Zwölf Sekunden Ruhm

Regisseurin Claudia Heinzl
Regisseurin Claudia HeinzlDie Presse
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Das "Landjäger-Magazin" lädt zu den Kürzestfilmfestspielen. Mitmachen können professionelle Filmemacher oder Amateure mit Handykamera. Das Limit: zwölf Sekunden.

Was kann in zwölf Sekunden schon passieren? Man kann sich die Hände waschen, einen Bleistift spitzen, die Schuhe anziehen, einen halben Werbespot schauen. Nichts, was die Welt bewegt. Nichts, was für eine Geschichte taugt. Oder doch?

Dass man Geschichten durchaus in den engen Zeitrahmen von zwölf Sekunden gießen kann, will das „Landjäger-Magazin“ beweisen. Das unkonventionelle Heft, das seit 2005 in Print und nebenbei in allerlei anderen Drucksorten – als Bierdeckel oder Spielkarten etwa – erscheint, ruft zu einem Zwölf-Sekunden-Filmfestival auf. Passend zum Thema der nächsten (und insgesamt zwölften) Ausgabe „Konzentrat“ sollen Filmemacher und solche, die es werden wollen, ihre Geschichten in Kürzestzeit präsentieren. „Das ist eine ganz konzentrierte Form, Filme zu machen“, sagt Michaela Bilgeri, Chefredakteurin des „Landjägers“.

Mit dem Filmfestival erhofft sich natürlich auch das Magazin erhöhte Aufmerksamkeit. „Der ,Landjäger‘ war am Anfang ein ganz kleines Ding“, erzählt Bilgeri. Die erste Ausgabe erhielt gleich den Red Dot Design Award, seit diesem Jahr will das junge Team zweimal im Jahr ein Gratismagazin mit einer Auflage von 10.000 Stück herausbringen. „Zu jedem Heft überlegen wir uns, wie man Geschichten noch anders erzählen kann“, sagt Bilgeri. Die Kürzestfilmfestspiele sind der neueste Clou der Magazinmacher.

Zwölf Sekunden Gefangenschaft.
Da stellt sich immer noch die Frage, wie man in nur zwölf Sekunden eine Geschichte erzählen kann. „Es muss einschlagen“, sagt Filmemacherin Claudia Heinzl. „Entweder man provoziert, oder man versucht, die Leute zum Lachen zu bringen. Ich habe mich für die Provokation entschieden.“ Die Linzerin hat Theaterwissenschaft und Philosophie studiert, eine Schauspielausbildung absolviert und in New York Regie studiert. Sie hat mit US-Regisseur Spike Lee zusammengearbeitet und einige Kurzfilme gedreht. Im Moment arbeitet sie an einem Spielfilm über die Lebensgeschichte ihrer brasilianischen Mutter, nebenbei dreht sie eine Doku über Randgruppen mit einem Berliner Produzenten.

Für die Kürzestfilmfestspiele wagte sie sich an ihr bisher kürzestes Filmprojekt. Ihr Zwölf-Sekünder „Interstice“ zeigt in einer One-Shot-Aufnahme ein junges Mädchen, das von einem Mann in einem Lichtschacht gefangen genommen wird. „Interstice ist ein altenglischer Begriff für Zwischenräume. Was zwischen den Räumen passiert, bleibt meistens unerkannt.“ Ein derart ernstes Thema auf zwölf Sekunden Film zu bannen, empfand Heinzl als „absolute Herausforderung“. „Wenn hinter dem Film eine Absicht stehen soll, muss man sich ganz schön anstrengen!“

Zwölf Sekunden Flirtunglück. Von ähnlichen Schwierigkeiten berichtet auch Michael Leitner: „Das Schwierigste ist, die Elemente herauszufiltern, die eine Geschichte ausmachen, ohne dass die Geschichte verloren geht.“ Der Steirer arbeitet in einer Medienagentur und schreibt seine Doktorarbeit über mobile Medien. Seine Einreichung „Es sind die kleinen Dinge im Leben, an denen du zerbrichst“ zeigt eine missglückte Flirtszene in einer U-Bahn. Die Szene wurde scheinbar zufällig mit einem Handy gefilmt. Leitner hat sich das Material von der Plattform YouTube „geliehen“, auf zwölf Sekunden gekürzt und mit Musik hinterlegt.

Dass es oft nicht viel mehr als das braucht, um eine kleine Geschichte filmisch zu erzählen, zeigen auch die derzeitigen Internettrends – wie die Smartphone-App Vine. Der Dienst, der zu Twitter gehört, lässt seine Nutzer sechs Sekunden lange Videos aufnehmen, die in sozialen Netzwerken geteilt und dann in Endlosschleife abgespielt werden. Über 40 Millionen registrierte Nutzer zählt die App bereits. Im Netz finden sich massenhaft Kurzvideos – von den obligaten Katzen- und Babyszenen bis hin zu durchwegs unterhaltsamen Minihandlungen.

Solche Minihandlungen sollen nun eine Bühne bekommen. Bei den Kürzestfilmfestspielen kann jeder mitmachen, ob professioneller Filmemacher oder Amateur mit Handy. Alle Einreichungen werden ab Mai auf der Webseite des „Landjäger-Magazins“ präsentiert und einem Publikumsvoting unterzogen. Am 30. Mai sollen die Filme bei den Kürzestfilmfestspielen in der Kunsthalle am Karlsplatz gezeigt werden. „Da präsentieren wir die Filmemacher wie Stars, inklusive roten Teppichs“, so Bilger. Eine Fachjury – bestehend aus Andreas Ungerböck vom „Ray“-Filmmagazin, Barbara Eppensteiner, Programmintendantin von Okto-TV, und Martin Gruber vom Aktionstheater-Ensemble – wird die besten Filme küren. Außerdem werden die Filme beim Poolbar-Festival in Feldkirch gezeigt, auch eine Kooperation mit Infoscreen ist im Gespräch.


Zwölf Sekunden Fliege im Aug.
Im Rennen ist auch Michael Tripolt vom Designkollektiv Atzgerei. Sein Beitrag, eine digitale 2-D-Animation, zeigt ein traurig blickendes Kindergesicht, das von einer Fliege belästigt wird. „Es ist eine spannende Aufgabe, in zwölf Sekunden einen Gedanken zu transportieren. Normalerweise braucht schon eine schöne Eröffnungssequenz drei bis vier Sekunden. Da bleibt für die Geschichte nicht mehr viel übrig“, sagt er. Die Atzgerei ist ursprünglich im Grafik- und Siebdruckbereich angesiedelt, hat aber immer wieder auch Kurzfilme oder Dokus produziert. Für den Animationskurzfilm, an dem er fast drei Tage lang saß, hat sich der Grafiker und Illustrator Tripolt mit neuen Produktionstechniken vertraut gemacht. „Es ist ein schöner Anreiz, etwas Neues auszuprobieren.“

Nebenbei ist er auch mit einem größeren Projekt beschäftigt: Die Atzgerei wird die Animationen für das Red Ribbon Celebration Concert anlässlich des Life-Balls liefern. „Anna Netrebko singt, und auf der Leinwand dahinter läuft unsere Animation“, freut sich Tripolt. Die dauert dann aber länger als zwölf Sekunden.

Filmfestival

Kürzestfilmfestspiele.Ein Festival, so unkonventionell wie das Heft selbst: Das junge Team vom „Landjäger-Magazin“ lädt zum Zwölf-Sekunden-Filmfestival. Einreichungen sind noch bis 11. Mai möglich. Infos auf www.landjaeger.at.

Den Siegerbestimmen Publikum und Jury. Die Filme werden am 30. Mai bei freiem Eintritt im Restaurant Heuer in der Kunsthalle am Wiener Karlsplatz präsentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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