, gemacht. „Früher gab es hier 800 Mastschweine, eine Tischlerei und einen Schlosser. Da haben bis zu 20 Leute auf dem Hof gearbeitet. Heute gibt es einen Traktor mit GPS“, sagt er. „Heute machen alles wir“, sagt sie.


Mobile Stallungen. Zuerst wurde die Landwirtschaft mit Weizen, Mais und Soja übernommen. Über Zahlen spricht Bossanyi nicht so gern, er nennt den Betrieb mittelgroß. Vor fünf Jahren ist er einmal mit einem Anhänger mit 50 Hühnern gekommen und hat ihn in den Hof gestellt. Seine Frau wusste nichts von dem Vorhaben. „Ich hab nachgeschaut, das war am 21.Oktober 2008.“ Die Hühner blieben und bekamen mobile Stallungen. Bossanyi hat dazu einfach leere Lkw-Anhänger zu Hühnerställen umgebaut und auf die große Wiese gestellt. Alle zwei Monate, wenn die Hühner das Gras rundherum abgearbeitet haben, verschiebt er den Stall um ein Stück. Heute sind es an die 2500 Hühner und acht Stallungen. Gefüttert werden die Tiere mit selbst angebautem Soja und Mais. „Wir müssen zufüttern, weil die Tiere Eiweiß brauchen“, sagt er.

Von biologischer Landwirtschaft hält er wenig. „Wozu, die Weide ist eh groß genug, bei Bio würd ich sie noch größer machen, aber Sie sehen ja eh, die Hühner gehen nicht bis nach hinten zum Wald, das ist gegen ihr natürliches Schutzbedürfnis.“ Und auch sonst hält er nicht viel von so manchen Vorgaben. „Ich verfüttere lieber mein eigenes Futter, als Biofutter aus Südamerika.“ Überhaupt könne er mit dem Preis zwischen 24 und 50 Cent pro Ei ohnehin nicht mehr viel nach oben gehen.


0,76 Eier pro Tag und Huhn. Jeden Morgen geht jemand vom Familienbetrieb die Hühner füttern und gleichzeitig die Eier einsammeln. Wie viele es genau sind, wissen die beiden nicht. „Sagen wir so, normalerweise legt ein Huhn 280 Eier im Jahr. Wobei wir sicher drunterliegen, weil das eine exzessive Haltung ist.“ Seine Frau hat den genauen statistischen Wert parat: „0,76 Eier pro Huhn und Tag.“ Verkauft werden die Eier im Eierautomaten, der am Hof zur Straßenseite angebracht wurde. „Das wird gut angenommen, das Weideei ist in der Gegend total etabliert.“ Zweimal pro Woche fährt er nach Wien, einmal um die Gastronomie und Privatkunden zu beliefern, das zweite Mal am Samstag zum Karmelitermarkt. „Wir haben nie Werbung gemacht. Wir kämpfen nicht um neue Kunden, sondern darum, die bestehenden Kunden beliefern zu können“, sagt der Landwirt.


Bitterböser Tag.
Alle eineinhalb Jahre werden die Hühner ausgetauscht. „Das ist ein bitterböser Tag“, sagt sie, um gleich zu relativieren, dass natürlich nicht alle Hühner abgeholt werden. Die Tiere würden danach zwar noch sehr wohl Eier legen, allerdings nicht mehr so viele und auch mit brüchiger und dünnerer Schale. „Alle eineinhalb Jahre kommt die oberösterreichische Suppenhuhn-AG und holt sie ab“, sagt er. Denn zu viel mehr als zu Suppenhühnern sind die Tiere nicht mehr zu gebrauchen. „Man kann noch Paprikahendl oder Coq a vin daraus machen, aber das Fleisch ist schon ganz anders, die Hühner sind ja viel athletischer.“ Gekostet haben die beiden die eigenen Tiere schon. Ein bisschen komisch war das, meint sie. Über mehrere Wochen hin werden dann die Tiere ausgetauscht, immerhin darf der Eierverkauf nicht abbrechen. Dazwischen werden die Wagen gereinigt und desinfiziert, bis die neue Partie einzieht.

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500 Hühner und ein Hahn befinden sich auf der größten, eingezäunten Wiese. Nachdem ein besonders blutrünstiger Fuchs bis zu 30 Hühner pro Nach geholt hat, gibt es jetzt einen elektrischen Zaun. „Er war im Blutrausch, vor zwei Jahren hat er 250 bis 300 Hendl umgebracht“, sagt Lilli Bossanyi. Der Hahn ist – im Gegensatz zu den Hühnern – recht schüchtern. Er spielt sich nicht groß auf und attackiert niemanden. „Er ist angenehm, wir hatten aber auch schon einmal einen ganz anderen“, sagt sie. Und einmal ist plötzlich ein neuer Hahn aufgetaucht, offenbar wollte ihn jemand loswerden und hat ihn über den Zaun gegeben. „Das wollen wir eigentlich nicht, wir sind ja auch kontrolliert.“

Eier legen die Hühner übrigens auch ohne Hahn, aber er sorgt für Ruhe, erklärt der Bauer. „Wenn sich zwei streiten, dann geht er dazwischen“, sagt er und spaziert in Richtung Auto, um die paar Meter zum Hof zurückzufahren. Dort angelangt, ist nicht nur das Haushuhn Gucki – das in der Hundehütte wohnen darf, nachdem es von den anderen Hühnern verstoßen wurde – ausgebüchst, sondern auch der Eierautomat schon wieder leer. „Das gibt es ja nicht – jetzt schon?“, sagt sie. Mindestens einmal pro Woche seien sie ausverkauft. Zu Ostern sei es immer besonders schlimm, denn den Hühnern ist die steigende Nachfrage natürlich egal. „Ich kann ja nicht die Hühner zu Ostern klonen“, immerhin werden die Eier in der Güteklasse Extrafrisch, sprich binnen neun Tagen, verkauft. „Letztes Jahr“, sagt sie, „mussten wir uns zu Ostern selbst Eier kaufen. Da war alles weg.“

Haltung

Bio: wie Freiland, nicht mehr als 3000Hühner, Biofutter, Biokontrollen

Freiland: mind. 8m/Huhn, inkl. Stall mit Nestern, Sitzstangen, Futterplätzen

Bodenhaltung: mind. ein m/Huhn, mit Sitzstangen, Nestern, Scharrraum, bei Außenbereich: bis zu neun Tiere/m

Käfighaltung: 550cm/Huhn, seit 2009 in Ö verboten (EU: 2012), ausgestaltete Käfige (750cm/Huhn, inklusive Scharrbereich, Sitzstange, Nester) in der EU erlaubt

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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