Strom kann man auch billiger haben

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161.000 Haushalte kehrten ihrem Stromanbieter im Vorjahr den Rücken, bei Gas waren es knapp 54.000. Obwohl der Tarifwechsel ziemlich unkompliziert ist, lassen viele Österreicher nach wie vor Geld liegen.

Wien. Bequemlichkeit und Desinteresse kommen die Österreicher ganz schön teuer zu stehen. Denn obwohl der heimische Strom- und Gasmarkt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt liberalisiert ist, gibt es bei der Bereitschaft, den Energieanbieter zu wechseln, durchaus noch Luft nach oben.

Zum ersten Halbjahr entschieden sich 122.500 Haushalte und Unternehmen dafür, ihrem alten Versorger den Rücken zu kehren – immerhin der zweithöchste Wert seit der Öffnung des Marktes. Doch erreicht die Wechselrate nur den unteren einstelligen Bereich. Im Vorjahr lag sie für Strom bei 3,5 Prozent, bei Gas kam man auf 4,2 Prozent. In Deutschland tauschten 2013 immerhin sieben Prozent der Haushalte ihren Anbieter aus, bei Gas waren es noch mehr.

Hohe Einsparungen

Dabei könnten die Einsparungen eines durchschnittlichen österreichischen Haushaltes ziemlich beachtlich ausfallen. Bei Strom beträgt das jährliche Einsparpotenzial zwischen 103 Euro (in Tirol und Vorarlberg) und 214 Euro in Oberösterreich. Einen neuen Gasanbieter zu suchen kann 150 bis 387 Euro Kostenersparnis mit sich bringen.

Unter dem Strich können die Aufwendungen für Strom und Gas um 254 Euro in Tirol und 557 Euro in Klagenfurt reduziert werden. „Damit geht sich bereits ein Kurzurlaub aus“, sagt Walter Boltz, Chef der Regulierungsbehörde E-Control. Die Angaben setzen den Wechsel vom regionalen Standardanbieter zum günstigsten Versorger bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von jährlich 3500 Kilowattstunden voraus. Bei Gas wird mit einem Bedarf von 15.000 Kilowattstunden kalkuliert.

Ein Haushalt gibt in Österreich für Strom im Schnitt zwischen 644 und 796 Euro pro Jahr aus. Für Gas müssen Konsumenten tiefer in die Tasche greifen. Dort belaufen sich die Kosten auf 936 bis 1217 Euro jährlich. Zum Halbjahr wechselten – im Verhältnis zur Anzahl der Bevölkerung – die Kärntner am häufigsten ihren Stromanbieter. Absolut gesehen lag die Bundeshauptstadt Wien an der Spitze.

Unproblematischer Wechsel

In Österreich gibt es inzwischen 140 verschiedene Stromlieferanten, mit Gas werden Verbraucher von 33 unterschiedlichen Anbietern versorgt. Wobei nicht jede Firma für jeden Haushalt in jedem Bundesland infrage kommt. So kann ein Wiener etwa aus 34 verschiedenen Stromlieferanten und 64 unterschiedlichen Stromprodukten wählen. Unter dem Strich hat sich die Zahl der verfügbaren Stromprodukte im heurigen ersten Halbjahr um 30 Prozent erhöht.

„Die Energieunternehmen werden immer erfinderischer bei der Entwicklung neuer Produkte. Das ist ein gutes Zeichen“, sagt Boltz. „Eine größere Auswahl bringt Vorteile für die Konsumenten und belebt den Wettbewerb.“ Verbraucher können in der Regel zwischen Produkten mit oder ohne Preisgarantie wählen. Auch stehen sogenannte Floater-Tarife zur Auswahl. Diese orientieren sich an den Großhandelspreisen. Floater-Tarife werden im Tarifkalkulator der Behörde angezeigt. Allerdings handelt es sich bei der Kalkulation lediglich um eine Hochrechnung, da die Entwicklung der Preise nicht vorhersehbar ist.

Bei einem Anbieterwechsel locken die meisten Versorger mit Neukundenrabatten, die explizit ausgewiesen werden. Seinen Versorger gegen einen neuen auszutauschen ist unproblematisch, da sich der Anbieter nach Ausfüllen des Vertragsformulars um den Rest (wie die Kündigung des alten Vertrages) kümmert. Mittlerweile hat sich nicht nur die E-Control des Themas angenommen. Auch über die Internetplattform durchblicker.at können sowohl der Strom- als auch der Gaslieferant gewechselt werden. Neu in den Markt eingestiegen ist die französischen Firma Selectra mit der Homepage stromliste.at. Das Unternehmen setzt anders als durchblicker.at auf den telefonischen Kontakt und die Information der Kunden. Im Gegensatz zu den Energieanbietern kann man den lokalen Netzbetreiber jedoch nicht wechseln. Die Netzkosten machen bei Strom und Gas je ein Viertel des Preises aus. (nst)

Was Sie beachten sollten beim . . . Wechsel des Energieanbieters

Das Einsparpotenzial bei Strom und Gas ist hoch. Es liegt bei bis zu 560 Euro jährlich.


Tipp 1

Reibungslos. Wer denkt, der Wechsel des Strom- oder Gasanbieters sei mit überbordender Bürokratie verbunden, irrt. Bei 20 von 25 Stromlieferanten kann der Übertritt bereits online erledigt werden. Um den Rest – wie die Kündigung des alten Vertrags – kümmert sich der neue Anbieter. Je nach Bundesland gibt es unterschiedliche Produkte.

Tipp 2

Wechsel. Wer Geld sparen will, der sollte seine Energiekosten laufend und nicht nur alle paar Jahre einmal überprüfen. Trifft man die Entscheidung für einen Anbieter, kann man von den gewährten Neukundenrabatten der Unternehmen profitieren. Wie hoch diese ausfallen, wird auf der Homepage des Energieregulators E-Control angezeigt.

Tipp 3

Strom sparen. Neben dem Wechsel des Energieanbieters kann man als Verbraucher auch noch auf andere Weise sparen: nämlich durch geringeren Stromverbrauch. LED-Lampen fressen weitaus weniger Energie als Glühbirnen. Auch ist es besser, seine Geräte ganz auszuschalten, statt sie im Stand-by-Modus laufen zu lassen.

Tipp 4

Aktion. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat in der Vergangenheit zwei Mal eine große Gemeinschaftswechselaktion für Verbraucher ins Leben gerufen, den sogenannten Energiekosten-Stop. Für viele war das ein Grund, zum ersten Mal zu wechseln. Den Netzbetreiber kann man übrigens nicht ändern. Er bleibt immer derselbe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2015)


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