Riskantes „Sparen“: Berater haftet – aber nicht gleich

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Einer Kundin wurde eine Lebensversicherung aufgeschwatzt – und Kredite, um die Prämien zu zahlen. Sie hat Anspruch auf Ersatz eines künftigen Schadens, hat der OGH entschieden. Aber vorerst heißt es für sie: Bitte warten!

Wien. Als „Sparen ohne eigenes Geld“ wurde das Modell beworben, und es klang nicht unplausibel: Für eine fondsgebundene Lebensversicherung, also ein Produkt mit Kapitalgarantie, sollten die Jahresprämien mit einer Serie von kurz laufenden Privatkrediten finanziert werden.

Entwickelt hatte diese Idee der Vermögensberater Johannes Steiner. Und einkommensschwache Menschen ohne Möglichkeit, selbst etwas anzusparen, stiegen gern darauf ein. Funktionieren kann so etwas aber nur, wenn erstens die Lebensversicherung entsprechend hohe Renditen erwirtschaftet – was in den vergangenen Jahren bekanntlich nicht der Fall war – und wenn sich zweitens für die gesamte Laufzeit immer wieder Kreditgeber finden, sowohl für die Zahlung der laufenden Jahresprämien als auch für die Tilgung der alten Kredite samt Zinsen. Alles in allem ist es eine hochriskante Spekulation.

Viele Blankounterschriften

Zumindest in jenem Fall, mit dem sich kürzlich der OGH befasste (8Ob66/14k) hat offenbar niemand der betroffenen Kundin dieses Risiko klargemacht. Sie schloss im April 2008 geförderte Zukunftsvorsorgeverträge für sich und ihren Sohn mit einer Jahresprämie von 2146 Euro ab und unterschrieb zwei Kreditvermittlungsaufträge, eine Reihe von Blanko-Kreditanträgen sowie ein Beratungsprotokoll. In dieses Protokoll diktierte ihr die Finanzdienstleistungsassistentin, die mit ihr das Beratungsgespräch führte, zwar folgenden Satz: „Meine Spekulation ist, dass der Ertrag der Polizze die Kosten für den fremdfinanzierten Betrag übersteigt.“ Was das konkret bedeutet, wurde ihr aber nicht näher erläutert. Im Gegenteil, ihr wurde ein sicherer Gewinn von etwa 3000Euro je Polizze in Aussicht gestellt.

In weiterer Folge erhielt die Anlegerin tatsächlich Kredite vermittelt. Entgegen der Vereinbarung wurden ihr aber Zinsen und Teiltilgungen vorgeschrieben und schließlich eine Pfändung angedroht. Nach und nach erkannte sie das tatsächliche Risiko des Konstrukts und zog die Reißleine, indem sie die Lebensversicherungen prämienfrei stellte und die Kreditvermittlung stoppen ließ.

„Man kann auf diese Weise plötzlich zig Kreditgeber haben und weiß es wegen der Blankounterschriften nicht einmal“, sagt Rechtsanwalt Alexander Klauser. Er vertrat in dem Verfahren den Verein für Konsumenteninformation (VKI), der im Auftrag des Sozialministeriums für die Anlegerin prozessierte. Er sei auch mit anderen Fällen befasst, sagt er: „Es gibt Leute, die mit sechzig- oder achtzigtausend Euro Schulden dastehen, und die Lebensversicherung ist nur 20.000 Euro wert. Sie stehen jetzt vor dem Privatkonkurs.“ Im konkreten Fall betrug die Differenz zwischen dem Wert der Lebensversicherung und dem Kreditaufwand 2013 „erst“ rund 1400 Euro. Dass die Anlageberatung fehlerhaft war, steht laut OGH zweifellos fest. Und zwar sowohl wegen der Zusage, dass für das Anlagemodell keine Eigenleistungen nötig seien, als auch wegen der Gewinnzusicherung, obwohl eine verlässliche Prognose des Ertrags unmöglich war. Das Höchstgericht bestätigte auch, dass der Beratungsfehler Steiner zuzurechnen ist, auch wenn die Beraterin nicht seine Angestellte, sondern eine selbstständige Finanzdienstleistungsassistentin war. Denn sie sei jedenfalls als seine Erfüllungsgehilfin tätig geworden.

Rückabwicklung untunlich

Gleich loswerden kann die betroffene Anlegerin das unerwünschte Finanzprodukt aber nicht: Zwar tritt laut OGH bei einer fehlerhaften Anlageberatung der Schaden sofort ein, sobald der Kunde das falsche Anlageprodukt erwirbt, und man hat dann grundsätzlich einen Anspruch auf „Naturalersatz“. Man ist also finanziell so zu stellen, „als wäre das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten nicht gesetzt worden“, erklärt Klauser. In diesem Fall sei das aber nicht tunlich, entschied das Gericht: Denn die Anlegerin hatte ja nicht bloß ein Wertpapier gekauft, das sie nun einfach gegen Kostenersatz zurückgeben könne – sondern da sind auch noch die diversen Verträge mit Dritten – nämlich mit den verschiedenen Kreditgebern.

Erfolg hatte der VKI deshalb nur mit seinem Feststellungsbegehren, dass ein künftiger Schaden (der erst zum Laufzeitende der prämienfrei gestellten Lebensversicherungen feststehen wird) zu ersetzen ist. Bis dahin heißt es für die Anlegerin: Bitte warten!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)


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