Österreich: Mehr als 100 Terrorverdächtige unter Beobachtung

Die Polizei hält mehr als 100 Terrorverdächtige in Österreich unter Beobachtung.
Die Polizei hält mehr als 100 Terrorverdächtige in Österreich unter Beobachtung.(c) APA/BARBARA GINDL
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Der Verfassungsschutz hat nicht nur 60 Syrien-Rückkehrer und rund drei Dutzend ihrer Unterstützer im Visier, sondern darüber hinaus noch andere Terrorverdächtige. Die Gefahr war wohl noch nie so hoch wie jetzt.

Wien. Offiziell will es niemand sagen, doch unter der Hand machen die Sicherheitsbehörden kein Hehl mehr daraus: Die Terrorgefahr war in Österreich vermutlich noch nie so hoch wie jetzt. Ein Anschlag wie in Ottawa wäre jederzeit auch hierzulande möglich. Mehr als 100 Terrorverdächtige hält die österreichische Polizei mittlerweile unter Beobachtung. Genauere Zahlen wollte das Innenministerium gegenüber der „Presse“ nicht nennen – aus „ermittlungstaktischen Gründen“, wie es hieß.

Doch es lassen sich Rückschlüsse aus den Angaben ziehen, mit denen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner jüngst an die Öffentlichkeit gegangen ist. Demnach halten sich derzeit 60 Personen in Österreich auf, die auf Seiten radikaler Gruppen im syrischen Bürgerkrieg gekämpft haben. Gegen sie haben die österreichischen Behörden Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet, ebenso gegen deren Unterstützer. Insgesamt laufen in Österreich gegen fast 100 mutmaßliche Jihadisten Ermittlungsverfahren.
All diese Personen hat der Verfassungsschutz im Visier. Aber nicht nur sie. Wie die „Presse“ erfuhr, geht der Kreis der Terrorverdächtigen auch noch darüber hinaus. Im radikal-islamistischen Milieu existiert nicht bloß die Syrien-Connection.

Im internationalen Vergleich ist Österreich kein Kleinstaat, was den Anteil aktiver Jihadisten anlangt. Gemessen an der Einwohnerzahl liegt die Alpenrepublik diesbezüglich im Spitzenfeld. Rund 150 Personen aus Österreich machten sich auf den Weg in den syrischen Bürgerkrieg; 30 von ihnen fanden dort übrigens den Tod. Aus Kanada, einem Land mit 35 Millionen Einwohnern, brachen rund 50 Kämpfer in den syrischen Jihad auf.

Die Entfernung zum Kriegsschauplatz spielt natürlich eine Rolle, aber nicht nur: Auffällig in Österreich ist die hohe Zahl tschetschenischer Kämpfer. Doch da zeichne sich eine Verschiebung ab, glaubt man im Innenministerium. Demnach fühlen sich nun weniger Tschetschenen vom syrischen Bürgerkrieg angezogen. Ihr Motiv, im Kampf gegen den syrischen Diktator Bashar al-Assad auch einen Stellvertreterkrieg gegen dessen russische Unterstützter zu führen, habe sich relativiert. Insgesamt aber sei der Zustrom von Freiwilligen zur Terrormiliz „islamischer Staat“ (IS) ungebrochen. Unverändert auch die Route: Wer zu IS will, steigt entweder ins Flugzeug und reist über Istanbul und Adana ins syrische Reich der Extremisten an, oder er wählt den Landweg.

Für Extremisten wirken die Enthauptungsvideos des IS offenbar nicht abschreckend, auch nicht die Luftangriffe auf Stellungen der Terrorgruppe. Im Gegenteil: Es sei dadurch auch ein „gewisser Werbeeffekt“ eingetreten, sagte ein Sicherheitsexperte zur „Presse“. Das gilt für ganz Europa: Seit Anfang des Jahres habe sich die Anzahl der Kämpfer, die es vom alten Kontinent nach Syrien zog, von 2000 auf mehr als 3000 erhöht, hieß es aus dem Büro von EU-Anti-Terrorkoordinator Gilles de Kerchove gegenüber der „Presse“.

Längst kommt der österreichische Verfassungsschutz nicht mehr mit dem Beobachten nach. Die Jihadismus-Abteilung wurde in den vergangenen Wochen um 14 Spezialisten aufgestockt, sechs weitere sollen folgen. Eine konkrete Gefahr sieht der Verfassungsschutz nach dem Terroranschlag in Kanada jedoch nicht. Für Großveranstaltungen in Wien seien an diesem Wochenende „keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen nötig“.

(cu/awe/strei)

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