Mahrer: "Unterstütze Mittelschul-Bashing nicht"

„Meine Erwartungen wurden übererfüllt“, sagt Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) zur Bildungsreform.
„Meine Erwartungen wurden übererfüllt“, sagt Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) zur Bildungsreform.Die Presse
  • Drucken

Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) über die freundlichen Nasenlöcher des Finanzministers und Spassettln, die sich im Bildungsbereich aufhören werden.

Sie haben immer betont, wie wichtig Ihnen die Kleinkinderziehung ist. Trifft es Sie, wenn Österreichs führende Kindergartenexpertin, Heidemarie Lex-Nalis, die Bildungsreform mit den Worten „Man könnte das Ganze unaufgeschnürt entsorgen“ kommentiert?

Harald Mahrer: Nein, gar nicht. Die Erwartungen der Elementarpädagogen waren verständlicherweise extrem hoch. Meine eigenen wurden erfüllt, sogar übererfüllt. Jetzt haben wir bei den Kindergärten die richtigen ersten Schritte gesetzt.

Sie haben sich aber nicht getraut, die Rahmenbedingungen zu ändern – etwa die Kindergärten zum Bund zu holen.

Man kann glauben, dass man alles zentralisiert und damit alle Probleme löst. In Wahrheit hätte eine Zentralisierung aber eines langen Gesetzgebungsprozesses bedurft. Dadurch hätten wir zwei, drei Jahre verloren. Das wollte ich nicht.

Sie haben mit dem zweiten Pflichtkindergartenjahr und dem Bildungskompass kostenintensive Pläne vorgelegt. Vom Finanzminister gibt es aber noch keine finanzielle Zusage.

Er macht freundliche Nasenlöcher.

Und das ist Ihnen genug?

Ja, das reicht mir. Ich bin einer, der sich über Budgets erst dann im Detail den Kopf zerbricht, wenn ich genau weiß, wie die Umsetzung in der Praxis funktioniert. Das konkretisieren wir gerade.

Auch die Reformen im Schulbereich stehen unter Finanzierungsvorbehalt.

Frau Bildungsministerin Heinisch-Hosek hat schon gesagt, dass sie das im Rahmen ihrer Budgets stemmen wird.

Das ist doch unrealistisch. Die Reformen sind teuer, und im Budget der Ministerin klafft schon jetzt eine große Lücke.

Ich glaube schon, dass die Reform kostenneutral machbar ist. Es wird Effizienzsteigerungen geben, etwa durch die neu geschaffene Transparenz bei den Lehrergehältern. Dadurch werden sich die einen oder anderen Spassettln aufhören.

Und wie stopft man das Loch im Bildungsministerium? Die Ministerin sagt, sie hat keinen Spielraum, weil der Großteil ihres Budgets durch die Lehrergehälter gebunden ist.

Sie hat gewisse Spielräume, so wie jeder andere Minister auch. Diese kann sie nutzen und das System effizienter gestalten und straffen. Die Frau Bundesministerin hat da sicher gute Ideen.

Hätten Sie auch welche?

Ja, natürlich. Aber es ist nicht meine Ressortverantwortung.

Was ist für Sie eigentlich eine Gesamtschule?

Das ist eine Schule, die über einen bestimmten Zeitraum alle Kinder im selben Schulsystem behält.

Wenn das so ist, dann sind doch die von Ihnen vorgestellten Modellregionen keine Gesamtschulversuche.

Das kommt auf die Umsetzung an. Wer Gesamtschulmodelle testen möchte, muss verhindern, dass Eltern ihre Kinder dort rausoptieren wollen. Es darf keine Image-Unterscheidung zwischen AHS-Unterstufe und NMS geben.

Wie will man Gymnasien dazu motivieren, an diesen Modellversuchen teilzunehmen?

Die Modelle müssen nachweislich zu mehr Qualität führen. Dann werden Direktoren, Lehrer, Eltern und Schüler interessiert sein, dort mitzumachen.

Die Anziehungskraft von AHS wird aber wohl dennoch größer sein als jene der NMS.

Die Leute glauben, dass sie in der Mehrheit der Gymnasien die beste Bildung erhalten. Es gibt gute AHS, aber auch welche, deren Niveau unter jenen bestimmter Neuer Mittelschulen liegt. Das generelle NMS-Bashing kann ich nicht unterstützen.

Sie sind gar kein so großer Fan dieser Modellregionen, sondern von Bildungsclustern.

Ich hätte gern Cluster, in denen sich Kindergärten, Volksschulen, NMS, AHS zusammenschließen und ähnliche inhaltliche Schwerpunkte setzen. Kinder würden dann nicht mehr nach Schultypen getrennt, sondern nach Interessen.

Die Gesamtschule wird auf 15 Prozent der Schulstandorte bzw. Schüler begrenzt. Ist das in Stein gemeißelt?

Nein. Es ist ein Vorschlag, wie man sicherstellt, dass es ein Modell bleibt. Mit 30 Prozent wäre es das nicht mehr.

Schulen dürfen künftig fünf Prozent der Lehrer in Unterstützungspersonal umwandeln. Gibt es zu viele Lehrer?

Ich weiß nicht, ob es zu viele sind. Die Frage ist etwa, ob es das Teamteaching immer braucht. Oder ob es oft nicht besser wäre, anstatt eines zweiten Mathematiklehrers in der Klasse einen Sozialarbeiter einzusetzen.

Sind es nicht zu viele, sondern die falschen?

Nein. Aber die Anforderungen haben sich verändert. Darauf müssen wir präziser reagieren.

Steckbrief

Harald Mahrer (42) ist Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

Tätigkeit. Er ist der ÖVP-Spiegel von Bildungsministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) und leitete das ÖVP-Verhandlungsteam zur Bildungsreform.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Heinisch-Hosek glaubt an Bewegung bei Gesamtschule

"Wer weiß, ob sich im parlamentarischen Prozess nicht das ein oder andere noch ergeben könnte, dass aus 15 Prozent auch eine andere Zahl wird", sagt die Bildungsministerin.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.