Milliardenprojekt: Lobautunnel entzweit Rot-Grün

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Lobau(c) Clemens Fabry
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Bei Wiens Sozialdemokraten werden Stimmen laut, kein weiteres Mal mit den Grünen zu koalieren, wenn sie ihre Zustimmung zum Lobautunnel verweigern.

Wien. Lange Zeit war es ruhig um den Lobautunnel. Bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen nach der Wien-Wahl 2010 wurde dieses Thema ausgeklammert, weil sich SPÖ und Grüne selbst nach langen Verhandlungen nicht einigen konnten: Für Bürgermeister Michael Häupl und die SPÖ steht der Lückenschluss des Wiener Autobahnrings (die Verlängerung der Außenring-Schnellstraße S1 von Schwechat nach Süßenbrunn mit seinem Herzstück, dem Lobautunnel) außer Frage, wie Häupl oft betont hat. Für die Grünen dagegen ist der geplante Autobahntunnel, der unter einem Naturschutzgebiet verläuft, absolut inakzeptabel – sie befürchten in dem geschützten Gebiet schwere Umweltschäden.

Pattsituation im Rathaus

Dieses Patt war nicht aufzulösen – das Problem wurde in die nächste Legislaturperiode verschoben. Auch, weil der Bund über die für Autobahnprojekte zuständige Asfinag das Projekt verschoben hatte – nachdem das Geld für das Großprojekt (geschätzte Kosten: ca. 1,3 Milliarden Euro) in Zeiten leerer Kassen knapp ist.

Die Wien-Wahl 2015 wirft nun ihren Schatten voraus – der Lobautunnel wird wieder zum Thema. Am Dienstag sagte der neue Donaustädter Bezirksvorsteher, Ernst Nevrivy (SP), zur „Presse“, eine nochmalige Koalition nach der Wien-Wahl 2015 sei für ihn ausgeschlossen, wenn sich die Grünen weiter gegen den Lobautunnel wehren. Er fordert für diesen Fall auch von seiner Partei: Keine neue Koalition mit den Grünen. Denn es sei undenkbar, die Verkehrsprobleme in der Donaustadt ohne den Lobautunnel zu lösen.

Auch SP-Verkehrssprecher Gerhard Kubik sieht den Lobautunnel als Knackpunkt in den Koalitionsgesprächen, falls die Wiener SP bei der Wahl 2015 nicht die absolute Mehrheit erreicht (davon ist man laut Umfragen derzeit weit entfernt). Den Lobautunnel mit dem Schicksal der rot-grünen Koalition dezidiert verknüpfen, wie es Nevrivy tut, will Kubik aber nicht: „Das maße ich mir nicht an.“ Er hält aber fest: Der Lobautunnel sei zwar nicht im derzeitigen Koalitionsabkommen verankert. Aber er werde sicher ein wichtiger Teil der Koalitionsgespräche.

Die Grünen reagieren mit Verwunderung: „Wir entscheiden über Wiener Projekte. Der Lobautunnel ist aber keine Wiener Entscheidung – er ist eine Sache des Bundes, der Bund entscheidet“, sagt Umweltsprecher Rüdiger Maresch. „Der Lobautunnel ist also nicht koalitionsrelevant“, Nachsatz: „Uns gefällt das Projekt nicht, es ist auch unsinnig.“

Faktum ist aber: Die Asfinag wird den Lobautunnel nicht ohne Zustimmung der Wiener Stadtregierung bauen. Und dafür müssen auch die Grünen zustimmen.

Eine mögliche Lösung hatte Bürgermeister Michael Häupl 2010 im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ins Spiel gebracht, als die Auseinandersetzung um den Lobautunnel zwischen Rot und Grün immer heftiger wurde: Falls sich die Koalition bei diesem Milliardenprojekt nicht einigen kann, sollten die Bürger das letzte Wort haben, meinte der Stadtchef damals. Es könnte also eine Volksbefragung über den Lobautunnel geben, um dieses Patt aufzulösen.

Wobei diese rot-grüne Diskussion derzeit ohnehin rein akademisch ist. Der Bund, also auch die Asfinag, hat derzeit kein Geld für das Milliardenprojekt. Nicht zuletzt deshalb wurde die Eröffnung, die ursprünglich 2015 über die Bühne hätte gehen sollen, auf das Jahr 2018 verschoben. Gibt es nach der nächsten Wien-Wahl wieder eine rot-grüne Koalition, würde sich diese mitten in der Legislaturperiode wieder mit dem Großprojekt beschäftigen müssen – die alten Konfliktlinien würden wieder aufbrechen.

Verschiebung wahrscheinlich

Nur: Ob der Termin hält, der Lobautunnel 2018 wirklich eröffnet wird, ist aber noch völlig unsicher. Immerhin wurde die budgetäre Situation des Bundes in den vergangenen Jahren nicht besser, sondern deutlich schlechter. Nicht wenige in der SPÖ und bei den Grünen rechnen damit, dass das Projekt wieder nach hinten verschoben wird. Und der Koalitionsfrieden gewahrt bleibt.

WIENER AUTOBAHNRING

Die Strecke zwischen Knoten Schwechat und Süßenbrunn ist der letzte fehlende Teil, damit der Autobahnring um Wien geschlossen werden kann. Herzstück dieser Umfahrung ist ein etwa 8,2 Kilometer langer Tunnel, der bis zu 45 Meter unter dem Naturschutzgebiet Lobau und der Donau verläuft. Die Kosten für den Tunnel sollen rund 1,3 Milliarden Euro betragen. Die Verkehrsfreigabe für diesen Abschnitt der S1 soll 2018 erfolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2014)

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