Deficit Spending – für Konsumenten ein fataler Weg

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Laut einer aktuellen Umfrage der Direktbank Austria hat fast die Hälfte der Österreicher Konsumschulden. Mobiltelefone, Fernseher und Möbel werden allzu gern auf Pump gekauft.

Wien. Bundeskanzler Bruno Kreisky war es, der in den 1970er-Jahren die Politik des Deficit Spending salonfähig machte. Er investierte Geld, das gar nicht in der Staatskasse war, kurbelte den Konsum damit an und nahm – ohne schlaflose Nächte zu haben – in Kauf, dass die Staatsschulden steil in die Höhe schossen.

Was Kreisky für die beste Wirtschaftspolitik hielt, auf Pump zu investieren, erweist sich für Private als fatal. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Ing-Diba, der Direktbank Austria, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Demnach hat fast jeder zweite Österreicher (47 Prozent) Konsum- bzw. Privatschulden. Allen voran sind 19 Prozent der Österreicher bereit, für Konsumgüter wie Mobiltelefone, Fernsehgeräte, Autos oder Computer Schulden aufzunehmen. 17 Prozent überziehen regelmäßig ihr Girokonto, damit liegt Österreich über den europaweiten Schnitt von 13 Prozent.

Sieben Prozent borgen sich Geld bei Freunden und Verwandten aus, um ihre Bedürfnisse zu stillen. Fünf Prozent überziehen den Rahmen, denen ihnen ihr Kreditkartenbetreiber eingeräumt hat, wenn es nicht anders geht. Und drei Prozent finanzieren sich ihre Anschaffung, indem sie direkt beim Händler einen Kredit aufnehmen.

Konditionen oft unbekannt

Auffallend ist, dass die Befragten wenig bis gar nichts über die Konditionen ihres Kredites sagen konnten. 20 Prozente gaben bei der Befragung an, „gar keine Ahnung zu haben“, 41 Prozente sagten, sie könnten nur raten und nur 39 konnten darüber Auskunft geben, wie hoch die Zinsen sind, die sie der Bank zu zahlen haben. „Das Ergebnis ist ein starkes Indiz dafür, dass viele Schuldner über mögliche Einsparungen bei Kredit oder Kontoüberziehung nicht Bescheid wissen. Dabei sollte man in der anhaltenden Niedrigzinsphase günstige Angebote und Umschuldungsmöglichkeiten nutzen, denn unter dem Strich kann das Einsparungspotenzial enorm sein“, sagt Luc Truyens, Chef der ING-DiBa Direktbank Austria. Dass es jedoch viele Banken (bewusst) verabsäumen, ihre Produkte für jedermann verständlich oder vergleichbar zu gestalten, räumt die Presseprecherin der Direktbank, Andrea Hansal, ein. Viele Menschen würden den Unterschied zwischen Effektiv- und Nominalzinssatz nicht kennen. „Es wäre primär Aufgabe der Bank, den Kunden ein Instrumentarium in die Hand zu geben, sodass sie verstehen, worauf sie sich eigentlich einlassen. Hier gibt es viel Verbesserungsbedarf bei Österreichs Banken“, so Hansal.

Das stimme zwar, bestätigt Alexander Maly, Pressesprecher der Schuldnerberatung Wien, jedoch gäbe es viele Konsumenten, bei denen einfach der Trieb, etwas Neues zu kaufen, im Vordergrund stehe: „Sie akzeptieren alle Konditionen.“ Bei seiner täglichen Beratungstätigkeit sieht Maly, dass es vor allem die Konsumkredite sind, die Schuldner in die Bredouille bringen. „Die Kredite, die fürs Wohnen aufgenommen werden, sind in den seltensten Fällen Auslöser für einen Privatkonsum.“

In den vergangenen Jahren hätten die Kleinstkonsumkredite in der Höhe von etwa 400 Euro stark zugenommen. Die Kunden schließen den Vertrag direkt beim Händler ab – allen voran für Smartphones. Die Bonitätsprüfung lasse bei dieser neuen Vertriebsschiene in den meisten Fällen sehr zu wünschen übrig, weiß Maly. Ob immer nachgefragt werde, um den wievielten Kleinkredit es sich denn schon handle, sei nicht sicher. Mit dem Ergebnis, dass nicht wenige über ihre vielen kleinen Schuldenberge stolpern. „Bei großen Krediten zeigen die Banken mehr Zurückhaltung. Das begrüßen wir sehr“, sagt Maly.

Schuldnern rät er, nicht erst zur Schuldnerberatung zu kommen, wenn das dritte Mahnschreiben auf dem Tisch liegt, sondern viel früher. „Wenn die Schulden einmal davongaloppieren bleibt nur mehr der Privatkonkurs als Ultima Ratio.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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