Faire Medienförderung statt ORF-„Taschengelderhöhung“

RUNDER TISCH ZU ´ORF-GEB�HREN´ IM PARLAMENT: WRABETZ
RUNDER TISCH ZU ´ORF-GEB�HREN´ IM PARLAMENT: WRABETZ(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Eine ORF-Gebührenerhöhung verstärkt das Ungleichgewicht auf dem Markt. Besser wäre es, Qualitätsjournalismus in allen Medien zu unterstützen.

Mama, Mama! Ich brauch mehr Taschengeld!“, mault eine Kinderstimme aus dem Radio. „Aber wieso?“, fragt die Mutter. „Du hast doch eh schon so viel“ – und empfiehlt dem Kind zu sparen. „Das ist voll uncool! Ich will einfach mehr Geld. So wie der ORF.“

Mit diesem Werbespot machen die Privatsender derzeit gegen die geplante Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Stimmung. Und sie sind nicht die Einzigen, denen es nicht passt, dass ORF-General Alexander Wrabetz mehr Programmentgelt verlangt: Die Neos machen ab kommender Woche auch auf der Straße für ihre Petition „GIS abdrehen!“ mobil, die bereits jetzt fast 100.000 Unterstützer hat. Freilich hat Wrabetz als geschickter Taktiker im Sommer noch lanciert, man werde zehn Prozent mehr brauchen, und fordert jetzt „nur“ 7,7 Prozent – nicht ohne zu betonen, dass das für die nächsten fünf Jahre reichen sollte und unter der Inflationsrate liege. Also alles halb so schlimm? Aber darum geht es gar nicht.

Auf Kritik an seinen Geldwünschen reagiert Wrabetz grantig: Wer gegen die Gebührenerhöhung sei, wolle den „ORF überhaupt abschaffen oder zerschlagen“, behauptet er. Darum geht es aber auch nicht. Wer sich aufrecht für eine funktionierende Demokratie einsetzt, hat größtes Interesse daran, dass den Bürgern qualitativ hochwertige Informationen zur Verfügung stehen. Aber eben nicht nur im ORF, dessen Marktanteile sinken und weiter sinken werden und der bei Weitem nicht die einzige seriöse Informationsquelle ist. Bekommt der ORF die Gebührenerhöhung, dann wird die Schieflage zwischen dem angefütterten Öffentlich-Rechtlichen und den privaten Medien noch größer, als sie ohnehin in diesem Land schon ist.


Wenn man schon den Medienmarkt nicht völlig dem freien Wettbewerb überlassen will, warum sollten nicht auch die österreichischen Privatsender für Qualitätsinhalte wie Wahldebatten, Dokumentationen, Talk- oder Literatursendungen etc. ihren Anteil bekommen? Es ist höchst an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man den Kuchen besser und vor allem gerechter aufteilen kann. Die Vorleistung dafür haben die kommerziellen Anbieter geleistet – und nicht zuletzt im Bundespräsidentenwahlkampf bewiesen, was sie können. Und was ist mit anderen Medien? Die Zeitungen müssen sich, was die Förderungen angeht, vergleichsweise mit Almosen begnügen, obwohl sie zur journalistischen Pluralität dieses Landes einen unabdingbaren Beitrag leisten. Auch seriöser Onlinejournalismus müsste abgegolten werden. Es reicht heute einfach nicht mehr, dem ORF eine „Taschengelderhöhung“ zu gewähren (und ein paar wenige Boulevardmedien mit öffentlichen Inseraten handzahm zu machen): Die Politik muss das System der Medienförderung gänzlich neu überdenken, wenn sie die Zukunft des Qualitätsjournalismus in allen Bereichen sichern und verhindern will, dass Falschmeldungen oder Lobbyisten die politische Debatte diktieren.


Allerdings profitieren gerade die Regierungsparteien, die etwas am Gebührensystem ändern könnten, derzeit besonders. Einerseits schätzen sie den Einfluss auf den Stiftungsrat und auf wichtige Entscheidungen im ORF – und nützen ihn, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Wrabetz muss sich die Zustimmung zum Gebührenantrag, den er am Donnerstag im Stiftungsrat stellen wird, mit Entgegenkommen in anderen Bereichen erkaufen. Andererseits profitieren Bund und Länder direkt von der Gebührenerhöhung, weil sie auf das Programmentgelt eine Kunstförderung (für den Bund) und eine Landesabgabe aufschlagen: Die Steiermark etwa verrechnet mehr als 30 Prozent Landesabgabe, in Wien und Niederösterreich sind es knapp 29 Prozent. Nur Vorarlberg und Oberösterreich verzichten darauf.

Da wäre es doch besser, würde man zur Förderung des Qualitätsjournalismus eine Haushaltsabgabe (frei von versteckten Steuern) einheben: Die würde, weil alle zahlen, geringer ausfallen als die ORF-Gebühr und könnte allen Medien zugutekommen. Das wäre nur gerecht. Auch wenn der ORF das naturgemäß anders sieht.

E-Mails an:isabella.wallnofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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