Staatsoberhaupt ohne Nachfolger abgetreten. Grund ist ein Streit zwischen Regierung und Opposition.
Port-au-Prince. Der Streit um die Präsidentenstichwahl stürzt den karibischen Krisenstaat Haiti noch tiefer ins Chaos. Der bisherige Staatschef, Michel Martelly, ist am Sonntag, wie von der Verfassung vorgesehen, abgetreten – nun steht das Land ohne Staatsoberhaupt da.
Grund für die fehlende Nachfolge ist ein Streit zwischen Regierung und Opposition: In der ersten Runde der Präsidentenwahl am 25. Oktober hat Regierungskandidat Jovenel Moise mit 32,7 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Oppositionskandidat Jude Celestin, mit 25,3 Prozent Zweiter, warf den Behörden daraufhin Wahlfälschung vor. Zweimal schon wurde die Stichwahl wegen des Streits abgesagt, zuletzt am 24. Jänner, nach Boykottaufrufen Celestins und gewaltsamen Ausschreitungen.
Als eine seiner letzten Amtshandlungen einigte sich Martelly mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern am Sonntag darauf, innerhalb der nächsten fünf Tage einen Übergangspräsidenten zu bestimmen. Er soll für höchstens 120 Tage die Geschäfte führen, bis die mehrfach verschobene Stichwahl um das Präsidentenamt stattfinden kann.
Doch selbst dies scheint nicht gesichert: Acht der in der ersten Wahlrunde ausgeschiedenen Präsidentschaftskandidaten halten auch das jetzige Parlament für nicht legitim. Sie fordern, dass ein Richter vom Obersten Gerichtshof bis zur Stichwahl die Geschäfte führt.
Wahltermin noch ungewiss
Als neuer Termin für die Stichwahl wird nun der 24. April anvisiert, dann könnte der neue Präsident am 14. Mai sein Amt antreten. Ob es dazu kommt, gilt als fraglich: „Haiti steht momentan am Rand der Anarchie, politisch kämpft jeder gegen jeden“, sagt Haiti-Experte Hans Christoph Buch zur „Presse“ über die Lage im Land. (jp)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)