Mobilfunk: Schlechte Nachrichten per E-Mail?

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Mobilfunkbetreiber müssen künftig keine Briefe mehr verschicken, wenn sie Tarife anheben wollen. Zumindest sieht das ein Verordnungsentwurf vor: Ein E-Mail soll reichen.

Wien.Mobilfunkanbietern soll es künftig noch leichter gemacht werden, bestehende Verträge mit ihren Kunden einseitig abzuändern. Darum geht es in einem Verordnungsentwurf der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR). Demnach soll künftig ein E-Mail reichen, um Kunden mitzuteilen, dass ihr Handytarif teurer oder eine andere Bedingung in ihrem Vertrag ungünstiger werden soll.

Anlass war eine 2015 beschlossene Änderung im Telekommunikationsgesetz (TKG). Demnach müssen für den Kunden nachteilige Vertragsänderungen diesem nicht mehr zwingend in schriftlicher Form mitgeteilt werden. Eine „geeignete Form“ reiche aus (wobei „schriftlich“ laut den Erläuterungen zum Gesetz „mit Unterschrift“ bedeutet – also per Brief oder allenfalls mit qualifizierter elektronischer Signatur). Begründet wurde das damit, dass bei einzelnen Vertragstypen, vor allem wenn der Teilnehmer anonym ist, eine schriftliche Übermittlung nicht möglich sei. Dieses „Missverhältnis“ wollte der Gesetzgeber beheben.

Die nähere Konkretisierung obliegt der zur Branchenaufsicht eingerichteten RTR. Laut den Erläuterungen zum Gesetz könnte sie für verschiedene Vertragstypen unterschiedliche Verständigungsformen vorsehen, „einschließlich Schriftlichkeit“. Das sieht der Entwurf jedoch nicht vor. Die RTR zeigt sich gegenüber den Anbietern großzügiger, als sie es müsste: Bei anonymen Prepaid-Vertragsverhältnissen dürfen verschlechternde Änderungsvorhaben dem Kunden künftig per SMS mitgeteilt werden; ist der Kunde namentlich bekannt, soll ein einfaches E-Mail genügen.

„Warnfunktion geht verloren“

AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer kann das nicht nachvollziehen: Den Hinweis in den Erläuterungen könne man als Einladung an den Verordnungsgeber verstehen, „nicht mehr umzusetzen, als unbedingt sein muss“, sagt sie zur „Presse“. Dass es für anonyme Vertragsverhältnisse eine Lösung geben müsse, sei verständlich, das pauschale Abgehen von der brieflichen Form geschehe aber „ohne Not“.

Im Konsultationsverfahren für die Mitteilungsverordnung äußerte sich die AK wie auch das für Konsumentenschutz zuständige Sozialministerium kritisch zu dem Entwurf. Beide befürchten, dass die Verständigung, wenn sie nicht mehr mit der Post kommt, ihre wichtige Transparenz- und Warnfunktion verliert. Sie könnte an eine E-Mail-Adresse geschickt werden, die der Kunde nicht regelmäßig abfragt, womöglich gar an eine, die der Anbieter ungebeten für ihn generiert hat (obwohl das laut OGH unzulässig ist, 7Ob 84/12x). Aber selbst wenn der Kunde die Adresse irgendwann angegeben hat, heißt das nicht, dass er damit rechnet, dort rechtsverbindliche Zustellungen zu erhalten. Die Gefahr sei groß, dass Kunden wichtige Verständigungen von Vertragsverschlechterungen zu spät oder gar nicht sehen, kritisieren AK und Ministerium. Man kann dann auch um sein Sonderkündigungsrecht, das einem bei solchen vom Anbieter aufgedrängten „Änderungsvorschlägen“ zusteht, umfallen.

In einem Gespräch mit der RTR habe man diese Argumente nochmals dargelegt, sagt Zimmer. Ob der Verordnungsentwurf noch abgeändert wird, ist freilich offen. „Die Presse“ fragte bei der Regulierungsbehörde nach. Die Antwort: kein Kommentar. Weil die Ausarbeitung noch im Gang sei, dürfe man zur internen Entscheidungsfindung – wie bei jedem laufenden Verfahren – keine Auskünfte geben.

Müsste Behörde eingreifen?

Änderungswünsche haben auch Mobilfunkanbieter geäußert: Sie hätten gern das Recht, auch mit namentlich bekannten Kunden das SMS als Verständigungsform zu vereinbaren. Aus Sicht des Konsumentenschutzes sei das „undenkbar“, sagt Zimmer. Und wenn schon Verständigung per E-Mail, müsse mit dem Kunden konkret vereinbart werden, welche Adresse dafür verwendet werden darf. Diejenigen, die von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, weiterhin eine Rechnung in Papierform zu bekommen, müssten zudem davon ausgenommen werden. Ihnen könnten wichtige Mitteilungen mit der Rechnung per Post geschickt werden, schlägt die AK vor. Dann hätte der Anbieter nicht einmal Zusatzkosten.

Das Stichwort Kosten führt freilich zur nächsten Frage: Warum sollen einseitige Vertragsverschlechterungen überhaupt für die Anbieter leichter und billiger gemacht werden? Erst im März präsentierten RTR und Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) Branchenuntersuchungen, aus denen hervorging, dass sich nach der Übernahme von Orange durch „3“ (Hutchison) die Preise massiv erhöht haben: für Neukunden um 50 bis 90 Prozent, für Bestandskunden um 15 Prozent. Und das trotz gesunkener betreiberseitiger Kosten und Mobilfunkmargen bis zu 100 Prozent.

Manche Juristen meinen, die RTR dürfe unter solchen Gegebenheiten einseitige Tariferhöhungen nicht fördern. Nach dem TKG müsse sie angesichts der Marktmacht der drei Netzbetreiber regulatorische Auflagen zugunsten der Kunden setzen. Überhaupt schütze die Aufsichtsbehörde die Kunden unzureichend, kritisiert Philipp Lust, Verfasser eines Fachbuchs zum Telekommunikationsrecht. Angesichts der Tatsache, dass die Kosten sinken und die Anbieter die Vertragsbedingungen vorgeben, wirft er die Frage auf, wozu die Anbieter überhaupt ein Privileg zur einseitigen Vertragsverschlechterung brauchen. Der zivilrechtlichen Frage, wann und in welchem Ausmaß einseitige Änderungen zulässig sein können, widmet sich die RTR nämlich auch bei der Neufassung der Verordnung nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2016)


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