Die richtige Balance beim Trinken

(c) FABRY Clemens
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Wie viel Flüssigkeit braucht der Mensch wirklich? Und wie kann man mit Wasser die Lust auf Süßes eindämmen?

Es ist die traurige Ausnahme: Tod durch übermäßigen Wasserkonsum. Vor allem beim Marathonlauf passiert es – in seltenen Fällen, aber doch –, dass ein Teilnehmer mit sechs oder sieben Litern Wasser intus tot zusammenbricht. Zu viel des Guten ist also ungesund. Umgekehrt kann man den Körper freilich auch mit zu wenig trinken ruinieren. Bei einem Wassermangel von fünf bis zehn Prozent des Körpergewichts muss man etwa mit Kopfschmerzen rechnen, mit Schwindel, Sprechschwierigkeiten, ja, sogar mit Gehunfähigkeit. Wie viel Flüssigkeit aber ist gut?

Die eingangs erwähnte Wasservergiftung kommt bei Marathonläufern häufiger vor als angenommen, endet aber gottlob in den seltensten Fällen tödlich: Beim Sport bildet der Körper vermehrt das antidiuretische Hormon, das verhindert, dass die Niere während körperlicher Anstrengung zu viel Wasser ausscheidet. Nimmt nun ein Marathonläufer zu viel Flüssigkeit zu sich, wird das Blut zu stark verdünnt, die Osmolarität des Blutes ist also viel zu niedrig. Ab einem gewissen Punkt löst das Kopfweh aus, Krampfanfälle, Verwirrtheit, Hirnschwellungen. Und die können schließlich zum Tod führen – schneller noch als das Nichttrinken, also Tod durch Verdursten. Wo aber liegt die goldene Mitte?

Bleibt ein Wunschdenken. „Eineinhalb Liter täglich sollte man schon trinken, bei sportlicher Anstrengung und höheren Temperaturen eben etwas mehr“, meint die Medizin- und Gesundheitssoziologin Susanne Altmann. Gemeinsam mit dem Diätologen Johann Grassl hat sie das Buch „Trink dich vital und gesund“ verfasst. Immer wieder aber gibt es Empfehlungen, 2,5 Liter und mehr Wasser am Tag zu trinken, auch ohne erhöhten Bedarf durch Sport oder Hitze. „Dass die Haut dadurch glatter wird, ist leider ein Wunschdenken“, schreiben Altmann und Grassl. Außerdem könne die Harnblase durch zu viel Flüssigkeit überdehnt werden, eine Funktionsschwäche der Blase könne die Folge sein.

„Es gibt auch keinerlei wissenschaftliche Hinweise, dass viel trinken irgendwelche zusätzlichen positiven Auswirkungen auf den Körper hätte“, meinte der Mediziner Karl Lhotta auf der wissenschaftlichen Fortbildungswoche der österreichischen Apothekerkammer in Schladming. Der Leiter der Nephrologie und Dialyse im Landeskrankenhaus Feldkirch geht sogar noch einen Schritt weiter. „Es reicht, wenn man trinkt, wenn man Durst hat.“ Damit wirft er alle Empfehlungen über den Haufen, denen zufolge es bereits zu spät sei, erst dann zu trinken, wenn sich das Durstgefühl meldet. „Durst entsteht, wenn der Körper mehr als 0,5 Prozent seines Gewichts an Flüssigkeit verloren hat“, heißt es im erwähnten Buch. „Wer durstig ist, leidet schon oft unter Flüssigkeitsdefizit“, meint Altmann. Das sei zwar noch nicht besorgniserregend, das Defizit müsse jedoch ausgeglichen werden.

Trinken macht dick. Einig sind sich Altmann, Grassl und Lhotta, wenn es um das Was geht: nicht zu viel Zucker, nicht zu viel Alkohol. Zucker in Getränken ist zum globalen Problem geworden und sorgt vor allem in industrialisierten Ländern für den Anstieg an Übergewichtigen. Das hat unter anderem Ernährungsexperten des Vorsorgeinstituts Sipcan – Initiative für ein gesundes Leben auf den Plan gerufen. In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sowie der Universität Wien wurde folgende Empfehlung herausgegeben: maximal 7,4 Gramm Zucker pro 100 Milliliter Flüssigkeit. Eine entsprechende Liste (einsehbar unter: www.sipcan.at) zeigt auf, wie viel Zucker die diversen Getränke enthalten, und deckt übersüße Erfrischungen auf. Leider sind auch an und für sich gesunde Fruchtsäfte darunter, die recht viel Zucker und Kalorien enthalten können. Auch wenn das Etikett mit „ohne Zuckerzusatz“ lockt, bleibt der natürliche Gehalt an Fruchtzucker hoch. Der mag zwar gesünder als der raffinierte Zucker sein, doch kalorienträchtig ist er allemal.

„Der Kaloriengehalt hängt von der Frucht ab“, so Altmann. 100 Milliliter Orangensaft liefern 40 bis 45 Kilokalorien, gleich viel roter Traubensaft schon 70 Kalorien. Für die schlanke Linie nicht unbedingt ratsam sei auch manches Mineralwasser mit Fruchtaroma. „Einige davon enthalten in 1,5 Litern umgerechnet rund 23 Stück Würfelzucker.“

Ist Mineralwasser gesünder als Leitungswasser? Mineralwasser enthält wertvolle Minerale und Spurenelemente, diesbezüglich ist das Leitungs- dem Mineralwasser meist unterlegen. Allerdings – so Expertin Altmann – enthielten rund zwei Drittel aller Mineralwässer weniger als 500 Milligramm Mineralstoffe pro Liter. Dennoch könne man mit zwei Litern Mineralwasser am Tag beispielsweise 42 bis 46 Prozent seines täglichen Magnesiumbedarfs decken.

Wer Leitungswasser abkocht, tut seiner Gesundheit noch mehr Gutes. Altmann: „Die dadurch veränderte Molekularstruktur des Wassers entlastet die Leber und verbessert die Verdauung. Außerdem lässt das Verlangen nach ungesunder Nascherei nach.“

Weniger Karies und Kilos. Tee ist, kalt getrunken, ein idealer Durstlöscher. Zudem haben viele Tees beruhigende, aufputschende, heilende oder antioxidative Wirkung. Schon eine Tasse grünen Tees täglich senkt das Kariesrisiko signifikant. Unter den Grüntees gilt der Matcha-Tee als einer der gesündesten – allerdings schrecken viele wegen der aufwendigen Zubereitungsprozedur vor ihm zurück. Im gut sortierten Teehandel gibt es aber mittlerweile auch schon Matcha-Tees, die in der Zubereitung deutlich einfacher sind. Beliebt als Getränk sind auch sogenannte grüne Smoothies aus Gemüse. Sie, meint Expertin Altmann, stärken das Immunsystem, reinigen den Darm und helfen bei der Gewichtsabnahme. Aber eines können sie nicht: eine gesunde Ernährung ersetzen.

GESUNDE DRINKS

„Trink dich vital und gesund“ von Susanne Altmann und Johann Grassl (Verlag Maudrich, 152 Seiten, 19,90 Euro).
Weitere Bücher
zu Getränken: „Kombucha. Der natürliche Energiedrink, der vitalisiert, heilt und entgiftet“ von Eric und Jessica Childs (Narayana Verlag, 210 Seiten, 20,40 Euro). „Grüne Smoothies. Der Powerdrink aus süßem Obst und grünem Gemüse“ von Rose Marie Donhauser (Südwest Verlag, 112 Seiten, 10,30 Euro).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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