Rotpopulismus: SPÖ schielt nach rechts und links

„SPÖ hat sich nie getraut, Ängste anzusprechen“, sagt Franz Voves.
„SPÖ hat sich nie getraut, Ängste anzusprechen“, sagt Franz Voves.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Auf der einen Seite die Realo-Fraktion um Franz Voves und Hans Niessl, auf der anderen der Syriza-Fanclub. Interessanterweise scheinen beide Positionen mehrheitsfähig.

In Michael Häupl verdichtet sich der Zustand der SPÖ im Kleinen: Da ein Signal nach links, dort ein Signal nach rechts. In einem Interview-Reigen am Ende dieser Woche richtete der Wiener Bürgermeister seinen Amtskollegen Franz Voves und Hans Niessl einerseits aus, dass „ein Sozialdemokrat so zu reden hat wie ein Sozialdemokrat und nicht wie die Pegida“ und dass sich, so der studierte Biologe, mit „rechtspopulistischer Mimikry“ keine Wahlen gewinnen lassen.

Andererseits kündigte Michael Häupl selbst an, Schulpflichtverstöße stärker als bisher ahnden zu wollen. Auch wenn ein Vater eine Lehrerin nicht als Autoritätsperson anerkenne, müssten Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Und zu guter Letzt hielt er auch noch die Idee von ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Asylverfahren für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten auf zehn Tage zu begrenzen, für „vernünftig“.

Die SPÖ zeigt sich dieser Tage in einer bemerkenswerten Dichotomie: Die Flügel gehen auseinander, der Rechtspopulismus und der Linkspopulismus verschaffen sich verstärkt Gehör. So auseinanderdriftend hat man die Partei schon lange nicht mehr gesehen.

Integrationsprobleme. Da sind auf der einen Seite die Landeshauptleute Franz Voves und Hans Niessl, die in diesem Jahr Landtagswahlen zu schlagen haben und eine härtere Gangart bei Integrationsunwilligkeit fordern. Und den Finger in eine offene Wunde legen: jene des Verschweigens von Integrationsproblemen. Oder in den Worten von Franz Voves in der „Kleinen Zeitung“: „Es traut sich in der Sozialdemokratie seit Jahren kaum jemand, die Probleme anzusprechen, die Ängste, das Unbehagen vor allem von Menschen, die geballt mit Migranten zusammenleben und Integrationsunwilligkeit erleben.“

Auf der anderen, der linken Seite der heimischen Sozialdemokratie, stehen neuerdings nicht nur die „Reichensteuer“-Fans, sondern ein ganzer Syriza-Fanclub. Die SPÖ-Nationalratsabgeordneten Hannes Jarolim, Daniela Holzinger, Katharina Kucharowits und Nurten Yilmaz beteiligten sich sogar an einem Wahlaufruf für die Sammelpartei der griechischen Linksradikalen.

Wie passt das zusammen? Möglicherweise gar nicht so schlecht wie es auf den ersten Blick aussehen mag. „Für diese andere Form von Politik, für die Syriza steht, mit mehr Wachstum und Beschäftigung, sind wir eigentlich alle in der SPÖ“, sagt Josef Cap, mittlerweile Leiter des Renner-Instituts, der Parteiakademie. Es sei in der SPÖ niemandem egal, wenn die Kinder in der Schule umfallen würden, weil sie zuhause kaum etwas zu essen bekämen. Die bisher regierenden Parteien in Griechenland, darunter auch die sozialistische Pasok, seien gescheitert.

Und auch die Ansichten von Franz Voves und Hans Niessl sind alles andere als eine Minderheitsmeinung in der SPÖ: „Die gewaltige Mehrheit in unserer Partei denkt so“, sagt ein führender Funktionär der Bundespartei, der lieber nicht namentlich genannt werden will. Die Position einiger Funktionäre der Sozialistischen Jugend, die Voves und Niessl „rechte Rülpser“ vorgehalten hatten, teile kaum jemand. Voves und Niessl hätten Missstände wiedergegeben, von denen man immer wieder höre.

Der frühere Innenminister und heutige Bürgermeister von Purkersdorf, Karl Schlögl, kann das nur bestätigen: „Ich bin glücklich, dass es Niessl und Voves gibt“, sagt er. Im Prinzip teile er deren Grundhaltung, eine mehrheitsfähige Politik zu machen. Denn egal, ob gewisse Kreise innerhalb der SPÖ das gut fänden oder nicht: „Am Ende geht es um Wahlerfolge.“ Und da, meint Schlögl, sei vor allem Niessl, der bei der burgenländischen Landtagswahl am 31. Mai wieder nach der absoluten Mehrheit greift, ein Vorbild.

Die Kritik am burgenländischen Landeshauptmann, dass er keine Skrupel habe, seine Politik an der Stammtischmeinung auszurichten, wie man es sonst nur von den Freiheitlichen kenne, kann Schlögl, der am Mittwoch 60 wurde, was sogar der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen Bericht wert war, nicht nachvollziehen: „Es ist nicht verwerflich, wenn man hinhört, was die Anliegen der Bevölkerung sind und das artikuliert.“ Niessl mache „keine elitäre, sondern eine bodenständige und sehr pragmatische Politik, die von einer breiten Basis in der Partei und der Bevölkerung getragen wird.“ Eines sei nämlich klar: „Nur mit linken Positionen kann man keine Wahl gewinnen.“

Re-Verstaatlichung. Zu diesem Schluss dürfte eines Tages auch Voves gelangt sein. Die steirische Landtagswahl vor fünf Jahren hat er zwar gewonnen, aber nur denkbar knapp vor der ÖVP. Im damaligen Wahlkampf hatte der Landeshauptmann ein Programm für eine „Neue europäische Wirtschaftspolitik“ vorgelegt und darin nicht nur eine höhere Vermögensbesteuerung, sondern auch Re-Verstaatlichungen gefordert.

Wirtschaftspolitisch steht Voves nach wie vor links. Aber dieses Mal scheint er, verunsichert nach den Gemeindefusionen und um Platz eins bangend, Anleihe bei seinem burgenländischen Kollegen nehmen zu wollen, indem er der FPÖ bei heiklen Fragen wie der Integration inhaltlich zuvorkommt.

Einen gesellschaftspolitischen Rechtsruck der SPÖ will Klubobmann Andreas Schieder daraus aber nicht ableiten: Er erinnere daran, dass die Partei nach wie vor gegen die „grundrechtswidrige“ Vorratsdatenspeicherung eintrete und erst vor Kurzem, gemeinsam mit der ÖVP, die Fortpflanzungsmedizin liberalisiert habe.

Schieder räumt ein, dass er über die Aussagen der beiden Landeshauptleute nicht glücklich gewesen sei. Niessl und Voves hätten damit viele Fragen aufgemacht beziehungsweise offengelassen. Und er hoffe, „dass das nicht mit den Wahlterminen in Zusammenhang steht“. Inhaltlich kann er die Debatte aber nachvollziehen, wiewohl er gegen Strafen sei. Aber: „Integration ist keine Einbahnstraße.“

Heikles Thema Islam. Der Umgang mit dem Islam ist für die SPÖ ein heikles Terrain: Einerseits steht man als traditionell antiklerikale Partei Religionen an sich kritisch gegenüber, insbesondere, wenn manche Strömungen wie etwa im Islam in Richtung Mittelalter weisen. Die Aufklärung, die Trennung von Staat und Religion, sind für einen aufrechten Sozialdemokraten eigentlich nicht verhandelbar. Andererseits gehören die Muslime eben einer Minderheit im Lande an, noch dazu einer sozial schlechter gestellten. Hier kommt dann der humanistische und soziale Ansatz zum Tragen. Also das, was Michael Häupl meint, wenn er sagt, „ein Sozialdemokrat hat so zu reden wie ein Sozialdemokrat“. Ein bisschen ein Dilemma.

Auch wenn Klubchef Schieder nun sagt: „Beim Thema Islamismus hat die SPÖ richtigerweise immer eine harte Linie gehabt.“ Die Frage ist, ob das Franz Voves auch so sieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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