Ehrenschiedsgericht: Neue Anlaufstelle bei Beratungsfehlern

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Das neue Ehrenschiedsgericht befindet über Fehlverhalten von Finanzdienstleistern. Und kann auch Bußgelder verhängen.

Wien. Vor allem gehe es um das Zurückgewinnen von Vertrauen, sagt Wolfgang Pöschl. Der frühere Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien ist jetzt Vorsitzender eines neuen Ehrenschiedsgerichts, das über Beratungsfehler und anderes Fehlverhalten von Finanzdienstleistern befinden soll.

Unter einem Vertrauensdefizit leidet die Branche tatsächlich, seit zahlreiche Anleger durch Finanzkrise, Madoff-Skandal und zweifelhafte Anlageempfehlungen für hochspekulative Geschäfte viel Geld verloren haben. Nicht wenige Betroffene haben ihre Bank, ihren Vermögensberater oder beide verklagt, auch im Zuge sogenannter Sammelklagen österreichischer Prägung.

Inzwischen dürfte der Höhepunkt der Klagewelle überschritten sein, auch wenn längst noch nicht alles aufgearbeitet ist. Und natürlich war nicht immer der Berater schuld, wenn ein Investment fehlschlug. Trotzdem wurde infolge der Krise evident, was vorher, in Zeiten des Börsenbooms, lang unbemerkt blieb: Vielen sogenannten Finanzberatern fehlte schlicht das nötige Fachwissen für diesen Job.

Dagegen wurde inzwischen das eine oder andere unternommen, so brauchen jetzt auch Wertpapiervermittler einen Befähigungsnachweis. Die früheren Finanzdienstleistungsassistenten, die keine Prüfung ablegen mussten, gibt es nicht mehr. Die Zahl der Finanzdienstleister schrumpfte drastisch: Laut Pöschl hatte die Fachgruppe in der Wirtschaftskammer vor der Krise rund 12.500 Mitglieder, jetzt sind es nur mehr rund 6700. Der Imageschaden ist mit dieser Marktbereinigung aber noch lang nicht behoben, auch wenn sich die Branche um vertrauensbildende Maßnahmen bemüht. Anfang 2013 wurde eine Ombudsstelle für Kundenbeschwerden eingerichtet, heuer zu Jahresbeginn folgte die Einsetzung des Ehrenschiedsgerichts, das über Verstöße gegen die Standesregeln der Branche befinden soll.

Geldbußen bis 7500 Euro

Noch ist dort kein Fall anhängig, denn tatsächlich eingerichtet wurde es erst um die Jahresmitte. Zuständig sei es, wie Pöschl sagt, „für jedes Fehlverhalten eines Finanzdienstleisters, und zwar auch dann, wenn noch nichts passiert ist“. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Gerichten und auch zu Stellen wie der Schlichtung für Verbrauchergeschäfte: Das Schiedsgericht kann auch tätig werden, wenn dem Kunden (noch) kein Schaden entstanden ist oder wenn sich der Schaden nicht nachweisen lässt. Es stellt fest, ob gegen Standesregeln verstoßen wurde, und kann Geldbußen bis 7500 Euro verhängen. Dem Übeltäter die Berufsausübung verbieten kann es nicht, wohl aber der Behörde empfehlen, dessen Zuverlässigkeit zu überprüfen. „Und nach zwei, drei Verfehlungen werden wir das auch tun“, sagt Pöschl. „Dann kann die Gewerbeberechtigung weg sein.“

In Gerichtsverfahren, bei denen es um denselben Beratungsfehler geht, haben solche Schiedssprüche klarerweise keine bindende Wirkung. Geschädigten Kunden könnte es aber trotzdem bei der Klagsführung helfen, wenn das Schiedsgericht bereits einen Verstoß gegen Berufspflichten festgestellt hat. In gewisser Hinsicht sei das ähnlich wie bei einem bereits vorliegenden Strafurteil, sagt Pöschl.

Zuständig ist das Ehrenschiedsgericht allerdings nur für Finanzdienstleister, die sich ihm unterworfen haben. Derzeit betrifft das gewerbliche Vermögensberater und Wertpapiervermittler, die den „Standes- und Ausübungsregeln“ beigetreten sind. 401 Dienstleister haben das mit Stand vom 17.Oktober getan (siehe www.wko.at/pro-kunden). Als weitere Berufsgruppe kommen laut Pöschl ab Anfang 2015 die Pfandleiher dazu. Auch deren Branchenimage kann dadurch wohl nur gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2014)

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