Angesichts der hohen Verschuldung von Staaten, Firmen und Privaten müssen sich Anleger auf raue Zeiten gefasst machen, sagt ein Anlageexperte. Negativzinsen und höhere Immobiliensteuern sind mögliche Szenarien.
Wien. Geldanlage ist angesichts niedriger Zinsen und geringer Wirtschaftswachstumsraten schon jetzt kein leichtes Unterfangen. In den nächsten 20 Jahren wird es kaum leichter werden. Zum einen ist die Gesamtverschuldung (von Staat, Unternehmen und Privaten) in Europa, aber auch anderswo, gemessen am BIP auf historische Höchstwerte gestiegen. Ein exorbitant hohes Wirtschaftswachstum könnte helfen, die Schuldenberge abzutragen, ein solches ist aber allein aufgrund der demografischen Veränderungen (die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation gehen sukzessive in Pension) nicht in Sicht.
Die Politik werde zu unkonventionellen Methoden greifen, um der Probleme Herr zu werden, sagt Christian Fegg, Vorstandsdirektor der Schoellerbank Invest AG. Etwa zu Negativzinsen oder höheren Steuern (insbesondere Immobiliensteuern). Letztere würden zwar die Staatsquote erhöhen und hätten eine negative Wirkung auf das Wachstum, doch könnten sie einen Beitrag zur Finanzierung der Folgen der demografischen Veränderungen leisten und seien daher nicht auszuschließen. Langfristig orientierte Anleger sollten jedenfalls auf derlei Schritte gefasst sein.
Steuerrisiko bei Immobilien
Doch könnten sich Wohlhabende einer Vermögenssteuer entziehen, wenn sie den Wohnsitz ins benachbarte Ausland verlegen. Bei Immobiliensteuern bestehe diese Möglichkeit nicht – weshalb höhere Immobiliensteuern wahrscheinlicher seien als allgemeine Vermögenssteuern. „Deshalb bergen Investments in Immobilien ein ziemlich hohes Steuerrisiko“, stellt Fegg in einem Analysebrief fest. Wer sein Geld in Immobilien stecken will, sollte lieber Märkte außerhalb Europas ins Visier nehmen. „Wenn man schon unbedingt in Immobilien investieren will, sollte man das eher in Asien tun“ – etwa über Aktien, wobei man auf Streuung nicht vergessen sollte.
Andere Steuer- und Abgabenerhöhungen (etwa höhere Verbrauchssteuern, Einkommensteuern und Sozialabgaben) hält der Experte für wenig wahrscheinlich, da diese Steuern bereits hoch sind und jede Erhöhung stark wachstumshemmend wirke. Um die Schulden abzubauen, wären als Mittel auch Negativzinsen denkbar. Diese wären wohl nicht gerecht (Sparer würden bestraft), doch hätten sie einen wachstumsfördernden Effekt: Die Konsumenten würden ihr Geld lieber ausgeben, als es auf dem Konto oder Sparbuch liegen zu lassen. Allerdings könnten sie auch Bargeld horten. Um das zu verhindern, müsste der Staat Bargeld abschaffen oder zumindest Einschränkungen (etwa Obergrenzen für Bargeldtransaktionen oder Behebungen) einführen. Letzteres hält Fegg für wahrscheinlicher, eine gänzliche Abschaffung von Bargeld wäre nicht so leicht durchsetzbar. Das Ausweichen auf andere Währungen würde wohl schnell dadurch unattraktiver, dass andere Staaten nachziehen.
Den Inhabern größerer Vermögen bliebe nur noch, in Sachgüter auszuweichen. Das könnte wiederum Blasen an den Aktienmärkten auslösen. Für jene, die schon lang Aktien haben, wäre das weniger schlimm. Alle, die dann erst einsteigen, müssten sich mit hoher Volatilität herumschlagen.
Negativzinsen hätten gegenüber höheren Steuern mehr Sinn, daher steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Verantwortlichen solche einführen, auch wenn die Nachteile hoch seien, meint Fegg. „Einfache Rezepte gibt es bei hohen Schuldlasten nicht mehr.“
Aktien nicht mehr billig
Dass die Zinsen in den nächsten 25 Jahren wieder auf das Niveau der Achtziger- und Neunzigerjahre steigen – Anfang der Neunzigerjahre hat man für zehnjährige deutsche Staatsanleihen fast zehn Prozent erhalten; derzeit sind es 0,7 Prozent – hält Fegg für unwahrscheinlich. Das sei angesichts der hohen Schuldenstände nicht leistbar. Was also tun?
Grundsätzlich seien Sachwerte besser als Geldmarkt- oder Anleiheinvestments, meint Fegg. Doch billig sind auch Aktien nicht mehr. In den nächsten zehn Jahren müsse man sich bei US-Aktien mit jährlichen Erträgen von drei bis fünf Prozent begnügen. Das zeige der Vergleich mit anderen Zeiträumen, in denen die Bewertung der Aktien ähnlich hoch war wie heute. Auch die Treiber in der Vergangenheit (enormes weltweites Bevölkerungswachstum, Technologieschübe im 20. Jahrhundert) dürften in Zukunft schwächer wirken. Anleihen seien aber eine wesentlich schlechtere Wahl als Aktien. Gold und Geldmarkt dienten bestenfalls der Portfolio-Beimischung und seien keine langfristigen Investments.