Deutsche-Bank-Chef John Cryan glaubt an ein Ende des Bargelds in den nächsten zehn Jahren und kann diesem viel abgewinnen. Er erntet Widerspruch.
Frankfurt. Sollte man Bargeld ganz abschaffen? Dann wäre auch das Falschgeldproblem mit einem Schlag aus der Welt. Bargeld helfe nur noch Geldwäschern und anderen Kriminellen, ihre Geschäfte zu verschleiern, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan in der vergangenen Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos – und überraschte mit einer gewagten These: Bargeld werde in den nächsten zehn Jahren verschwinden.
Denn: „Cash ist fürchterlich teuer und ineffizient.“ Die Deutschen und Österreicher hängen an Schein und Münze. Während etwa Schweden und Dänemark ihren Zahlungsverkehr radikal digitalisieren, zahlen die Menschen in Deutschland und Österreich nach wie vor hauptsächlich bar.
Prompt erntete der Banker Widerspruch: „Meines Erachtens wird der Anteil des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zunehmen, und trotzdem wird Bargeld bleiben“, betonte der deutsche Bundesbank-Vorstand, Carl-Ludwig Thiele, angesichts Vorstoßes Cryans in der „Bild“-Zeitung. Barzahler schätzen es, dass sie einen genaueren Überblick über ihre Ausgaben haben und sich beim Bezahlen keine Sorgen über Datenschutz machen müssen.
Auch beim deutschen Handelsverband (HDE) glaubt man nicht an einen schnellen Abschied von Schein und Münze. „Ob und wann das Ende für das Bargeld kommt, entscheiden die Kunden. Der Handel nimmt derzeit noch mehr als die Hälfte seines Umsatzes per Bargeld entgegen“, ließ HDE-Hauptgeschäftsführer, Stefan Genth, auf Nachfrage erklären. „Insofern ist ein Ende noch nicht absehbar, auch wenn die Umsätze mit Kartenzahlungen stetig, aber langsam steigen.“
Auch Plastik ist nicht sicher
Dass auch Plastikgeld Risken birgt, kam erst vergangene Woche wieder ans Licht: Da Kriminelle versuchten, an Daten von Kreditkarten zu kommen, tauschten mehrere Banken in Deutschland Zehntausende Karten vorsichtshalber aus. Bargeldbefürworter argumentieren auch, dass Bargeld Anlegern die Möglichkeit gebe, ihr Geld vor etwaigen Negativzinsen zu schützen.
Vergangenen Mai war die Debatte um Bargeld in eine heiße Phase geraten: Dafür hatte sich der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger ausgesprochen. Sein Argument: Bargeld sei veraltet und überflüssig. Befürworter eines solchen Verbots sähen damit illegalen Aktivitäten und Steuerhinterziehung einen Riegel vorgeschoben. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, erteilte damals jeglicher Art von Bargeldbezahlungsverboten eine Absage. Ein solches Verbot komme nicht infrage.
Ein generelles Bargeldverbot halten die meisten Experten für nicht so leicht durchführbar. Wohl aber könnte es zu Einschränkungen des Bargeldverkehrs kommen, indem etwa Transaktionen über einer bestimmten Höhe nicht mehr in bar durchgeführt werden dürfen, wie das in vielen europäischen Ländern (etwa Italien) bereits der Fall ist. (DPA/b. l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)